Berlin. Die rund 56 Millionen Mitglieder der gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland werden zum Jahreswechsel deutlich entlastet. Der Bundestag beschloss am Donnerstag (19. Oktober) eines der zentralen Vorhaben der großen Koalition, wonach die Arbeitgeber wieder die Hälfte des gesamten Beitrags zahlen müssen. Ab 1. Januar 2019 finanzieren sie auch die bisher von den Mitgliedern allein zu zahlenden Zusatzbeiträge zu gleichen Teilen mit. Arbeitnehmer und Rentner sparen so 6,9 Milliarden Euro jährlich. Sie sollen auch auf Dauer geschützt werden, steigende Gesundheitskosten allein zu tragen.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte, Arbeitnehmer profitierten jeden Monat konkret auf ihrer Lohnabrechnung. SPD-Fraktionsvize Prof. Karl Lauterbach sprach von einem Beschluss von „historischer Bedeutung“, mit dem eine schleichende Privatisierung des Gesundheitssystems abgewendet werde. Für das Gesetz stimmten die Koalition und die Grünen, dagegen votierte die FDP. AfD und Linke enthielten sich. Im Bundesrat sind die Pläne nicht zustimmungspflichtig.
Kassen sollen Rücklagen abschmelzen
Gesetzliche Kassen mit besonders großem Finanzpolster müssen Reserven zudem ab 2020 binnen drei Jahren abbauen. Bedingung ist aber, dass bis dahin eine Reform des komplizierten Finanzausgleichs unter den Kassen geschafft ist. Kassen, bei denen die Rücklagen mehr als eine Monatsausgabe ausmachen, dürfen den Zusatzbeitrag nicht mehr anheben. Das Gesetz sieht unter anderem auch vor, dass frühere Zeitsoldaten leichter in gesetzliche Krankenkassen kommen können.
Insgesamt geht es um Entlastungen von bis zu acht Milliarden Euro – neben der hälftigen Beitragsfinanzierung auch durch die Entlastungen für Selbstständige und mögliche Senkungen durch Abbau von Reserven.
Entlastung beim Zusatzbeitrag in Sicht?
Und auch beim Zusatzbeitrag – neben dem allgemeinen Beitrag von aktuell 14,6 Prozent des Bruttolohns der zweite Teil des Beitrags – könnte eine Entlastung für Versicherte kommen. Der durchschnittliche Zusatzbeitrag liegt aktuell bei 1,0 Prozentpunkten des Bruttolohns. Unabhängig von dem Gesetz hat Spahn hier signalisiert, dass es 2019 Spielraum für eine Senkung um 0,1 Punkte auf 0,9 Prozent gibt. Hintergrund ist die Meinung des zuständigen Schätzerkreises aus Experten des Bundesgesundheitsministeriums, des Bundesversicherungsamtes und des GKV-Spitzenverbands.
Über den tatsächlichen Zusatzbeitrag entscheiden die Kassen dann aber jeweils selbst. Je nach Finanzlage dürfen sie vom Durchschnittsbeitrag abweichen.
Kosten für Pflegeversicherung steigen
Höhere Beiträge kommen auf die Bürger hingegen in Sachen Pflegeversicherung zu. Zum 1. Januar 2019 soll der Satz um 0,5 Punkte auf 3,05 Prozent des Bruttoeinkommens steigen, wie das Bundeskabinett Mitte Oktober beschloss. Beitragszahler ohne Kinder müssen künftig 3,3 Prozent zahlen. Der Pflegebeitrag erhöht sich somit bei einem monatlichen Bruttolohn von 2.000 Euro im kommenden Jahr um 10 Euro, wobei Arbeitnehmer und -geber jeweils die Hälfte zahlen. Erwartet werden insgesamt jährliche Mehreinnahmen von 7,6 Milliarden Euro.
Die Anhebung soll die Finanzen der Pflegekassen stabilisieren, denen angesichts von immer mehr Pflegebedürftigen ein Milliardendefizit droht. Mit der Einführung neuer Pflegegrade statt der bisherigen Pflegestufen im vergangenen Jahr hatten mehr Demenzkranke Pflegeleistungen bekommen. Außerdem plant die Koalition Maßnahmen gegen die Personalnot in der Pflege.
Mit Material von dpa