Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir erleben seit vielen Jahren in Deutschland ein Phänomen, das auch in anderen europäischen Ländern leider eher die Regel als die Ausnahme ist: die sogenannte Landflucht. Immer mehr Menschen strömen in die Städte, gerade wirtschaftlich schwache Landstriche bleiben auf der Strecke. Diese Entwicklung macht auch vor den Hausärztinnen und Hausärzten nicht Halt.
Nach wie vor sind nur wenige junge Kolleginnen und Kollegen gewillt, sich in kleineren Ortschaften fernab der Großstädte niederzulassen und das, obwohl es inzwischen eine Vielzahl an Förderprogrammen gibt.
Die Wahrheit ist schlichtweg: So lange die Infrastruktur in vielen ländlichen Gebieten immer weiter abgebaut wird, wird es auch in Zukunft nur vereinzelt gelingen, junge Kolleginnen und Kollegen für die Arbeit auf dem Land zu begeistern. Das ist umso bedauerlicher, als dass gerade die Tätigkeit als Landärztin oder Landarzt extrem erfüllend sein kann.
Gerade dort sind die Hausärztinnen und Hausärzte mit einer unglaublichen Bandbreite an medizinischen Problemen konfrontiert. Das erfordert eine ungemeine ärztliche Expertise und gehört sicherlich zu den komplexesten und spannendsten Aufgaben im Gesundheitswesen. Und dass das Leben auf dem Land auch darüber hinaus jede Menge Vorteile hat, brauche ich Ihnen nicht zu erklären.
Nichtdestotrotz muss man ehrlich sein und sagen, dass es nachvollziehbar ist, wenn junge Kolleginnen und Kollegen vor diesem Schritt zurückschrecken. Wo es keinen Bäcker, keine Anbindung an den Nahverkehr und keine Grundschule mehr gibt, wird auch eine junge Familie kaum hinziehen.
Die Probleme bei der Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung werden auch, aber eben nicht nur im Gesundheitswesen gelöst werden können. Es sollte nicht so getan werden, als ob es mit ein paar Fördertöpfen getan ist. Das ist eine notwendige, aber mit Sicherheit keine hinreichende Voraussetzung, um die Niederlassung als Hausärztin oder Hausarzt in ländlichen und insbesondere strukturschwachen Regionen attraktiver zu machen.
Was benötigt wird, ist eine massive Aufwertung der ländlichen Regionen. Dafür braucht es zuallererst Investitionen in die Infrastruktur! Wenn dies gelingt, dann wird es eine Art Kettenreaktion auslösen, die auch der hausärztlichen Versorgung zu Gute kommen wird.
Unsere Stiftung Perspektive Hausarzt und viele Landesverbände bringen sich hier bereits aktiv ein (S. 20). Und auch viele Gemeinden sind mit kreativen Konzepten unterwegs und versuchen den Hausärztinnen und Hausärzten interessante Gesamtpakete anzubieten. So viel Engagement wie auf regionaler Ebene würde man sich auch von der Bundespolitik wünschen! Statt sich nämlich nur zu beklagen, dass junge Kolleginnen und Kollegen sich so selten in bestimmten ländlichen Gegenden niederlassen, wäre es an der Zeit, die offensichtlichen Ursachen dafür zu bekämpfen.
Mit kollegialen Grüßen
Ulrich Weigeldt
Bundesvorsitzender Deutscher Hausärzteverband e.V.