Alle sechs Jahre werden die Karten in den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) neu gemischt. In diesem Jahr ist es wieder so weit: Ärzte und Psychotherapeuten bestimmen früher oder später im Jahr, wer ihre Interessen in der Vertreterversammlung (VV) ihrer Landes-KV vertreten soll.
Ob Sicherstellung, Honorar, Abrechnung, Weiterbildung, Förderung – die Themen, über die die VV entscheidet, sind vielfältig und Weichen stellend, wie die Zitate hausärztlicher Vertreterinnen und Vertreter deutlich machen (siehe unten). Wichtig ist deshalb, dass die Hausärztinnen und Hausärzte in der VV gut vertreten sind. Aber nicht nur darum sollten alle von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen.
Noch haben nicht alle KVen ihre Wahltermine veröffentlicht. Den Start der Wahl, die meist von den juristischen Abteilungen der KVen begleitet werden, bildet die Auslegung der Wählerverzeichnisse. In Thüringen wurden diese beispielsweise laut Fahrplan der KVT vom 28. Februar bis 13. März ausgelegt. In den Verzeichnissen sind alle wahlberechtigten Mitglieder einer KV aufgelistet. Anhand der dort hinterlegten Adressen werden später die Wahlunterlagen geschickt.
Verbände reichen Listen ein
Sofern die Wählerverzeichnisse nicht beanstandet worden sind, können die KV Mitglieder Wahlvorschläge beim Wahlausschuss einreichen. Entweder es werden einzelne Vorschläge eingereicht oder aber in der Regel Listen, die von den diversen Verbänden (Hausärzte, Fachärzte, Psychotherapeuten) erstellt werden.
Die Wahlvorschläge können von den Mitgliedern, unabhängig von ihrer Fachgruppe, unterstützt werden. Die Einreichung der Wahlvorschläge läuft in Baden-Württemberg zum Beispiel in der Zeit vom 11. bis 25 Mai.
Vier bis fünf Monate für die Wahl
Sobald die Wahlvorschläge auf ihre Richtigkeit geprüft wurden, produzieren die KVen die Stimmzettel mit den verschiedenen Listen und Kandidaten. Dann erfolgt die Versendung der Wahlunterlagen. Auch hier werden verschiedene Umschläge zur Verfügung gestellt, um die Anonymität bei der Briefwahl zu gewährleisten.
Innerhalb eines vorher definierten Zeitraums haben die Mitglieder nun die Möglichkeit, ihre Stimme ihren Kandidaten zu geben. Wie bei einer Bundes- oder Landtagswahl auch, werden die Umschläge in den KVen gesammelt und am Wahltag nach strengen Kriterien gezählt, geöffnet, die Umschläge sortiert, noch einmal gezählt und am Ende die Stimmen ausgezählt. Wenn alles glatt läuft, dauert das Wahlprozedere etwa vier bis fünf Monate. Nach der Veröffentlichung des Wahlergebnisses können die neuen Vertreter ihre Arbeit in der KV aufnehmen.
Die Themen sind vielfältig
Die Vertreter in der VV diskutieren grundsätzliche Fragen und stimmen sich etwa dazu ab, wie sie sich zu aktuellen Themen positionieren. Anträge beispielsweise zu Honorarverteilungsmaßstab (HVM), Bereitschaftsdienstordnung, Sicherstellung etc. werden eingebracht und darüber abgestimmt.
Die Vertreter der Fachgruppen bringen unter anderem ihre Sichtweise, Bedenken und Erfahrungen ein und zeigen auf, mit welchen spezifischen Problemen und Herausforderungen die Haus-, Fachärzte und Psychotherapeuten konfrontiert sind.
Schon an obigem wird deutlich, wie wichtig es ist, dass die Hausärztinnen und Hausärzte wählen gehen und ihre Vertreter mit vielen Stimmen stärken, damit diese ihre Interessen in der VV gut vertreten können.
Die Themen sind vielfältig und von hoher Bedeutung: Ob Sicherstellung, Honorar, Abrechnung, Qualitätssicherung, Weiterbildung, Niederlassung, Förderung, Digitalisierung – die ärztliche Expertise ist unabdingbar, sowohl in den KVen selbst als auch in der Landespolitik. Damit vertritt die Hausärzteschaft in der VV auch ihre Interessen gegenüber den Krankenkassen und dem Gesundheitsministerium im Land.
