Für Lara Nothaft steht fest: Sie will Hausärztin werden. “Die Allgemeinmedizin begeistert mich, weil sie den Menschen als Ganzes betrachtet. Für mich sind aber auch die im Vergleich zur Klinik humanen Arbeitszeiten in einer eigenen oder Gemeinschaftspraxis ein entscheidendes Argument”, meint die 26-Jährige, die im elften Semester an der Universität Frankfurt studiert.
Bei ersten Famulaturen in der Praxis und vor allem dem Kontakt zu Hausärzten hat sie das bestätigt bekommen. Gleichwohl weiß Nothaft, dass die Allgemeinmedizin nicht immer ein so gutes Image hatte und der Ruf über Jahre hinweg entsprechend angestaubt war. “Wollen Sie nicht etwas Richtiges lernen?” Solche Fragen hätten Kommilitonen durchaus hören müssen, weiß sie – doch glücklicherweise seien diese Zeiten vorbei, erzählt die angehende Hausärztin zumindest aus dem Frankfurter Studienalltag.
Auch die Zahlen, die die Bundesärztekammer in ihrer jährlichen Ärztestatistik sammelt, weisen auf eine solche – gleichwohl vorsichtige – Trendwende hin: Die Zahl der Facharztanerkennungen in der Allgemeinmedizin bewegen sich dabei seit Jahren langsam, aber relativ stetig nach oben. Erreichte der Trend im Jahr 2010 sein Tief – nicht nur in der Allgemeinmedizin, sondern in der Zahl der Facharztanerkennungen insgesamt –, geht es seither bergauf (s. Abb. 1).
Druck auf die Politik steigt
Und doch – seit Jahren wird nur etwa jede zehnte Facharztprüfung im Bereich Allgemeinmedizin absolviert. Und das hat Folgen: War in den 1970er Jahren noch mehr als jeder zweite niedergelassene Arzt Hausarzt, waren es zuletzt 37 Prozent, und Hochrechnungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) sehen einen weiteren Rückgang auf unter 30 Prozent bis zum Jahr 2030.
In der Politik ist der Druck entsprechend gewachsen. “Weil die Hausarztmedizin mit ihrer breiten medizinischen Zuständigkeit und ihrer kontinuierlichen Patientenbetreuung ins Hintertreffen geraten ist, nimmt Über-, Unter- und Fehlversorgung zu”, betont Dr. Leonor Heinz, selbst Ärztin in allgemeinmedizinischer Weiterbildung und Sprecherin des Forums Weiterbildung im Deutschen Hausärzteverband.
Dies habe nicht zuletzt für die viel kritisierte unkoordinierte Inanspruchnahme des Gesundheitssystems geführt. Der Druck auf die Politik habe so zugenommen, dass sie sich tatsächlich in die Weiterbildung eingemischt hat, betont Heinz – nicht zuletzt durch eine Anpassung des Sozialgesetzbuchs.
Struktur für die Weiterbildung
So wurden mit dem im Juli 2015 in Kraft getretenen Versorgungsstärkungsgesetz etwa die bislang getrennt arbeitenden Institutionen der Universitäten für das Studium einerseits und die Ärztekammern für die Weiterbildung andererseits an einen Tisch geholt: In Form der Kompetenzzentren Weiterbildung Allgemeinmedizin sind sie seither feste Ansprechpartner auf dem Weg zum Hausarztsein. Seit Jahresbeginn sind die Zentren flächendeckend etabliert (Hausarzt 2).
Das Ziel: Sie sollen der Weiterbildung Struktur geben und den Austausch zwischen angehenden Hausärzten intensivieren. “Das war eine absolute Neuerung in der Weiterbildungslandschaft”, sagt Heinz. “Hier steht der Bildungsaspekt der Weiterbildung tatsächlich im Zentrum. Andere Fachgruppen schauen heute deshalb fast neidisch auf die Allgemeinmedizin – in einigen Bereichen entwickeln sich schon ähnliche Konstellationen, um eine strukturierte Weiterbildung anbieten zu können”, beobachtet sie und verweist etwa auf die sogenannte Anästhesiewerkstatt in Berlin. “Die Allgemeinmedizin ist hier mittlerweile Vorreiter geworden für eine Veränderung zu einer strukturierten Weiterbildung.”
Finanzielle Anreize als ein Weg
Gleichzeitig werden seither 7.500 allgemeinmedizinische Weiterbildungsstellen für den ambulanten und stationären Bereich gefördert, 2.500 mehr als in den Jahren zuvor.
