Dr. Dieter Geis, Vorsitzender des Bayerischen Hausärzteverbandes, erhofft sich vom "Gesetz zur Hospiz- und Palliativversorgung", das am 8. Dezember vergangenen Jahres in Kraft getreten ist, neue Impulse für die Allgemeine Ambulante Palliativmedizinische Versorgung (AAPV). In seinem Vortrag zum Thema "Hausärztliche Koordination und Steuerung im Rahmen der Palliativversorgung" anlässlich eines Symposiums der Hanns-Seidel-Stiftung Ende Juli in München wies er auf Lücken in der Versorgung Schwerstkranker hin, die auch nach der Einführung eines gesetzlichen Anspruchs der Versicherten auf eine Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung (SAPV) noch bestehen.
Diese sei zwar ein wichtiger Schritt gewesen, aber nur ein kleiner Teil der Schwerstkranken erfülle die Kriterien, um die SAPV in Anspruch zu nehmen. "Alle anderen Palliativpatienten und die Träger der AAPV wie Hausärztinnen und Hausärzte, Pflegeorganisationen oder Hospizvereine jedoch durften sich als vergessene Selbstverständlichkeit fühlen und wurden teils auch so behandelt", kritisierte Geis. Dies könne sich nun durch das Hospiz-und Palliativgesetz ändern, hofft er, mahnte aber "Klasse statt Masse" in der Versorgungs- und Honorarstruktur an:
Eine intensivierte AAPV, wie sie bei schweren Erkrankungen in der Endphase erforderlich sein kann, auch wenn die Kriterien für die Inanspruchnahme der SAPV nicht erfüllt sind, erfordere eine besondere Qualifizierung des betreuenden Arztes und spezielle Versorgungsstrukturen wie beispielsweise eine gute Vernetzung und eine 24-stündige Erreichbarkeit des behandelnden Arztes. Dies müsse Berücksichtigung finden. Die AAPV 2, wie er diese intensivierte palliativmedizinische Versorgung nannte, dürfe nur den Patientinnen und Patienten zukommen, die diese auch wirklich benötigen und müsse sich auch in der Honorarstruktur nach dem Motto "Geld für Zeit" niederschlagen.
Modellprojekt Erlangen
Als Beispiel verwies er auf ein erfolgreiches Modellprojekt in Erlangen, das der Bayerische Hausärzteverband unterstützt und dessen Träger der Hospizverein Erlangen und der Verein Hausärzte Erlangen und Umgebung sind. Es beinhaltet eine 24-stündige hausärztliche Telefonbereitschaft für AAPV-Patienten am Lebensende mit erhöhtem Betreuungsaufwand, aber keinem SAPV-Bedarf, die strukturierte Vernetzung mit Hospizkoordinatorinnen und Pflege und ein gemeinsames Aufnahme-/ Notfallassessment am Patientenbett.
Der Zugang ist begrenzt auf Fälle mit echtem Bedarf, die teilnehmenden Hausärztinnen und Hausärzte sind besonders qualifiziert: Sie haben die praxisbegleitende Kurs-Weiterbildung AAPV absolviert, die der Bayerische Hausärzteverband gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) in der AG Allgemeine Ambulante Palliativmedizinische Versorgung (AAPV) und mit Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) und der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK) im Frühjahr 2016 erstmals angeboten hat.
Die Ergebnisse des Erlanger Modellprojekts nach den ersten 50 Betreuungen können sich sehen lassen. So gab es keine Krankenhauseinweisungen und keine Notarzteinsätze. Vereinzelt wurden Patienten in die SAPV eingeschrieben.
Wichtiges Versorgungsthema
Leider wollten Krankenkassen in den aktuellen Vertragsverhandlungen mit der KVB dieses Projekt nicht landesweit umsetzen, bedauerte Dr. Geis. Er plädiert dafür, weitere Projekte für Bayern – unter Berücksichtigung regionaler Gegebenheiten – zusammen mit dem Bayerischen Hospiz- und Palliativverband (BHPV) auf den Weg zu bringen. "Dafür wird sich der Bayerische Hausärzteverband einsetzen", versprach er und wies darauf hin, dass der Berufsverband die Palliativmedizin bereits seit Jahren in seinen Fortbildungsaktivitäten und in den Verhandlungen zur HZV als wichtiges hausärztliches Versorgungsthema artikuliert hat.
Wichtig sei es, beim Ausbau der AAPV-Strukturen lokale Gegebenheiten zu berücksichtigen, betonte Geis. Er warnte vor zentralistischen Lösungen von Bundesebene, die regionalen Strukturen nicht gerecht werden, diese können erfolgreiche Vorarbeiten vor Ort gefährden. Auf eine weitere Gefahr bei der Umsetzung des Hospiz- und Palliativgesetzes wies er hin: Weiterhin werde leider auf Bundesebene in der Versorgungs- und Honorarstruktur "Masse statt Klasse" gedacht und auch nur halbherzig gehandelt. Wird diese Entwicklung fortgesetzt, würden unterhalb der SAPV, in der AAPV 2, weiterhin Versorgungslücken bestehen bleiben, befürchtet er.