Die Verordnung von Heilmitteln ist bei vielen Hausärztinnen und Hausärzten mit der Angst verbunden, einen Regress oder zumindest eine Kontrollmaßnahme des Prüfungsausschusses zu erleiden. Das habe ich in Fortbildungsseminaren der vergangenen zwei Jahre, zuletzt im Oktober bei der Practica des Instituts für hausärztliche Fortbildung (IhF) in Bad Orb, festgestellt. Eine Kontrolle ist besonders dann mit viel Zeitaufwand und Ärger verknüpft, wenn man die Heilmittelrichtlinien nicht in vollem Umfang beachtet hat. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) beschließt sie nach dem SGB V und verkündet sie. Als untergesetzlicher Normgeber hat er das Recht und die Pflicht, die unbestimmten Rechtsbegriffe der Paragrafen 12 und 70 SGB V zu konkretisieren und verbindlich zu interpretieren.
Nur aus den Heilmittelrichtlinien ergibt sich verbindlich für den Vertragsarzt, die Patienten, die Krankenkassen nd die Kassenärztlichen Vereinigungen, was unter einer notwendigen, zweckmäßigen, ausreichenden und wirtschaftlichen Heilmittelverordnung nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu verstehen ist. In diesem Sinne ist der Text der Heilmittelrichtlinien bindend für alle an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligten Personen und Institutionen. Darüber stehen nur das Gesetz und eine Entscheidung gegen den Richtlinien-Text durch das Bundessozialgericht oder Verfassungsgericht.
Problematisch sind die Heilmittelrichtlinien wegen ihrer Komplexität in der Sprache der Juristen. Ich werde daher in einer Serie von kurzen Artikeln für die Leser von „Der Hausarzt“ einige kritische Normen und Fallgruben der Heilmittelrichtlinien kommentieren, um den verordnenden Hausärztinnen und Hausärzten Regressrisiken zu ersparen. Ein Blick in die Richtlinien dient der Wahrheitsfindung. Dies ist schon deshalb nicht einfach und kostet Zeit, weil sie einen Umfang von 26 Seiten zuzüglich gut 70 Seiten in der Anlage haben. Dessen ungeachtet sollte man aber wenigstens die für die Verordnung relevanten Kapitel zur Kenntnis nehmen und außerdem die Prüfvereinbarung lesen, die die Kassenärztlichen Vereinigungen mit den Landesverbänden der Krankenkassen abschließen. Denn sie bilden die Grundlage für die Wirtschaftlichkeitskontrolle durch die Prüfstellen des Landes.
Keinesfalls kann man sich durch Stempel auf der Verordnung vor Regressrisiken schützen, zum Beispiel mit dem Text: „Verordnung gilt nicht bei Budgetüberschreitung!“, „Gilt nur bei Regressverzicht der Krankenkasse!“ Solche und ähnliche Zauberwerkzeuge ändern nichts an der Pflicht der Vertragsärzte, die Heilmittelrichtlinien zu beachten und die Behandlung von Patienten mit den für die Krankheiten notwendigen Verordnungen abzuschließen.
Wer Regressrisiken vermeiden will, kann aber mit den Patienten private Behandlungen mit der Folge von Privatrezepten oder auch Behandlung auf Versichertenkarte mit Zustimmung der Patienten zu Privatrezepten vereinbaren. Dies werden allerdings eher minderbemittelte chronisch kranke Patienten mit Behinderungen nur selten akzeptieren.
Es wird Hausärztinnen und Hausärzten daher wohl kaum erspart bleiben, sich die Heilmittelrichtlinien zu Gemüte zu führen, wenn sie Regressrisiken vermeiden wollen.
Quelle: Heilmittel-Richtlinien ©2004 Kassenärztliche Bundesvereinigung, Köln
Details der Heilmittel-Richtlinien erläutert die Regress-Serie in den nächsten Ausgaben von „Der Hausarzt“