Die Arbeitszeit von Hausärztinnen und Hausärzten darf nicht mit unnötigen Aufgaben verschwendet werden; das deutsche Gesundheitssystem braucht Steuerung – diese Forderungen an die Politik sind für den Deutschen Hausärzteverband zentral. Das erklärte Dr. Markus Beier, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes, bei der Frühjahrstagung in Münster Mitte April.
Gastgeber war der Hausärzteverband Westfalen-Lippe. Landesvorsitzende Anke Richter-Scheer betonte gemeinsam mit Beier, dass Hausarztpraxen vielerorts „am Limit“ arbeiteten.
Bitte nicht noch mehr Schnittstellen
Die Ressourcenschonung sei zentral. Schließlich, so Beier, hätten nicht erst die Corona-, Infekt- und RSV-Wellen Hausarztpraxen teils deutlich über ihre Belastungsgrenzen gebracht. Auch vor dieser Zeit seien Hausarztpraxen schon stark frequentiert worden: Rund 10 bis 17 Arztkontakte pro Jahr und Versicherten in Deutschland seien Spitzenwerte im europäischen Vergleich. Während im Gesundheitswesen an vielen Stellen Personal fehle, fresse die zunehmende Bürokratie wertvolle Zeit des gesamten Praxisteams.
Insgesamt stelle sich die Lage so dar, dass Praxen gleichzeitig steigender Belastung und finanziellem Druck ausgesetzt seien. Die Aufwendungen, kritisierte Beier, stiegen stärker als die Einnahmen. „Wir sind auch kleine Wirtschaftsunternehmen“, so Beier, „unsere Praxen müssen sich wirtschaftlich tragen. Hier erleben wir in den letzten Jahren ein Missverhältnis.“
Statt die bestehenden, funktionierenden Strukturen zu stärken und in sie zu investieren, baue die Politik Parallelstrukturen auf, fügte Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth, erste stellvertretende Bundesvorsitzende, an. Dazu gehörten zum Beispiel Apotheker, die impfen, Gesundheitslotsen oder Gesundheitskioske, die Patienten beraten sollen.
Das aber entlaste Hausarztpraxen keineswegs. Vielmehr führe dies oft zu noch höherem Koordinationsaufwand für die Hausärztinnen und Hausärzte, die zum Beispiel mit Patienten über unsinnige Ratschläge Dritter diskutieren müssten.
Koordination durch Hausarztpraxen
Zur Entlastung der Praxen habe der Hausärzteverband längst Lösungen entwickelt. Statt zusätzlicher Schnittstellen, die nur zur Zersplitterung der Versorgung beitragen und finanzielle Ressourcen verschwenden, schlägt der Verband das Konzept „Hausärztliches Primärversorgungszentrum – Patientenversorgung Interprofessionell“ (HÄPPI) vor.
In diesem nehmen Hausärztinnen und Hausärzte die zentrale, leitende Funktion ein. Allerdings sei auch eine verlässliche und faire Finanzierung nötig, höher qualifiziertes Personal koste nun mal mehr Geld, erklärte Buhlinger-Göpfarth.
Ein weiterer Kritikpunkt: Obwohl der Notdienst im ambulanten Bereich zum Großteil von Hausarztpraxen erbracht werde, sei der hausärztliche Sachverstand bei der Notfallreform von der Politik nicht gefragt worden. Auch hier plane die Politik mit 24/7-Notdienstpraxen den Aufbau von riesigen Parallelstrukturen.
Notfallreform nur mit Hausärzten
„Statt Probleme auf den letzten Metern am Krankenhaustresen lösen zu wollen“, so Buhlinger-Göpfarth, sollten Menschen dort besser erst gar nicht aufschlagen. Am besten könne dies mit der kontinuierlichen Betreuung durch eine Hausarztpraxis erreicht werden. Per Beschluss forderten die Delegierten das Bundesgesundheitsministerium auf, Hausärzte bei den Reformüberlegungen hinzuzuziehen.
Mit Blick auf den EBM begrüßte Beier die Pläne der Entbudgetierung für Kinder- und Jugendärzte. Nun werde es Zeit, dass der Gesetzgeber sein Versprechen einlöse und die Aufhebung der Budgetierung auch im hausärztlichen Bereich folge. Diese Forderung unterstrichen die Delegierten mit einem Beschluss. Abgesehen davon sei der EBM im hausärztlichen Bereich grundsätzlich chronisch unterfinanziert, erklärte Beier. Nächster Schritt nach der Entbudgetierung sei, eine hausärztliche Strukturpauschale im EBM zu erreichen.
Erfolgsmodell HZV
Die HZV bleibe das Erfolgsmodell der Hausärzteschaft, meinte Beier. Die Krankenkassen seien weiterhin dabei, mit der HZV eine innovative Versorgung zu gestalten. Beispielsweise habe man mit der Techniker Kasse einen Innovationszuschlag und einen Befüllungszuschlag für die elektronische Patientenakte vereinbart. Auch die Zuschläge für den Einsatz der VERAH® seien von den Kassen erhöht worden.
Die HZV wachse stetig. Es sei dennoch höchste Zeit, mehr Versicherte für die HZV zu gewinnen. Ziel sei, in 2024 die Zehn-Millionen-Marke zu knacken. Damit das klappt, plädierte Beier dafür, dass Versicherte für die Teilnahme von ihrer Krankenkasse einen Bonus erhalten sollen (mehr: www.hausarzt.link/JfpuY). Noch in diesem Jahr wolle man das Thema Bonifizierung angehen.