"Zahl der Ärztinnen steigt" titelte kürzlich "Der Hausarzt" zum Resumée von Melanie Huml (CSU), Bayerns Gesundheitsministerin, zum 8. März, dem Internationalen Frauentag. Sie fordert für Ärztinnen eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie: "Insbesondere für die medizinische Versorgung auf dem Land müssen Formen gefunden werden, die Ärztinnen mit Kindern ein Leben und Arbeiten dort erleichtern. Wir brauchen mehr innovative Konzepte mit flexiblen Arbeitszeiten. Sinnvoll sind Gemeinschaftspraxen und Teilzeitmodelle." [1].
In 2012 gründeten Hausärztinnen bereits die Hälfte aller Praxen (51,2 Prozent) [2]. Und auch der medizinische Nachwuchs wird weiblicher. Über 60 Prozent der Medizinstudierenden sind Frauen, im Netzwerk der Jungen Allgemeinmedizin (JADE) sind es sogar über 66 Prozent. Wer an die Zukunft denkt, darf also mit Frauen rechnen. Allerdings haben Hausärztinnen häufig andere Prioritäten als Hausärzte.
Roos et al fanden bei einer Befragung von 436 ÄrztInnen in Weiterbildung Allgemeinmedizin, dass für Frauen die gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie der wichtigste Grund für die Weiterbildung in der Allgemeinmedizin war [3]. Ärzte hingegen legten eher Wert auf Autonomie, Unabhängigkeit, ein gutes Gehalt oder die Möglichkeit eine Praxis übernehmen zu können [3].
Aber wie sieht es nach der Facharztprüfung aus? Ist Hausärztinnen mit Familie nur die Angestelltentätigkeit, etwa im MVZ, zu empfehlen? Oder lohnt sich auch für sie der Schritt in die eigene Praxis?
Regeln erleichtern Selbstständigkeit
Einige unserer JADE-Mütter trauen sich besonders mit kleinen Kindern vorerst keine eigene Praxis zu. Zu groß empfinden sie in den ersten Jahren die Herausforderungen im familiären Alltag. Es gilt, schlaflose Nächte zu bewältigen und Kleinkinder zu versorgen, die auch mal krank werden. Vielleicht ist nach der Prüfung auch ein weiteres Kind geplant?
Nach der Facharztprüfung muss es für Hausärztinnen daher ausreichend Angebote zur Anstellung geben. Dies bietet Müttern viele Vorteile wie etwa geregelten Mutterschutz und Elternzeit. Dagegen rät Monika Buchalik, Hausärztin und Vizepräsidentin der Landesärztekammer Hessen, zum Schritt in die Selbstständigkeit (mehr im Interview S. 30). Sie hat als alleinerziehende Mutter die Selbstständigkeit gewagt und sagt heute: "Es war die beste Entscheidung meines Lebens!" Dank der Hausärztlichen Vertragsgemeinschaft mit ihren Hausarztzentrierten Versorgungsverträgen verdiene sie bestens und sei unabhängig und frei in den Entscheidungen ihrer ländlichen Einzelpraxis. Ein paar Regeln erleichtern aus ihrer Sicht die Niederlassung für Ärztinnen mit Familie.
Von vorneherein sollten sich Ärztinnen ein striktes Zeitmanagement angewöhnen. Das gelte sowohl für die Betreuung der Patienten, als auch für die Praxisöffnungszeiten, die ihrer Meinung nach unbedingt einzuhalten sind. Nicht nur die Ärztin, auch die Medizinischen Fachangestellten (MFA), hätten ein Recht auf einen geregelten Feierabend. Am Niederlassungsort sollte ein Ärztlicher Bereitschaftsdienst bestehen, damit ungestörte Nachtruhe und freie Wochenenden möglich seien. Ein kollegialer Vertretungsdienst ist aus Monika Buchaliks Sicht nicht zu empfehlen, da frau dann selber auch mal dienstmäßig dran sei. Sie rät, sich schon vor der Niederlassung von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) beraten zu lassen.
Für und Wider der Einzelpraxis
Iris Keiner (JADE) ist junge Fachärztin für Allgemeinmedizin und Mutter einer Patchworkfamilie. Fünf Jungs zwischen 21 Monaten und 13 Jahren gehören ebenso zu ihrem Alltag wie ein voll berufstätiger Partner. Seit 1. April 2016 ist sie selbstständig in ihrer eigenen Praxis tätig. Sie möchte sich ihren Urlaub und die Sprechzeiten frei einteilen – und keine unbezahlten Überstunden mehr leisten. Nun hat sie die Wochenenden und zwei Nachmittage in der Woche frei. Ansonsten unterstützt die Schwiegermutter die Familie. Iris Keiner hat sich bewusst für eine Einzelpraxis entschieden, sie wollte ihre Arbeitszeiten, aber auch die Urlaube selbst bestimmen.
Eine andere JADE-Fachärztin sieht das eher kritisch. Man könne zwar die Arbeitszeiten weitgehend selbst bestimmen, Angebote wie Abendsprechstunde, vor allem aber die administrativen Tätigkeiten würden zusätzlich Zeit kosten. Eine Einzelpraxis kann sie sich nur als Hauptverdienerin oder mit viel familiärer Unterstützung vor Ort vorstellen.