Dass diese Anstrengungen für den medizinischen Nachwuchs Früchte tragen, zeigt sich auch bei einem Blick in einzelne Länder. In Baden-Württemberg durchlaufen aktuell etwa 1.000 Nachwuchsmediziner eine Weiterbildung zum Facharzt bei einem niedergelassenen Vertragsarzt, wie die KV Baden-Württemberg und die Techniker Krankenkasse im August mitteilten. Das seien mehr als doppelt so viele wie vor fünf Jahren.
Den Anstieg führen sie konkret auf das im Versorgungsstärkungsgesetz festgeschriebene “Förderprogramm Weiterbildung” zurück: Denn die Weiterbildung bei einem niedergelassenen Arzt wird seither mit 4.800 Euro monatlich gefördert. Dies war eines der maßgeblichen Ziele des Deutschen Hausärzteverbandes.
Darüber hinaus leistet auch die Hausarztzentrierte Versorgung (HZV) einen entscheidenden Beitrag, den Hausarztberuf für Nachwuchsmediziner attraktiv zu machen: Auch das zeigt sich vor allem in Baden-Württemberg, wo die HZV in diesem Jahr bereits ihren zehnten Geburtstag feiert.
Finanzielle Anreize zu setzen – sowohl in Form der im Gesetz festgehaltenen Weiterbildungsförderung als auch in Form regionaler Förderprogramme – ist dabei ein beliebter Weg. Unter anderem in Bayern etwa liegt der Fokus eines speziellen Förderprogramms auf dem Ländlichen: Seit dem Start in 2012 für Hausärzte und 2015 dann auch für Fachärzte sind hier 452 Mediziner bei der Gründung einer Praxis auf dem Land unterstützt worden. 364 davon sind Hausärzte, 88 Fachärzte.
Darüber hinaus werden mittlerweile 158 Studenten gefördert, die sich bereiterklärt haben, nach ihrem Studium auf dem Land zu arbeiten. Um das Programm attraktiver zu machen, war der Förderbetrag zum 1. Februar von 300 auf 600 Euro verdoppelt worden. Bisher standen für die Förderung laut Gesundheitsministerium 38 Millionen Euro zur Verfügung. Diese Summe solle in Zukunft noch ausgeweitet werden, kündigte Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) zur Zwischenbilanz an.
Dabei zeigt ein Blick in andere Länder, dass Geld allein nicht immer lockt: So bietet etwa Mecklenburg-Vorpommern ein Stipendium von monatlich 300 Euro für angehende Allgemeinmediziner, die später im Land bleiben wollen. Kurz vor Redaktionsschluss musste das Gesundheitsministerium in Schwerin die Antragsfrist verlängern – weil bislang nur zwei Anmeldungen eingegangen waren.
Aktuellen Rückenwind nutzen
Umso wichtiger ist es, neben den klassischen Anreizen in neuen Formaten zu denken. Mit einer Medizinischen Sommerakademie etwa locken Anfang September fünf vogtländische Kommunen auf Initiative der Stadt Adorf junge, angehende Ärzte in die Region. Bis zu zehn Medizinstudenten sollte dabei ein umfangreiches Programm geboten werden – mit Praxisstunden in Arztpraxen und intensivem Kontakt zu Ärzten, wie Claudia Schmidt als Projektverantwortliche von der Stadtverwaltung sagte.
Es ist ein Konzept, das auch andernorts Früchte trägt: So fördert die Stiftung Perspektive Hausarzt seit fünf Jahren die Schwarzwälder Winterschool Allgemeinmedizin der Perspektive Hausarzt Baden-Württemberg und der Uniklinik Freiburg – ein etabliertes Projekt für den Nachwuchs. Die Dozenten, alle Hausärzte aus der Praxis, kombinieren theoretisches Wissen und praktische Übungen – und machen im direkten Kontakt deutlich, dass die ärztliche Arbeit als Hausarzt sehr attraktiv ist.
Ähnliche Projekte fördern auch andere Landeshausärzteverbände. Diese Anstrengungen, darin sind sich alle Beteiligten einig, dürfen dabei nicht weniger werden: Denn langfristig gelingt die Trendwende nur, wenn der aktuelle Rückenwind richtig genutzt wird.
Ulrich Weigeldt: “Gerade in den letzten Jahren hat die Politik wichtige Schritte umgesetzt, insbesondere mit Blick auf den hausärztlichen Nachwuchs. Hier zeigt sich durchaus eine Trendwende – auch in der Wahrnehmung der Allgemeinmedizin. Das wird mir immer häufiger im Gespräch mit Studierenden und” jungen Ärzten bestätigt. Aber wir brauchen noch deutlich mehr Tempo.”