Im Gespräch mit Daniela Thamm
Die Vereinbarkeit von Job und Familie ist ein wichtiger Faktor für junge Menschen. Kann der Hausarztberuf das bieten?
Eindeutig ja! Durch den Wegfall der Präsenzpflicht, die Neugestaltung des ärztlichen Notdienstes und die Möglichkeit der Gestaltung der Arbeitszeit ist für mich der Hausarztberuf ideal. Wir dürfen nicht vergessen, dass mehr als drei Viertel aller Medizinstudenten weiblich sind. Hier besteht oft per se der Wunsch nach der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Aber auch bei den jungen Männern ist die sogenannte Work-Life-Balance wichtiger als noch vor einigen Jahren.
Wie lässt sich der Praxisalltag mit Kind bewältigen?
Wir Frauen sind dafür bekannt, unseren Alltag sehr planvoll und strukturiert zu bewältigen. Dies ist auch für die niedergelassene Ärztin mit Kind unerlässlich. Es bedarf klarer Regeln für das Team und die Sprechstundengestaltung, wohl wissend, dass in der Praxis Notfälle auch zum Tagesgeschäft gehören können. Also braucht es kalkulierte “Pausen”, damit es nicht zu vorhersehbaren Stolpersteinen kommt. Auch Patienten sind im weitesten Sinne “erziehbar” – man sollte also bewusst Grenzen setzen.
Wie können junge Ärztinnen und Ärzte das Thema Work-Life-Balance mit dem Praxischef besprechen?
Seien Sie beim Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf transparent und offen. Versprechen Sie nichts, was nicht eingehalten werden kann. Planen Sie darüber hinaus stets ein “Backup”: Wie wollen Sie agieren, wenn plötzlich ein Kind erkrankt?
Machen Sie von vornherein klar, was Sie zu leisten bereit sind und wo Ihre persönlichen Schwerpunkte sind. Definieren Sie Ihre Work-Life-Balance.
Welche Unterstützung und Hilfen von außen gibt es?
Die Hilfen sind letztlich die gleichen wie für alle berufstätigen Mütter oder Väter. Eine gut organisierte Kindertagesstätte mit flexiblen Betreuungszeiten ist sicher hilfreich. Auch die Sicherheit einer familiären Unterstützung durch Oma oder Opa kann eine enorme Entlastung darstellen.
Sie sind Landärztin. Früher bedeutete das oft schlecht planbare Feierabende oder Wochenenden. Wie sieht die Situation heute aus?
Früher war es selbstverständlich, seine Patienten rund um die Uhr an allen Tagen des Jahres zu betreuen, das erwarteten die Patienten aber auch so, ganz nach dem Motto: “Mein Hausarzt ist immer für mich da.” Heute ist das definitiv anders. Durch die Neugestaltung des KV-Notdienstes ist eine Planbarkeit in den allermeisten Fällen gegeben. Die persönliche Dienstbelastung pro Jahr liegt bei sechs bis sieben Diensten. Das ist absolut machbar. Und das Schöne ist: Die Patienten haben diese Veränderung akzeptiert. Heute ist es allgemein anerkannt, dass auch eine Hausärztin ihre Ruhephasen benötigt.
Dr. Birgit Schilling-Maßmann ist Fachärztin für Allgemeinmedizin und mit ihrem Mann Dr. Volker Maßmann im Münsterland niedergelassen