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Corona-InfektionWenn Hausärzte zu Corona-Patienten werden

Hausärztinnen und Hausärzte stemmen den Löwenanteil der Corona-Versorgung. Dabei ist rund jede zweite Praxis selbst von einer Erkrankung betroffen. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des Instituts für hausärztliche Fortbildung im Deutschen Hausärzteverband (IHF). Umso dringender geboten ist die Impfung der hausärztlichen Teams.

Als sich sein wochenlanges Husten als Corona-Infektion bestätigte, hatten die Patienten von Dr. Jürgen Herbers wohl Glück im Unglück: Keiner von ihnen infizierte sich, und keiner von ihnen musste sich in den kommenden Wochen an eine unbekannte Vertretung wenden.

Denn das Gesundheitsamt erlaubte Herbers drei Praxispartnern damals, im März 2020, unter Hygieneauflagen weiterzuarbeiten. “Keiner meiner Kollegen musste in Quarantäne”, sagt Herbers heute fast kopfschüttelnd. “Auch meine Frau, die eine eigene Praxis im Ort hat, konnte nach einem negativen Testergebnis weiterarbeiten.

“Die Versorgung im baden-württembergischen Pleidelsheim war damit sichergestellt, auch während sich der Hausarzt daheim auskurierte. Dass eine Corona-Infektion für die Versorgungsstrukturen vor Ort auch andere Folgen haben kann, weiß Herbers nicht zuletzt aus seinen Webinaren, die er für das Institut für hausärztliche Fortbildung im Deutschen Hausärzteverband (IHF) gehalten hat.

Als einer der ersten Erkrankten, die sich “geoutet” hatten, waren viele an seinem Bericht interessiert – auch mit Blick auf mögliche Quarantäne-Folgen für die eigene Praxis. Denn im Gegensatz zu einer Urlaubsvertretung komme die Quarantäne plötzlich, erinnert Herbers. Allein in Berlin waren zur Zeit seiner Erkrankung, also im März 2020, KV-Angaben zufolge mehr als 60 Praxen aufgrund einer Quarantäne geschlossen.

Jede zweite Praxis hat eigenen Fall

Wie viele Praxen mittlerweile bundesweit betroffen waren oder sind, darauf weist eine aktuelle Umfrage des IHF unter Abonnenten des eigenen Newsletters hin. Mehr als die Hälfte der Praxen (58 Prozent) sind demnach von Covid-Erkrankungen betroffen gewesen.

Sprich: In mehr als jeder zweiten Praxis ist es zu einem Ausfall von Personal, etwa in Form einer Erkrankung oder Quarantäne, gekommen. An der Mitte Februar erfolgten Online-Umfrage haben sich deutschlandweit 229 Newsletter-Leser beteiligt.

Nicht immer kann das Team abfedern

Für IHF-Chef Dr. Hans-Michael Mühlenfeld, der die Umfrage initiiert hat, ist das “ein deutliches Warnsignal” – vor allem vor dem Hintergrund, dass rund die Hälfte der hausärztlichen Praxen Einzelpraxen sind, erinnert er. Zwar helfen sich Kollegen auch bei kurzfristigen Schließungen untereinander, jedoch sei das oft “eine enorme zusätzliche Belastung für alle”, weiß er.

Denn nicht überall kann ein Corona-bedingter Ausfall im eigenen Team abgefedert werden. Dieses Glück haben vor allem größere Praxen – so wie jene von Herbers oder Mühlenfeld selbst.

Denn auch der IHF-Vorsitzende hat am eigenen Leib erfahren, was ein Corona-Fall für die eigene Praxis bedeuten kann: Nach einem Besuch im Pflegeheim, in dem sich das Virus drastisch ausgebreitet hatte, klagte seine Praxispartnerin über Symptome. “Glücklicherweise war sie zwischen Heimbesuch und Symptombeginn nicht mehr in der Praxis”, berichtet Mühlenfeld.

Die sechs verbleibenden Kolleginnen und Kollegen durften folglich weiterarbeiten.

Long-Covid und Team-Sorgen begleiten

Dabei sind die Folgen einer Erkrankung nicht nur dann drastisch, wenn sich die Praxis von der Versorgung abmelden muss. Zahlreiche Erkrankte brauchen Wochen, einige gar Monate, um zu ihrer alten Leistungsfähigkeit zurückzufinden. Hinzu kommt für das Team nicht selten eine emotionale Komponente: “Ich hatte große Sorge, jemanden angesteckt zu haben”, sagt Herbers.

Was er erst deutlich später erkannt habe: “Auch meine Mitarbeiter hatten große Sorgen. Als ich nach der Genesung zurückkehren wollte, baten sie mich offen, doch noch eine Woche daheimzubleiben.”

Matthias Berndt, Vorsitzender des Landesverbandes Niedersachsen, erinnert darüber hinaus an die dramatischste Konsequenz der Pandemie: Todesfälle unter Kollegen. Das RKI bezifferte die Zahl der Verstorbenen aus Arztpraxen und Kliniken im Dezember 2020 auf 29 [1], verpflichtend erhoben wird dies jedoch nicht. “Mir sind sowohl Todesfälle als auch Kollegen, die seit Langem unter Long-Covid leiden, bekannt”, bedauert Berndt. Beides habe mitunter traumatische Folgen für Teams und Familien.

