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Forum PolitikMit dem Berufsverband raus aus dem Hamsterrad

Was nutzt eine Mitgliedschaft im Hausärzteverband? Eine Frage, die sich lohnt zu diskutieren. Der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, sagt: Ohne einen starken Verband wären die Erfolge der letzten Jahre nicht möglich gewesen!

Brauche ich meinen Berufsverband? Diese Frage würden Ärzte, je nach Zugehörigkeit zu einer Fachgruppe, sicher unterschiedlich beantworten. Vor allem Kolleginnen und Kollegen der kleineren Fächer sehen es als eine Selbstverständlichkeit an, „ihrem“ Berufsverband anzugehören. Bei den Klinikern ist vor allem die gewerkschaftliche Ausrichtung entscheidend – neben wirtschaftlichen Vergünstigungen durch Gruppentarife – und daher die Mitgliedschaft im Marburger Bund eher die Regel als die Ausnahme. Dabei sind Internisten häufig auch noch Mitglied im Berufsverband Deutscher Internisten e. V. (BDI).

Es gibt auch fachübergreifende Verbände, in die Kollegen ausschließlich oder auch zusätzlich eingetreten sind, wie den Hartmannbund oder – auf Niedergelassene fokussiert – in den NAV-Virchow-Bund. Gerade Letztgenannte wollen die „Mitte“ vertreten, haben jedoch eher den Konsens als Ziel und übernehmen gerne die Rolle des Sprachrohres der sogenannten schweigenden Mehrheit gegen „die Politik“. Auch im MEDI-Verbund, mit dem wir bei den Verträgen, insbesondere auch in den fachärztlichen Bereich hinein kooperieren, sind unterschiedliche Fachgruppen organisiert.

Wie steht’s aber mit der Mitgliedschaft im Deutschen Hausärzteverband, der mit knapp 30.000 Mitgliedern mehr als die Hälfte der Hausärztinnen und Hausärzte in seinen Landesverbänden organisiert hat? Gibt es gute Gründe für Hausärztinnen und Hausärzte, Mitglied in einem Landesverband des Deutschen Hausärzteverbands zu sein?

Was habe ich davon?

Ärzte fragen sich zu Recht: Was habe ich davon? Zunächst Kosten, wobei die Mitgliedsbeiträge, mal abgesehen von der steuerlichen Abzugsfähigkeit, keine ernsthafte Belastung für eine hausärztliche Praxis darstellen.

Wir müssen dann über das reden, was dieser Verband in den vergangenen zehn, 15 Jahren erreicht hat. Der Status quo kommt einem leicht selbstverständlich vor. Die Schritte dorthin geraten in Vergessenheit. Und es ist auch immer genug zu tun, um mit den Neuregelungen im EBM, mit Dokumentationsanforderungen bis hin zu Qualitätssicherungen und Regressvermeidung, neben der zunehmenden Arbeit mit der Patientenversorgung im Praxisalltag, Schritt zu halten. Und dann kommt noch der Hausärzteverband mit seinen Verträgen zur Hausarztzentrierten Versorgung (HZV). Vielleicht sollten wir an dieser Stelle einmal innehalten und die Entwicklung ansehen!

Erstarrung des KV-Systems

Meine Erfahrung als niedergelassener Hausarzt reicht zurück bis 1983. Von Beginn an gab es mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Auseinandersetzungen um das Honorar. Sie kennen das: Prüfungsausschuss mit Kürzungen, Revision im Beschwerdeausschuss. Letzterer kam wegen der ihm auferlegten Pflicht, die Gesamtwirtschaftlichkeit der Praxis zu beurteilen, jedes Mal zu dem Schluss, dass das Honorar ungekürzt auszuzahlen sei. Auch bei einem guten Ausgang solcher Verfahren kostet es unnötig viel Zeit und Kraft.

Mit der Budgetierung unter Horst Seehofer (CSU) 1992 begann das hausärztliche Honorar gegenüber dem fachärztlichen zu bröckeln, die bereits bestehende Ablösung des BMÄ und der EGO durch den EBM tat ihr Übriges, jeweils verstärkt durch ständige Reformen, rückwirkende Budgetierungen und so weiter. Versuche, diese Entwicklung aufzuhalten, auch aus Positionen in Vorständen von KV oder KBV, schlugen regelmäßig fehl. Etliche hausärztliche Kolleginnen und Kollegen haben sich dabei aufgerieben und manche zerschlissen, andere haben sich im System eingerichtet.

Eingriffe der Politik, um Hausärzte zu stützen, sind im Beharrungsvermögen der Körperschaft bis zur Wirkungslosigkeit verkümmert. Auch die mittlerweile kaum noch wahrnehmbare Debatte um die Gleichberechtigung der hausärztlichen und fachärztlichen Versorgungsebene im KV-System ist ein Beispiel für die Erstarrung des Systems.

Über die Probleme, unsere hausärztlichen Praxen zu erhalten und unsere Patienten in die Hände gut ausgebildeter Hausärztinnen und Hausärzte zu geben, wollen wir an dieser Stelle gar nicht weiter sprechen. Das ist alles diskutiert und bekannt.

