Mit deutlichen Worten hat Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes, Manipulationsvorwürfe gegen Hausärzte zurückgewiesen. “Wir sind es leid, immer wieder süffisant geäußerten, zynischen Kommentaren zu angeblichen Manipulationen ausgesetzt zu sein”, sagte er in seinem Bericht zur Lage, mit dem er im Mai die Frühjahrstagung des Verbandes eröffnete.
Auf Einladung des Thüringer Hausärzteverbandes haben sich die Delegierten in diesem Jahr in Erfurt getroffen, um in der Landeshauptstadt und dem benachbarten Weimar aktuelle politische Herausforderungen zu diskutieren und sich kollegial auszutauschen. Nach konzentriert geführten, teils kontroversen Debatten modernisierten sie dabei auch ihre Verbandsstatuten (S. 1 und 23). Zur Eröffnung der Tagung kritisierte Weigeldt den Entwurf des Faire-Kassenwahl-Gesetzes (GKV-FKG). Bei Redaktionsschluss lag dieses erst im frühen Stadium eines Referentenentwurfs vor, Änderungen sind damit noch umfangreich möglich – wie zuletzt beim Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) zu beobachten. Nichtsdestotrotz machte Weigeldt bereits deutlich: Für Hausärzte ist das GKV-FKG eine “Nebelbombe”, deren Folgen noch nicht absehbar seien.
Im Groben sieht das Gesetz Folgendes vor:
- Die gesetzlichen Kassen sollen bundesweit geöffnet, die regionalen Kompetenzen der Länder eingeschränkt werden.
- Die Aufsicht über das Vertragsgeschäft wäre dann für alle Kassen beim Bundesversicherungsamt (BVA) angesiedelt. Der Deutsche Hausärzteverband und die Länder plädieren gegen die Öffnung, um den Bezug zu regionalen Versorgungsstrukturen und damit verbundenen Besonderheiten nicht zu verlieren. Bliebe es bei der heutigen Aufsichtsstruktur, wäre für bundesunmittelbare Kassen weiter das BVA, für regionale Kassen die Länderaufsicht zuständig.
- Die Selbstverwaltung soll im Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes künftig nicht mehr vertreten sein. Stattdessen: Besetzung mit hauptamtlichen Kassenvorständen.
- Beim Risikostrukturausgleich (RSA) unter den Kassen sind zahlreiche Nachjustierungen vorgesehen: Die Begrenzung des RSA auf 50 bis 80 Krankheiten, die bei der Einführung als Übergangslösung vorgegeben wurde, wird aufgehoben und stattdessen das gesamte Krankheitsspektrum berücksichtigt (sog. Vollmodell). Darüber hinaus soll der RSA um eine Regionalkomponente erweitert werden, die Kostenpauschale für Disease-Management-Programme (DMP) soll gestrichen werden. Dies würde sich jedoch negativ auf die Behandlung chronisch Kranker auswirken, warnt der Deutsche Hausärzteverband.
Vor allem die seit Langem diskutierte Reform des Morbi-RSA betrifft Hausärzte. Denn: In dem Verteilungskampf unter den Kassen – etwa die Hälfte der Mittel aus dem Gesundheitsfonds wird aktuell aufgrund dieses Verteilungsmechanismus zugewiesen – wird immer wieder der Vorwurf laut,
auch Ärztinnen und Ärzte seien an Manipulationen beteiligt.
“Keine Belege für Manipulationen”
Auch in der Anfang Mai stattgefundenen Verbändeanhörung, an der für die ärztliche Seite lediglich Deutscher Hausärzteverband und Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) teilgenommen hätten, sei “Manipulationsresistenz” eines der meist gefallenen Wörter gewesen, berichtete Weigeldt vor den Delegierten. Aber: “Niemand hatte, auch auf Nachfrage, Belege, dass Hausärzte Diagnosen manipuliert haben.” Im Gegenteil habe der wissenschaftliche Beirat des BVA zur Wirkungsweise des Morbi-RSA in einem Gutachten jüngst konstatiert, dass die signifikante Steigerung bestimmter Diagnosen im Wesentlichen die epidemiologische
Entwicklung abbilde. “Der Verteilungskampf der Kassen darf nicht auf dem Rücken der Hausärzte und ihrer Patienten ausgetragen werden”, fasste Weigeldt zusammen und erntete dafür Applaus der Delegierten. “Wir sind nicht die Büttel der Krankenkassen!”
Anträge untermauern Kritik
In mehreren, allesamt einstimmig beschiedenen Anträgen unterstrichen die Delegierten die von Weigeldt formulierte Kritik am Referentenentwurf (S. 24f).
Darüber hinaus plant das Ministerium unterschiedlich hohe Zuweisungen aus dem Morbi-RSA für haus- und fachärztliche Diagnosen. Mit dem GKV-FKG legt es dafür den Grundstein – in Form eines darin enthaltenen entsprechenden Prüfauftrags. Das Ziel: Zuweisungen aus dem Morbi-RSA nach hausärztlicher Diagnose im Vergleich zur fachärztlichen herabzustufen – für Weigeldt eine erneute “Degradierung” der hausärztlichen Arbeit.
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Den gesamten Berich zur Lage lesen Sie unter https://hausarzt.link/7P9mg