Christoph Hartmann (JADE) ist Facharzt in einer Gemeinschaftspraxis. Für ihn steigt die Familienfreundlichkeit seiner Tätigkeit mit der Zahl der in der Praxis tätigen Ärzte. Er ist mehr als zufrieden mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Neben dem Mittagessen mit der ganzen Familie zwischen den Sprechstunden, schätzt er besonders die wenigen Dienste in der Niederlassung.
In einer JADE-Umfrage aus 2015 zur Niederlassung auf dem Land war ein familienfreundliches Umfeld unter den Top 3 der Gründe für eine Entscheidung zur Niederlassung. Bei denen, die sich eine Niederlassung auf dem Land vorstellen konnten, war die Familienfreundlichkeit bei 20 von 100 Befragten das wichtigste Entscheidungsmerkmal. Bei 40 Befragten gehört es zu den wichtigsten drei Prioritäten für die Wahl des Niederlassungsorts. Wenn ländliche Gemeinden also heute attraktiv für junge HausärztInnen sein wollen, sollten sie in ein familienfreundliches Umfeld mit Kinderbetreuungsplätzen und Freizeitangeboten für die ganze Familie investieren.
Haben sich ÄrztInnen einmal für die Niederlassung entschieden, fragen sich viele: "Ich will mich niederlassen – und jetzt?" Inzwischen gibt es einige Infoangebote (s. S. 29). Wünschenswert wären aber Angebote, die sich gezielt an Allgemeinmediziner mit Familie richten.
Praxis und Kind – doch kein No-go?
Ich denke, Ärztinnen sollten durchaus mutig genug sein, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Familien mit zwei berufstätigen Eltern sind bereits Kleinunternehmen, die erfolgreich gemanagt werden. Viele Ärztinnen engagieren sich zudem in Eltern-Kind-Initiativen, bei Weiterbildungsstammtischen und vielen mehr – warum nicht auch Energie in die eigene Praxis stecken? Vielleicht ist nicht jede die optimale Praxisinhaberin. Aber Ärztinnen mit Familie sind in jedem Fall großartige Organisatorinnen, Netzwerkerinnen und echte Arbeitstiere. In der eigenen Praxis, in Gemeinschaftspraxen oder Praxisgemeinschaften können einzelne, aber auch mehrere Ärztinnen in unterschiedlichen oder ähnlichen Lebenssituationen, selber Bedingungen schaffen, die eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie zulassen.
Die JADE engagiert sich dafür, die Arbeitsbedingungen für ÄrztInnen in Weiterbildung Allgemeinmedizin stetig zu verbessern. Wir leisten außerdem Netzwerkarbeit, um die Niederlassungsbereitschaft junger Ärztinnen zu fördern, und haben daher eine AG "Junge Fachärzte" gegründet. Neue Mitglieder sind herzlich willkommen!
Hilfen zur Niederlassung
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Seminarreihe AG Werkzeugkasten Niederlassung des Instituts für hausärztliche Fortbildung (IHF): Hier bieten junge Allgemeinmediziner-Innen in Seminaren Tipps für die eigene Praxis. Einige Referenten haben selbst Familie und Praxis unter einen Hut gebracht – und sind somit kompetente Ansprechpartner.
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KBV-Broschüre "Beruf und Familie verbinden:Wie sieht das in der Praxis aus?" stellt unterschiedliche Praxis-/Lebensmodelle vor – ein guter Einstieg, richtet sich aber nicht gezielt an Allgemeinmediziner (hausarzt.link/1pE9c).
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Vertiefende Infos bietet die KBV-Website praxis-und-familie.kbv.de etwa zu Entlastungsassistenten, Teilzulassung oder Elternzeit in der eigenen Praxis.
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Persönliche Beratungen und Workshops bieten die regionalen KVen und auch viele der Landeshausärzteverbände an.
JADE
Die Junge Allgemeinmedizin Deutschland (JADE) ist ein Netzwerk von über 1.350 Ärzten in Weiterbildung und Fachärzten für Allgemeinmedizin (bis fünf Jahre nach Facharztprüfung). In fast allen Bundesländern gibt es Regionalgruppen. Mehr: jungeallgemeinmedizin.de
Lesen Sie dazu auch: "Als eigener Chef ist man zufriedener"
Literatur
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- Der Hausarzt 06/2016 S.10
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- Johanna Dielmann-von Berg (2015) Trend: Gerade junge Ärzte gründen auf dem Land. Der Hausarzt (2015) 12 S. 69
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- Roos M, Blauth E, Steinhäuser J, Ledig T, Joos S, Peters-Klimm F (2011) Gebietsweiterbildung Allgemeinmedizin in Deutschland: Eine bundesweite Umfrage unter Ärztinnen und Ärzten in Weiterbildung. Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität. doi:10.1016/j.zefq.2010.11.007
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- Onlinezugriff: http://www.kbv.de/media/sp/Brosch_Praxis__und_Familie.pdf