Hamsterrad der Punktejagd

Also was tun? Beginnend um die Jahrtausendwende haben wir im Deutschen Hausärzteverband darüber nachgedacht, eigene Verträge mit Krankenkassen abzuschließen. Wir wollten aus dem Hamsterrad, der Punktejagd in einem immer komplexeren System, heraus, welches die hausärztlichen Praxen konsequent und zunehmend benachteiligte. Insider geben heute zu, dass die hausärztlichen Leistungen im elaborierten System des STABS* gar nicht in gleicher Weise wie die technischen Leistungen kalkuliert worden sind (der Hausbesuch hätte damit eine dreistellige Vergütung gebracht; also wurde auf eine korrekte Kalkulation „verzichtet“).

Für die hausärztliche Praxis und ihre Zukunft braucht es ein angemessenes und vor allem nachhaltig kalkulierbares Honorar. Dieses in eigenen Verträgen mit Krankenkassen zu erreichen, war das Ziel. Der Gesetzgeber hat uns 2004 durch die gesetzliche Einführung der Hausarztzentrierten Versorgung dabei geholfen und Paragraf 73b SGB V im Gesetz immer weiter gestärkt, um unwillige Kassen dazu zu bewegen, ihren Versicherten HZV-Verträge zur freiwilligen (!) Teilnahme anzubieten. Gerade im Gesundheitsministerium unter Ulla Schmidt (SPD) war die Misere der hausärztlichen Position in den Körperschaften sehr wohl angekommen und es wurde gesetzgeberisch konsequent gehandelt!

Wir haben die Politik davon überzeugen können, dass in Zeiten des Chipkartentourismus eine für Ärzte wie Versicherte freiwillige primärärztliche Alternative nicht nur wirtschaftliche Vorteile haben kann, sondern auch die Qualität der Versorgung unserer Patienten steigert. Nach Rückschlägen durch eine Verschlechterung der Vertragsbedingungen unter FDP-Gesundheitsminister Rösler (Refinanzierungsklausel) und darauf folgend in Bayern, haben wir wieder stabilere Verhältnisse.

Die Behinderung der HZV-Verträge durch die Refinanzierungsklausel im Paragrafen 73b SGB V konnte durch gemeinsames politisches Wirken, vor allem der Hausärzteverbände in Bayern und Baden-Württemberg sowie dem Bundesverband, den Gesundheitspolitikern deutlich gemacht werden und wurde von der großen Koalition nun korrigiert. Diese Erfolge sind für Hausärzte von enormer Bedeutung. Sie wurden aber nicht durch spektakuläre strohfeuerartige Aktionen erreicht, sondern durch hartnäckige, gut argumentierte Überzeugungsarbeit.

3,7 Millionen Versicherte eingeschrieben

Im Zuge der Entwicklung der HZV-Verträge – by the way mit derzeit mehr als 3,7 Millionen eingeschriebenen Versicherten und rund 16.000 teilnehmenden Hausärzten – haben wir mit dem Institut für hausärztliche Fortbildung (IhF) im Deutschen Hausärzteverband eine neue Fortbildungskultur etablieren können! Die in den HZV-Verträgen vereinbarte hausarztspezifische und kontinuierliche Fortbildung ist nicht nur fachlich sehr erfolgreich und anerkannt, sie macht auch Spaß!

Wir haben die Voraussetzung für die sichere elektronische Vernetzung von Ärzten, gerade auch zu anderen Fachgebieten geschaffen. Die Weiterentwicklung in die strukturierte Zusammenarbeit mit anderen Fachdisziplinen (Diabetologen, Rheumatologen etc.) schreitet voran und wird auch von anderen Fächern gern angenommen und zum Teil bei uns eingefordert. Wir wollen dabei nicht verschweigen, dass die Umsetzung unserer Verträge über Teile der Praxissoftwareanbieter nicht immer reibungslos läuft. Wir wollen erreichen, dass die Systeme kompatibel sind, man sagt heute „interoperabel“, sich also gegenseitig verstehen. Damit würde allerdings auch der Systemwechsel vereinfacht, was sich nicht jeder Anbieter wünscht.

Dabei sollte nicht vergessen werden, dass wir mit unserer Wirtschaftsgesellschaft im Deutschen Hausärzteverband unseren Mitgliedern verschiedene Leistungen anbieten, angefangen von Rabatten bei Versicherungen und medizinischen Waren, bis zum Rechtsbeistand bei Fragen zu Regressen. Gemeinsam mit der Telekom haben wir ein hochmodernes Rechenzentrum aufgebaut, mit dem wir unsere Abrechnungen selbst übernehmen können. Alles bleibt in hausärztlichen Händen! Dies ist nur eine kleine Auswahl an Projekten, die wir in den vergangenen Jahren umgesetzt haben.