Überdurchschnittlich oft betroffen

Dass diese Sorgen in den unterschiedlichsten Schattierungen zahlreichen Praxen bekannt sein müssen, zeigen auch Analysen von Arbeitsunfähigkeitsdaten. Laut dem Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) waren Gesundheitsberufe und Medizinische Fachangestellte (MFA) zwischen März und Oktober 2020 am zweitstärksten von Covid-19-Kranksmeldungen betroffen (2.469 je 100.000 Beschäftigte), nur knapp hinter Erziehern und Lehrern (2.672).

Zum Vergleich: Der bundesweite Schnitt lag bei 1.183 Betroffenen. [2, “Der Hausarzt” 19/20]. Auch Abrechnungsdaten der Barmer (Quartal 4/2020) belegen die überdurchschnittliche Betroffenheit. [3]

Mit Blick auf diese Zahlen wäre es wohl nur konsequent, Hausärztinnen und Hausärzte mit höchster Priorität zu impfen. Doch die IHF-Umfrage zeigt genau an diesem Punkt eine beachtliche Diskrepanz: Während mehr als die Hälfte der Praxen von Corona-bedingten Ausfällen betroffen war, ist nur bei rund jeder dritten Praxis (37 Prozent) die priorisierte Impfung angelaufen.

Denn: Regelhaft stuft die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) Hausärzte nur dann in die erste Priorisierungsgruppe ein, wenn sie in Test- oder Impfzentren eingebunden sind – nicht jedoch, wenn sie in ihren Praxen die “normale” Versorgung sichern.

Nicht zuletzt die aktuellen Zahlen des IHF “müssten jeden verantwortungsbewussten Politiker zum Handeln zwingen”, meint Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes. “Hausarztpraxen leisten seit Beginn der Pandemie den Löwenanteil bei der Versorgung von Covid-Erkrankten und Verdachtsfällen”, erinnert er (“Der Hausarzt” 2/21).

“Umso unerträglicher ist es, dass ein Großteil von ihnen sich weiterhin nicht impfen lassen darf und somit einem erheblichen Infektionsrisiko ausgesetzt bleibt. Hausärzte und ihre MFA müssen jetzt endlich wie auch Ärzte und Pflegekräfte in Kliniken geimpft werden!”

Landesverbände erkämpfen Erfolge

Bislang sind es vor allem einzelne Landeshausärzteverbände, die hier regionale Siege erringen – bundesweit war bei Redaktionsschluss keine Reform der bisherigen Priorisierung in Sicht. Im Saarland hatte der Hausärzteverband etwa bereits im Januar mit einem offenen Brief an das Landesgesundheitsministerium einen Kurswechsel erwirkt.

Auch ein Blick nach Niedersachsen zeigt einen “Grund zur Freude”, unterstreicht Hausärzteverbandschef Dr. Matthias Berndt: “Bereits Ende Februar haben flächendeckend alle Hausarztpraxen ein Impfangebot für das gesamte Team erhalten.” Doch er weiß auch, wie viel Überzeugungsarbeit und Hintergrundgespräche dafür nötig waren.

“Wir würden heute – auch in anderen Regionen – anders dastehen, hätten die Hausärzteverbände nicht eingegriffen”, sagt Berndt.

Dass in Niedersachsen beinahe Mitarbeiter des MDK vor den Niedergelassenen geimpft worden wären (“Der Hausarzt” 4/21), macht ihn noch immer fassungslos. In der eigenen Praxis habe er mit seinem Team 350 Corona-Patienten betreut – “das ist mehr als manch eine Klinik”, unterstreicht er.

Umso dankbarer sei er, dass er – wie viele andere niedersächsische Kollegen – bereits zweifach geimpft sei. Der Verband begleitet die Impfungen systematisch: Bei Redaktionsschluss war gerade eine Mitgliederumfrage gestartet, um den Fortschritt zu dokumentieren.

Dabei haben Hausärzte durchaus Verständnis dafür, dass angesichts der noch immer herrschenden Impfstoffknappheit priorisiert werden muss. “Mir ist klar, dass bei knappen Ressourcen eine Auswahl getroffen werden muss, ebenso dass es länger dauert”, wendet sich etwa Hausarzt Michael Timphus aus dem niedersächsischen Lohne an den Deutschen Hausärzteverband.

“Ebenso wird ein jeder für sich eine Priorität beanspruchen, die mehr oder weniger berechtigt ist. Wenn ich aber sehe, dass beispielsweise hier im Landkreis ganze Verwaltungen von Pflegeheimen stolz betonen, schon geimpft zu sein, obwohl diese hätten problemlos ausgelagert werden können, und wir Hausärzte gleichzeitig in genau diesen Pflegeheimen ohne Impfung unsere Arbeit verrichten, ist die gewählte Strategie nicht zu verstehen.”

Literatur:

  1. Lagebericht des RKI, 2.12.2020, rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Dez_2020/2020-12-02-de.pdf?__blob=publicationFile
  2. Auswertung der AOK, Dezember 2020, https://aok-bv.de/presse/pressemitteilungen/2020/index_24186.html
  3. Branchenauswertung der BARMER, https://www.barmer.de/presse/presseinformationen/pressemitteilungen/branchenauswertung-corona-280804
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