Dr. Petra Reis-Berkowicz, Hausärztin in Gefrees/Oberfranken, Vorsitzende der VV der KBV und KVB, Vorstandsmitglied im Hausärzteverband Bayern
„,Demokratie kommt nicht wie der Strom aus der Steckdose‘, hat Martin Schulz, ehemaliger Präsident des Europäischen Parlaments gesagt. Und es stimmt: Wir müssen für unsere Freiheit, unsere Würde und unsere Art zu leben und zu arbeiten jeden Tag selbst einstehen. Das gilt für die große Weltpolitik, aber auch für unsere Berufspolitik. Das kleinste Engagement, das man deshalb von jeder Ärztin und jedem Arzt erwarten kann, ist die Stimmabgabe bei den KV-Wahlen in diesem Herbst. Bitte nutzen Sie Ihr Wahlrecht. Jede Stimme zählt.“
Michael Niessen, Hausarzt in Ochtrup im Münsterland und zweiter Vorsitzender des Hausärzteverbandes Westfalen-Lippe
„Es ist enorm wichtig, dass jeder Hausarzt an der Wahl zur Vertreterversammlung teilnimmt und mit seiner Stimme die Hausarztfraktion stärkt. Die Vertreterversammlung ist das höchste Organ der Kassenärzte und dort sollten so viele Hausärztinnen und Hausärzte wie möglich vertreten sein, um möglichst viele unserer Ziele zu erreichen. Die Vertreterversammlung und die Ausschüsse der KV bieten uns die Möglichkeit, Berufspolitik aktiv mitzugestalten. Die hausärztlichen Mitglieder sind bestrebt, hier, wie bisher auch, die hausärztlichen Belange und Ziele weiter zu entwickeln und durchzusetzen. Ziel ist es, diesen wunderschönen Beruf zu erhalten und zu fördern. Mit einer starken Hausarztfraktion in der VV hat unsere Stimme mehr Gewicht!“
Torben Ostendorf, Hausarzt in Leipzig, erster Vorsitzender des Hausärzteverbandes Sachsen
„Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass Hausärztinnen und Hausärzte mit ihrer Arbeit einen entscheidenden Beitrag in der Gesundheitsversorgung leisten. Diese Leistung muss in Zukunft in ihrer Einzigartigkeit besser anerkannt werden. Die hausärztliche Versorgung ist das Zukunftsthema! Deshalb brauchen wir engagierte Hausärztinnen und Hausärzte in der Vertreterversammlung.“
Dr. Doris Reinhardt, Hausärztin in Friesenheim, Kandidatin des Hausärzteverbands Baden-Württemberg für den Vorstand der KVBW
„Die ärztliche Selbstverwaltung lebt vom Mitmachen. In der Körperschaft KV können und müssen Hausärztinnen und Hausärzte bei der hausärztlichen Versorgung mitreden und nachhaltige Versorgungsstrukturen gestalten können, in der Vertreterversammlung, im Beirat und den vielfältigen Ausschüssen. Die Herausforderungen sind vielfältig, der Bedarf an hausärztlicher Versorgung in Teampraxen ist immens. Apropos Vielfalt – allein oder in Kooperation, angestellt oder in eigener Praxis: Selbstverwaltung braucht politische Rückendeckung und verlässliche Rahmenbedingungen für zukunftsfähige Arbeitsstrukturen und eine gelingende wohnortnahe Patientenversorgung. Wie geht Mitmachen? Kandidieren, engagieren und natürlich ganz wichtig: Wählen Sie!“
Dr. Barbara Römer, Hausärztin in Saulheim und erste Vorsitzende des Hausärzteverbandes Rheinland-Pfalz
„In den KVen wird über die Zukunft der ambulanten Versorgung entschieden, nicht nur in Bezug auf das Honorar, sondern auch strukturell. Wem eine Zukunftssicherung der hausärztlichen Versorgung am Herzen liegt, sollte unbedingt sein Wahlrecht nutzen pro Hausärztinnen und Hausärzte! Ohne eine flächendeckende und starke hausärztliche Primärversorgung mit Steuerung und nachhaltiger Begleitung von Patientinnen und Patienten in diesem immer komplexeren System wird sich die Gesundheit der Bevölkerung verschlechtern und die Gesundheitskosten für uns alle aus dem Ruder laufen.“
Dr. Matthias Berndt, Hausarzt in Hannover und erster Vorsitzender Hausärzteverband Niedersachsen
„Wer keine Wahl trifft, dessen Stimme wird auch nicht „gehört“ und über dessen Kopf wird hinweg entschieden. Die Gremien in den KVen bestimmen nach wie vor über die Verteilung eines Großteils der Gelder im ambulanten Gesundheitswesen. Und in den Zulassungsausschüssen, die ebenfalls bei der KV angesiedelt sind, entscheiden die gewählten Vertreterinnen und Vertreter über die Ausrichtung der ambulanten Versorgungsstrukturen und Nachbesetzung von Praxissitzen – und damit direkt über die Rahmenbedingungen unserer täglichen Arbeit als Hausärztinnen und Hausärzte. Daher bleibt es unentbehrlich, dass die Hausärzteschaft mit starker berufspolitischer Stimme spricht. Ein Thema, das wir in den kommenden Jahren gemeinsam angehen müssen, sind beispielsweise Konzerne oder Aktiengesellschaften, die Arztsitze aufkaufen und damit uns selbstständig Niedergelassene zunehmend aus dem Gesundheitswesen drängen.“