Auch wenn der Krieg in der Ukraine die Pandemie nachrichtlich in den Hintergrund gedrängt hat: Nach wie vor sind Hausärztinnen und Hausärzte stark gefragt, Corona-Patienten zu versorgen. Unverständlich findet Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes, dass es nach gut zwei Jahren der Pandemie noch immer keine Daten zum Infektionsgeschehen in Deutschland gebe. Valide Kohortenstudien müssten dringend gestartet werden.
“Wir sehen hier bisher sehr wenig Engagement der Politik, dieses so entscheidende Problem anzupacken und sich so auf den Herbst 2022 vorzubereiten”, kritisierte Weigeldt bei der Frühjahrstagung des seines Verbandes Anfang Mai.
Traditioneller Raum für Austausch
Die Frühjahrstagung bietet traditionell Raum für den Austausch zu politischen Themen – und in diesem Jahr für das lang ersehnte persönliche Wiedersehen. Dazu hatte der Landesverband Niedersachsen auf das Schloss Herrenhausen geladen, welches mit seiner Kulisse begeisterte.
Mit Blick auf den Herbst müsse den Praxen genügend Impfstoff – und zwar sowohl gegen Covid als auch gegen Grippe – zur Verfügung gestellt werden, mahnte Weigeldt während der Delegiertenversammlung.
Dem Ärgernis um die zeitraubende und an vielen Stellen nicht funktionierende Telematikinfrastruktur hat sich eine Arbeitsgruppe des Hausärzteverbandes um Dr. Markus Beier aus Bayern und Dr. Kristina Spöhrer aus Niedersachsen angenommen. Die Gruppe hat das Konzeptpapier “Digitalisierung der hausärztlichen Versorgung” erstellt, das der Politik und Gemeinsamen Selbstverwaltung als Blaupause dienen soll.
Der entsprechende Leitantrag “Digitalisierung in den hausärztlichen Praxen sinnvoll gestalten” des Bundesverbandes dazu wurde mehrheitlich angenommen. Das Papier sei aber nur ein erster Schritt und müsse unbedingt weiterentwickelt werden, so die Delegierten.
Mammutaufgabe marode Kassen
Das Defizit der Krankenkassen in Höhe von etwa 20 Milliarden Euro bezeichnete Weigeldt als eine “nicht zu unterschätzende Mammutaufgabe”. Dabei reiche es nicht, kurzfristig Löcher zu stopfen. Vielmehr seien langfristig wirkende Strukturanpassungen nötig, indem etwa die Hausarztzentrierte Versorgung (HZV) stärker gefördert oder die hohe Zahl an Kliniken hinterfragt würde.
Ökonomisierung in der Medizin sei dabei zunächst nichts Schlechtes, so Weigeldt. Wenn allerdings die Rendite über dem Patientenwohl stehe, sei das nicht hinnehmbar. In Krankenhäusern erlebten es die Ärztinnen und Ärzte täglich, dass mehr und mehr DRG-getriebene Maßgaben ins Spiel kämen und nicht selten den Ton angeben würden.
Im ambulanten Sektor zeige sich das Problem bei investorenbetriebenen Medizinischen Versorgungszentren (MVZ). “Wir müssen uns mit diesen Problemen intensiv auseinandersetzen, da es für den hausärztlichen Nachwuchs von großer Bedeutung werden wird”, führte Weigeldt aus.
Sein Stellvertreter Dr. Markus Beier wies in diesem Zusammenhang auf ein Gutachten der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns hin. Demnach sei die Behandlung eines Patienten in einem investorenbetriebenen MVZ im Vergleich zu einem von Ärzten geleiteten MVZ um zehn Prozent teurer.
Um gegen ausschließlich an Rendite interessierten MVZ ein Zeichen zu setzen, stellten Delegierte aller Landesverbände einen Antrag für mehr Transparenz und Regulierung. Darin enthalten ist ein Zehn-Punkte-Forderungskatalog an den Gesetzgeber.
Dafür gab es viel Lob. Um jedoch nicht unabsichtlich den Handlungsspielraum für alle ärztliche Kooperationen zu begrenzen, forderten die Delegierten den Vorstand auf, einzelne Detailfragen in der weiteren politischen Arbeit zu klären.
Flüchtlingen einfach geholfen
Auch die Medizinischen Fachangestellten (MFA) und Versorgungsassistenzen in den Hausarztpraxen (VERAH) dürften nicht vergessen werden, erinnerte Weigeldt. Ohne sie könnten die Hausärztinnen und Hausärzte die Versorgung nicht stemmen.
Ein zentrales Anliegen bei der Gesetzgebung sei daher nach wie vor die Ermöglichung eines für Praxisinhaber steuerfreien Bonus für ihre durch die Pandemie besonders belasteten MFA. Leider habe es zuletzt offenbar noch Gegenwind aus der FDP gegeben.
Weigeldt dankte den Hausärztinnen und Hausärzten für ihren Einsatz bei der Versorgung der ukrainischen Flüchtlinge: “Viele haben nicht auf Honorarvereinbarungen gewartet, sondern einfach geholfen.” Außerdem forderten die Delegierten, dass alle Flüchtlinge aus der Ukraine bundesweit einheitlich mit einer elektronischen Gesundheitskarte ausgestattet werden.