Die Hausärzte stemmen sich gegen politische Eingriffe in ihren Praxisalltag. Das haben sie beim Internationalen Hausärztetag Ende September deutlich gemacht. “Unter Jens Spahn als Gesundheitsminister sehen wir, dass gesetzgeberischer Rückenwind kein Automatismus ist”, fasste Bundesvorsitzender Ulrich Weigeldt die politische Situation zusammen. Das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) beinhalte Regelungen, die Hausärzte besorgten und “die den Begriff Staatsmedizin wieder aktuell werden lassen”.
Der Referentenentwurf sieht vor, die Mindestsprechstundenzahl von 20 auf 25 Stunden pro Woche auszuweiten und Termine bei Hausärzten auch über die Servicestellen zu vermitteln (“Der Hausarzt” 8). Dabei erinnerte Weigeldt daran, dass die meisten Hausärzte ohnehin weit mehr als 25 Stunden pro Woche arbeiten. Vize-Vorsitzende Ingrid Dänschel kritisierte das Gesetz als “Nachwuchs-Verhinderungsgesetz”. Die Vergabe von Terminen über Terminservicestellen konterkariere die Idee hausärztlicher Versorgung.
Einstimmig stimmten die Delegierten sodann auch dem Leitantrag zur Erhaltung hausärztlicher Freiberuflichkeit zu. “Der Gesetzgeber wird aufgefordert, unangemessene und unverhältnismäßige Eingriffe in diese zu unterlassen”, heißt es darin. In vier mit großer Mehrheit abgestimmten Anträgen wurden die im Gesetz vorgesehenen Regelungen explizit abgelehnt (S. 24f.).
Staatssekretär Dr. Thomas Gebhart griff die wiederholt vom Verband geäußerte Kritik in seinem Grußwort auf. Aus freiberuflicher Sicht könne er die Ablehnung durchaus verstehen, sagte er und erinnerte an die parlamentarische Beratung. Der Entwurf soll Mitte Dezember debattiert werden, Ende September hatte er mit einigen Änderungen das Kabinett passiert (https://hausarzt.link/Bz2CL).
CDU und SPD uneins
In einigen Punkten schien sich die Koalition allerdings nicht ganz einig gewesen zu sein: “Wer mehr arbeiten will, soll dafür besser bezahlt werden”, sagte der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bundestag Erwin Rüddel (CDU) bei einer Podiumsdiskussion der Stiftung Perspektive Hausarzt. Hausärzte seien wichtige Lotsen und daher müsse es für sie “reizvoll sein, Termine zu vermitteln”. Dem hielt SPD-Gesundheitsexperte Prof. Karl Lauterbach entgegen, die Hauptaufgabe von Hausärzten sei eben nicht die Steuerung, sie behandelten vielmehr selbst. “Hausärzte brauchen eine bessere Bezahlung für ihre Arbeit, die sie bereits leisten, nicht für Mehrarbeit”, konterte er. “Eine Prämie für Facharzt-Überweisungen ist Hausärzten nicht würdig.” Auch betonte er, das TSVG dürfe nicht Budgets von Hausärzten zu Fachärzten verschieben.
Während Rüddel auf Telemedizin und Delegation setzt, um die drohende Lücke an Hausärzten zu schließen, plädierte Lauterbach für eine bessere Strukturierung der Versorgung mittels eines freiwilligen Primärarztsystems wie der Hausarztzentrierten Versorgung (HZV). “Patienten brauchen einen wirtschaftlichen Anreiz, dass sie zuerst zum Hausarzt gehen.” E-Health könne persönliche Gespräche mit dem Arzt nicht ersetzen, sondern Ärzte brauchten mehr Zeit für Patienten. Das kann Lauterbach zufolge nur gelingen, wenn die sprechende Medizin besser honoriert werde.
Digitalisierung sei eine gute Entwicklung, wenn sie in einem strukturierten Gesundheitssystem vor sich gehe, betonte Dr. Christopher Hermann von der AOK Baden-Württemberg. Er mahnte: “Das TSVG wird die Versorgung nicht verbessern”, sondern zu Chaos führen. Es werde Patienten keinen Hausarzt auf Dauer sichern.
“Wir sind mehr als Lotsen!”
Dass das Gesetz die sprechende Medizin stärken will, reiche nicht, betonte Hausärzte-Chef Weigeldt. Er schärfte den Blick für den entsprechenden Passus im Koalitionsvertrag: Dieser hält ausdrücklich eine Stärkung von sprechender und hausärztlicher Versorgung fest. “Wir sind nicht nur Koordinatoren oder Lotsen”, erinnerte er. “Wir können laut Studien 80 bis 94 Prozent der Fälle abschließend lösen.”
Facharztstandard muss bleiben
Für Diskussionen im Plenum sorgte das Thema “Quereinstieg in die hausärztliche Versorgung”. In Nordrhein-Westfalen soll ein Programm verstärkt Fach- und Klinikärzte für den Hausarztberuf gewinnen (“Der Hausarzt” 16). Ein “abenteuerliches Programm”, bei dem Klinikärzte im Schnellverfahren zu Fachärzten für Allgemeinmedizin werden sollen, kritisierte Weigeldt. Dass das Thema den Hausärzten aufstößt, zeigte die breite Beteiligung aus allen Landesverbänden an der Diskussion in Bonn.
Das Fazit: An der nach jahrelangen Kämpfen erreichten zweijährigen Weiterbildungszeit in allgemeinmedizinischen Praxen und dem Facharztstandard darf nicht gerüttelt werden. “Wir haben lange für die allgemeinmedizinischen Kompetenzen gekämpft, und diese müssen erhalten bleiben”, unterstrich Dr. Gerald Quitterer, Präsident der Bayrischen Landesärztekammer. Im Freistaat sei man kurz davor, die vom Deutschen Ärztetag im Mai verabschiedete Musterweiterbildungsordnung umzusetzen.