Ich will mich hier auf ein Argument einlassen, das häufiger zu hören ist: „Ist ja schön und gut mit den Verträgen, auch dass die HÄVG allein dem Bundesverband und den Landesverbänden gehört, und niemand daran etwas ändern kann (bei einem Quorum von 90 Prozent der Stimmen!), aber in der KV bekomme ich jetzt auch mehr Honorar.“ Abgesehen davon, was in den fortlaufenden EBM-„Reformen“ noch alles ausgebrütet wird: Die Honorierung im Kollektivvertrag unterliegt im Wesentlichen der „Honorarverteilung“ und wird damit eben auch nicht unabhängig von den Mehrheitsverhältnissen in den Körperschaften sein.

An dieser Stelle möchte ich nur darauf hinweisen, dass eine „Honorarverteilung“ als Grundlage ärztlicher Vergütung international unbekannt ist und ein solches Prinzip meines Wissens auch weder in einer Firma, noch in einer Behörde und schon gar nicht für die Gehälter in einer Körperschaft angewendet wird.

Wie kommt es, dass das hausärztliche Honorar unter diesen Bedingungen dennoch steigt – auch wenn bei näherer Betrachtung der Honorarsteigerung in Relation zu anderen Fächern die Komponente Arbeitszeit, besonders zur Unzeit, nach wie vor keine ausreichende Berücksichtigung findet?

Nein, es ist nicht die Läuterung des Systems, das angesichts zunehmender Bevölkerungsalterung, zunehmender Morbidität, zunehmendem Koordinierungsbedarf und abnehmender Zahl der Hausärzte zur Vernunft gekommen ist. Es ist der Konkurrenzdruck durch eine ernst zu nehmende Versorgungsalternative der Hausarztverbände! Dies wird in vielen Äußerungen, auch aus den Führungskreisen der Körperschaften, immer wieder deutlich. Auch für die Bereitschaft von Kassen, sogenannte „Add-on Verträge“ abzuschließen, ist dieser Konkurrenzdruck nicht ohne Bedeutung!

Änderung nur durch Druck

Leider, und das zeigen die oben angeführten Beispiele eindrücklich, ist das System formstabil. Die Formänderung – zusätzliches Hausarzthonorar in diesem Fall – wird durch Druck erzeugt, durch den Druck einer konkurrierenden Alternative. Das bequeme Leben als Monopolist ist vorbei! Das Monopol hat ja auch genügend Skandalträchtiges hervorgebracht, das derzeit ans Licht kommt. Das System ist alt, es mehren sich auch von Politikern Stimmen, ob es noch gehalten werden solle – oder könne. Dennoch ist die Gefahr groß, dass es bei nachlassendem Konkurrenzdruck und nachlassender klarer Position des Deutschen Hausärzteverbandes in seine alte Form zurückkehrt.

All die anderen Verbände, mit denen wir zusammenarbeiten und zum Teil ein freundschaftliches Verhältnis pflegen, würden diese Lücke nicht füllen können. Da müssen wir schon selbst am Ball bleiben, gern in Kooperation mit anderen. Auch mit den Akteuren, die bei der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) die Alternative durch Verträge mit Kassen außerhalb des KV-Systems nach unserem Muster anstreben, werden wir für innovative Lösungsansätze zusammenarbeiten.

Kommende Herausforderungen

Wir waren in den vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren wirklich erfolgreich. Der Deutsche Hausärzteverband ist ein anerkannter Player im Gesundheitswesen geworden. Unsere Vorschläge werden ernst genommen. Das war nicht immer so. Aber es wäre ein Irrglaube anzunehmen, dass wir uns auf dem Erreichten ausruhen könnten. Wir müssen unsere Ziele konsequent und beharrlich weiter verfolgen.

Klar ist, dass nicht alles in der Umsetzung sofort rund läuft. Das ist mitunter auch ärgerlich im Praxisalltag. Wir haben natürlich nicht nur Freunde in der Gesundheitswelt, nicht alle sind begeistert von Veränderung und Innovation. Wir Hausärzte haben doch bei der Versorgung unserer Patienten eher einen längeren Zeithorizont im Blick und sollten diesen auch in unserer politischen Perspektive nicht verlieren.

Als wir seinerzeit die ersten Gespräche über die Möglichkeit eigener Verträge mit Krankenkassen führten, hat niemand ernsthaft an unseren Erfolg geglaubt. Aber beharrliche Zielverfolgung, konsequent die Linie halten und sich nicht vom Kurs abbringen zu lassen, hat uns zu unseren heutigen Erfolgen geführt. Das wollen wir fortsetzen und dafür brauchen wir die Hausärztinnen und Hausärzte in unserem Verband. Ob selbstständig oder angestellt, ob Einzelpraxis oder Gemeinschaftspraxis – nur gemeinsam, in einem starken Hausärzteverband, können wir die Zukunft der hausärztlichen Praxis sichern!

Abkürzungen

  • BMÄ = Bewertungsmaßstab ärztlicher Leistungen für die RVO-Kassen

  • EGO = Ersatzkassengebührenordnung

  • ASV = ambulante Spezialfachärztliche Versorgung

  • STABS = Standardbewertungssystem der KBV

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