Berlin. Gegen den Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses zu der Honorarsteigerung von zwei Prozent kündigte Dr. Andreas Gassen, Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) bei der KBV-Vertreterversammlung am Freitag (23.9.) eine rechtliche Prüfung an.
Alle Praxen hätten mit den enorm gestiegenen Energiekosten zu kämpfen. „Und wie wir sehen konnten, deckt die karge Orientierungswert-Erhöhung das nicht mal im Ansatz ab“, sagte Gassen in seiner Rede vor den Delegierten. Dass Kliniken einen Ausgleich für die zusätzlichen Belastungen wegen gestiegener Energiekosten erhalten sollen, die vertragsärztlichen Praxen aber nicht, kritisierten die Delegierten scharf.
Bereits beim Deutschen Hausärztetag am 15./16.9. in Berlin hatten die Hausärztinnen und Hausärzte die steigenden Energiekosten und die vergleichsweise sehr niedrige Honorarsteigerung für 2023 kritisiert und dazu Beschlüsse gefasst.
Gleich mehrere Anträge, die größtenteils auch von Hausärztinnen und Hausärzten ausgingen, drehten sich auch bei der KBV VV um die magere Erhöhung des Orientierungswertes und die gestiegenen Preise.
Wird die Vertragsärzteschaft benachteiligt?
Angenommen wurde beispielsweise ein Antrag um Dr. Carsten König, Allgemeinarzt und stellvertretender Vorsitzender der KV Nordrhein sowie Dr. Jens Uwe Wasserberg, Allgemeinarzt, ebenfalls aus Nordrhein. Mehrheitlich wurde der KBV Vorstand damit beauftragt, unter anderem die gesetzlichen Vorgaben zum Ausgleich der Kosten(entwicklungen) in den verschiedenen GKV-Leistungsbereichen und deren Auswirkungen hinsichtlich bestehender Unterschiede und Wettbewerbsverzerrungen überprüfen, heißt es im Antrag.
Daraus soll eine Strategie entwickelt werden, damit Benachteiligungen der vertragsärztlichen und -psychotherapeutischen Versorgung benannt und beseitigt werden können.
Während bei den Niedergelassenen der Rotstift angesetzt würde, empörten sich die Ärztinnen und Ärzte, während zum Beispiel Krankenhäuser auf die vollständige Erstattung von Mehrkosten bauen dürften, lege das Beil an die patientennahe ambulante Versorgung.
Sicherstellungsauftrag auf dem Prüfstand
Hat die Selbstverwaltung noch eine Zukunft? Um diese Frage drehte sich ein weiterer Antrag. Bei einer Klausurtagung soll der KBV Vorstand darüber diskutieren und erörtern, ob der Sicherstellungsauftrag unter den derzeitigen Bedingungen noch weitergeführt werden kann. Damit steht auch die Wiedereinführung des Streikrechts auf dem Plan.
Die stark gestiegene Inflation sei nicht tragbar und das SGB V nicht geeignet, die tatsächliche Kostenentwicklung in den Praxen abzubilden, begründeten die Antragsteller ihren Auftrag an den Vorstand.
Beschluss zur Honoraranpassung rechtlich überprüfen
Außerdem erteilte die KBV-VV dem KBV Vorstand den weiteren Auftrag, den aktuellen Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses zur Anpassung des Orientierungswertes juristisch prüfen zu lassen. Geschaut werden soll, ob hier alles mit rechten Dingen zugegangen ist und ob die vom SGB vorgegebenen Qualitätskriterien eingehalten worden sind.
Auch sei zu prüfen, ob die wechselnden Kalkulationsgrundlagen rechtmäßig seien. Und ist es korrekt, dass die „explodierende Inflation“ im Beschluss nicht berücksichtigt wurde? Sollten sich hier Unstimmigkeiten ergeben, soll der KBV Vorstand Klage gegen den Beschluss einreichen.
Vorschlag: Zuschläge, um Energiekosten abzudecken
In der anschließenden Pressekonferenz schlugen Gassen und der stellvertretende KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Stefan Hofmeister leistungsbezogene, eventuell zeitlich begrenzte Zuschläge vor, die die gestiegenen Energiekosten abdecken könnten. Aber wichtiger als das “wie?” sei zunächst, dass überhaupt Bereitschaft signalisiert werde, den Praxen beim Stemmen der Kosten zu helfen.
Besonderes Ärgernis vor allen Dingen für die fachärztlichen Vertreter ist, dass die Neupatientenregelung abgeschafft werden soll. Dafür erntete Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach am Freitag heftige Schelte. Schließlich sei er der Fürsprecher dieser Regel gewesen.