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kurz + knappLeserbriefe

Abstinenz nicht oberstes Ziel

Betreff: „Sucht: Abhängigkeit erkennen“, HA 18, 5.11.16, S. 56

Aus fast 25-jähriger suchtmedizinischer Erfahrung muss ich dem – sonst ausgezeichneten – Artikel doch in einem Punkt lautstark widersprechen: Die Reihenfolge der Therapieziele steht Kopf!

Abstinenz als „zuvorderst anzustrebendes Ziel“ ist fatal. Das unsinnige Abstinenzparadigma sorgt doch schon dafür, dass vom Onset des Alkoholismus bis zur Abstinenzentscheidung als „Eintrittskarte“ in das Hilfesystem durchschnittlich 14 Jahre vergehen – unnötige Leidensjahre für die Kranken und ihr Umfeld. Die Mehrzahl der Patienten schließt ja für sich die lebenslange Abstinenz als primäres Ziel aus und verzichtet deshalb auf den Weg zum Arzt oder zur Beratungsstelle. „Nie mehr einen Tropfen? So schlecht geht es mir doch noch nicht.“

Wie bei der Opioidabhängigkeit sollte vordringlichstes Ziel die Sicherung des Überlebens bzw. des möglichst gesunden Überlebens sein. Danach sollte ein Versuch der Trinkmengenreduktion mit anerkannten Verfahren folgen, zum Beispiel das „kontrollierte Trinken“ nach Körkel oder sonstige verhaltenstherapeutischen Selbstkontrolltrainings, ggf. mit medikamentöser Unterstützung, etwa Nalmefen oder off-label Baclofen.

Die Entscheidung zur Abstinenz kann nur erfolgreich sein, wenn sie der Patient trifft – und nicht der Behandler durch einseitige Vorgabe. Abstinenz als erstes Behandlungsziel schließt alle Patienten aus, die das nicht sofort für sich akzeptieren mögen – das erinnert eher an Henry Ford: „Sie können mein Auto in jeder Farbe bekommen, Hauptsache, es ist schwarz.“ Selbst beim Antritt einer Entwöhnungsmaßnahme kreuzt bei einer anonymen Befragung jeder dritte das Behandlungsziel „dauerhafte Abstinenz“ nicht an!

Der Spontanverlauf des Alkoholismus ist ja günstiger, als viele glauben – immerhin zwischen 56 Prozent (Deutschland) und 80 Prozent (USA, Kanada) der diagnostizierten Trinker gelingt die Selbstremission im Krankheitsverlauf. Und nur ein Drittel der „Remittierer“ ist dauerabstinent – der Rest kehrt zu gleichen Teilen zu einem medizinisch unbedenklichen Konsum oder symptomfreien Risikokonsum zurück.

Diese Verläufe durch zieloffene Interventionen früher zu induzieren und zu unterstützen ist die eigentliche Aufgabe der ambulanten Suchtmedizin. Das Beharren auf Abstinenz als primäres Ziel führt nur zu einer Aneinanderreihung von Erlebnissen des Scheiterns und verschlechtert die Prognose.

Ulrich E. Hammerla, Oberhausen

Schwer erträglich

Betreff: „Von der Dreigroschenoper zu ACDC“, HA 19, 20.11.16, S. 30

Den Beitrag fand ich schwer erträglich. Was für ein intellektuelles Schwergewicht. Der ist sicher noch zu Höherem berufen. Hut ab.

Peter Pallon

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