Konzeptpapier Ein Blick in die digitale Hausarztpraxis

Anstatt nur über fehlerbehaftete Anwendungen in der Telematikinfrastruktur zu jammern, haben knapp 20 Hausärztinnen und Hausärzte im Deutschen Hausärzteverband eine Vision für die Digitalisierung vorgelegt: Sie zeigt, wie die digitale Praxis aussehen kann – von der Terminvereinbarung bis zur Nachbetreuung.

Von der Terminvereinbarung bis zur Nachbetreuung - wie sieht sie aus, die digitale Praxis der Zukunft?

Haben Patientinnen und Patienten ein Anliegen, so wenden sie sich direkt an ihre Hausarztpraxis – über eine App. Völlig automatisiert wird das Anliegen eingeschätzt: Handelt es sich nur um einen Rezeptwunsch, wird ein Termin benötigt? Wie akut ist der Fall?

Die Termine sind digital organisiert, ebenso wie die Versorgungsdaten, die beim Besuch der Sprechstunde dann strukturiert vorliegen: Vorbefunde sowie selbst oder fremd erhobene Vitaldaten wie Blutzucker, Blutdruck, Puls. Ein kollegialer Rat kann in Sekundenschnelle eingeholt werden: Per Mausklick kommt ein Kollege – direkt oder zu einem späteren Zeitpunkt – ins (digitale) Sprechzimmer hinzu.

Zwar handelt es sich bei diesen Abläufen noch um eine Zukunftsvision – doch ist es eine Vision der digitalen Praxis, die Hausärztinnen und Hausärzte klar vor Augen haben. Das macht ein Konzeptpapier deutlich, das eine Arbeitsgruppe im Deutschen Hausärzteverband erarbeitet hat.

Dr. Kristina Spöhrer und Dr. Markus Beier haben es bei der Frühjahrstagung des Verbandes vorgestellt. “Statt zu sagen: Dieses oder jenes funktioniert nicht, wollten wir mal aufzeigen: Wo wollen wir eigentlich hin?”, erklärte Beier, Vorsitzender des Bayerischen Hausärzteverbandes, dort das Engagement.

Und dieses “Wo” skizzieren die knapp 20 Köpfe der “AG Digitalisierung” deutlich: Sie schildern den gesamten Versorgungsweg von der Patientenanfrage bis hin zur Nachbetreuung in den eigenen vier Wänden. Zu den Abläufen werden jeweils die benötigten Tools aufgezählt, die für die digitale Ausgestaltung nötig sind.

“Jeder Schritt bedeutet zunächst einmal eine Umstellung, eine Investititon in die Zukunft”, weiß AG-Mitglied Spöhrer aus der eigenen Praxis. Das Papier zeige jedoch, dass sich die Investition in Kraft und Zeit lohnen kann.

“Check-in” vor dem Arztbesuch

So könnten Patienten beispielsweise die Möglichkeit erhalten, vor dem (digitalen oder physischen) Besuch der Praxis, digital in der Praxis “einzuchecken”. Das könne zum Beispiel über eine Praxis-App, ein Terminal oder die Webseite geschehen. Damit würden dann “automatisch die verfügbaren Daten der digitalen Patientenakte mit den Daten aus der Praxisdokumentation abgeglichen”. Als erforderliche Tools werden genannt: Patienten-ID, Arzt- und Praxis-ID, Videosprechstunde, Patienteninformationen, “Patiententerminal” als App oder physisch.

An vielen Stellen sind im Papier – so auch bei eben diesem Check-in – bekannte Anwendungen wie die Patientenakte zu finden. Im Vergleich zum Status Quo sind die Anwendungen hier jedoch ineinander verzahnt, sie sind simpel im Praxisalltag anzuwenden, stiften Nutzen und schenken damit Zeit für die Versorgung. “Die Digitalisierung der Prozesse in den hausärztlichen Praxen muss vor allem das Praxisteam soweit wie möglich entlasten und die Patientenversorgung verbessern”, fasst das überregionale Autorenteam zusammen.

Dieses Credo für die Digitalisierung des Gesundheitswesens vertritt der Deutsche Hausärzteverband seit jeher.

Realität: 4.000 Stunden TI-Pannen

Die Realität jedoch sieht bislang an vielen Stellen anders aus. “Halbfertige IT-Lösungen machen mehr Arbeit, als dass sie helfen”, beobachtet Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes. Ende Mai rechnete die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) vor, dass innerhalb von etwa einem Jahr fast 4.000 Stunden die Telematikinfrastruktur (TI) oder einzelne TI-Komponenten und -Dienste nicht liefen – ein Ärgernis für die bestehenden und oft eng getakteten Praxisabläufe.

Das im Herbst startende eRezept könnte dabei die nächste Baustelle werden. “Jede Woche werden in den Arztpraxen über zehn Millionen Rezepte ausgestellt”, unterstreicht Weigeldt. “Wenn das nicht einwandfrei funktioniert, droht Chaos.”

Und auch die Mitglieder der AG Digitalisierung, deren Praxen bislang ganz unterschiedlich stark digitalisiert sind, sehen noch deutlichen Handlungsbedarf. Videosprechstunden oder videounterstützte Präsenzbesuche der VERAH seien Angebote, die entsprechende Übertragungsgeschwindigkeiten des Internets voraussetzen, lautet eine ihrer Anforderungen im Konzeptpapier. Zu viele Praxen erlebten es aktuell noch, dass Videosprechstunden gerade auf dem Land aufgrund eines “miserablen Internets” nicht durchführbar seien, kritisierte Beier bei der Vorstellung des Papiers. Die Ampelkoalition hat sich das Problem bereits in ihren Koalitionsvertrag geschrieben.

Blaupause für die Politik

Auch darüber hinaus soll das Konzeptpapier der Politik und Gemeinsamen Selbstverwaltung als Blaupause dienen. Denn es zeigt auf, wie die viel diskutierte digitale Versorgung mit Mehrwert konkret aussehen kann.

Am Ende, wenn der Patient wieder zu Hause ist, soll er digital auf seine Behandlungsdaten und -dokumentation zugreifen können, so die Idee der Hausärzte. Für Chroniker könne die Praxis zudem digitale Schulungs- und Beratungsangebote bereithalten. Und bei Rückfragen soll der Patient wieder ganz einfach per Messenger oder App Kontakt zur Praxis aufnehmen können – so wie beim nächsten Terminwunsch.

Fazit

  • Eine 20-köpfige Arbeitsgruppe im Deutschen Hausärzteverband hat ein Konzeptpapier vorgelegt, wie die Digitalisierung in der Hausarztpraxis idealerweise aussehen kann.
  • Im Fokus müssen vor allem die Entlastung von Bürokratie, vereinfachte Arbeitsabläufe und der klare Nutzen in der Patientenversorgung stehen.
  • Das Konzeptpapier soll der Politik und Gemeinsamen Selbstverwaltung als Blaupause dienen.
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