© G. Lopata/axentisAussprache zu den Anträgen: Dr. Barbara Römer am Mikrofon.
Die Delegiertenversammlung des Deutschen Hausärzteverbandes fordert die Politik und die Gemeinsame Selbstverwaltung nachdrücklich auf, das vorliegende von der AG Digitalisierung des Deutschen Hausärzteverbandes im Auftrag des Geschäftsführenden Vorstandes erarbeitete Konzeptpapier “Digitalisierung der hausärztlichen Versorgung” und die dort beschriebenen Strukturen und Prozesse für die weitergehende Digitalisierung der hausärztlichen Versorgung als Blaupause zu nutzen.
Ebenso sollten bestehende IT-Projekte anhand des vorliegenden Papiers – sofern erforderlich – umgestaltet und ggf. neu priorisiert werden.
Anlage: Konzeptpapier Digitalisierung des Deutschen Hausärzteverbandes (Stand: 2. Mai 2022); online auf www.hausarzt.link/PVzKM
Interoperabilität – jetzt!
Die Hausärztinnen und Hausärzte erwarten, dass die im deutschen Gesundheitswesen genutzten IT-Systeme, Software und digitalen Anwendungen Interoperabilität gewährleisten.
Mit den aktuellen Regelungen des Paragrafen 371 SGB V werden hierfür zwar Rahmenbedingungen geschaffen, die aber noch lange nicht ausreichen, um das gewünschte Maß an Interoperabilität zu erreichen.
Die Delegiertenversammlung des Deutschen Hausärzteverbandes fordert den Gesetzgeber deshalb auf:
- Die Forderung nach Interoperabilität in Paragraf 371 SGB V ist deutlich umfassender und spezifischer zu definieren. Ziel muss es sein, dass Hausärztinnen und Hausärzte unabhängig von dem von ihnen gewählten PVS-System ergänzende Hard- und Software von jeglichen Anbietern nutzen und in ihr PVS integrieren können, sofern sie dies für die Versorgung ihrer Patientinnen und Patienten oder für effizientere Praxisabläufe für erforderlich halten.
- Die in Paragraf 371 SGB V geforderte und künftig ausgebaute Interoperabilität muss technisch so spezifiziert werden, dass deren Umsetzung durch Dritte geprüft werden kann.
- Sollten PVS-Anbieter die technischen Spezifikationen zur Interoperabilität nicht umsetzen, müssen sie nach Ablauf entsprechender Übergangsfristen mit Sanktionen rechnen, im äußersten Falle Strafzahlungen hinnehmen oder einen Entzug der Zertifizierung beim jeweiligen Zertifizierungsgeber (KBV, KZBV oder DKG) befürchten.
Nachhaltiger Einsatz von Geräten auch in der TI
Die Delegierten des Deutschen Hausärzteverbandes fordern die Gesellschafter der gematik auf, die sogenannte TI 2.0 zeitnah umzusetzen, sodass auf die Nutzung von Hardware-Konnektoren vollständig verzichtet werden kann. Für die Übergangzeit werden die Gesellschafter der gematik aufgefordert vor einem Austausch von Konnektoren zu prüfen, ob eine Erneuerung oder Aktualisierung der auslaufenden Sicherheitszertifikate möglich ist.
Unabhängig davon, ob ein Austausch der Konnektoren oder eine Erneuerung oder Aktualisierung der Sicherheitszertifikate erforderlich ist, sind die Arztpraxen von den dafür anfallenden Kosten freizustellen bzw. sind die dafür erforderlichen Zeitaufwände für das Praxispersonal zu erstatten.
Zudem ist eine klar strukturierte und verbindliche Kommunikation und Offenlegung der Sicherheitsarchitektur der Konnektoren mit den Arztpraxen notwendig.
Die Delegiertenversammlung des Deutschen Hausärzteverbandes fordert die Gesundheits-, Wissenschafts- und Kultusministerien auf, die Umsetzung der Reform der ÄApprO endlich voranzutreiben. Wichtig dabei ist vor allem die Stärkung der Allgemeinmedizin während des Medizinstudiums, so wie es der Masterplan 2020 vorgibt.
Der Hausärzteverband wendet sich gegen jegliche Verwässerung dieses Ziels.
Ausverkauf der medizinischen Versorgung stoppen
Gewinnmaximierung von Investoren im Gesundheitswesen mit Ausbeutung der Humanressourcen und zu Lasten der Patientenversorgung lehnen wir ab. In einem ersten Maßnahmenpaket zur Abwehr schlagen wir vor:
- Zentrale Abrechnung durch die KBV von bundeslandübergreifenden MVZ oder Holdingstrukturen, um die “Erpressbarkeit (wir verschieben Leistungen in ein anderes Bundesland mit dem potenziellen Verlust der Verwaltungskosten)” von regionalen KVen zu verhindern,
- Einführung von zentralen Plausibilitätskontrollen (d. h. Bundesland und BSNR-übergreifend) von KV-Abrechnungen innerhalb einer Holdingstruktur bzw. Finanzbeteiligung,
- Regelmäßige Überprüfung der Erfüllung des Versorgungsauftrages von MVZ bzw.
- Leistungsverschiebungen (Stichwort Rosinenpickerei),
- Regelmäßige Überprüfung von Monopolstrukturen.
Zukunft der ambulanten hausärztlichen Versorgung
Die Delegiertenversammlung fordert den Bundesvorstand des Deutschen Hausärzteverbandes auf, geeignete Maßnahmen zu entwickeln und die hausarztzentrierte Versorgung im Sinne einer Hausarztpraxiszentrierten Versorgung (Teampraxis) als zukunftsfähiges innovatives Konzept weiterzuentwickeln.
Neue IT-Technik erst nach Testungen!
Die Delegierten des Deutschen Hausärzteverbandes fordern die gematik auf, jegliche Neueinführungen von Chipkarten, Technik und sonstigen IT-Komponenten erst nach umfassenden Testungen in der Versorgung über mindestens ein halbes Jahr unter Einbindung einer relevanten Anzahl von Arztpraxen, Apotheken, Patienten und anderen involvierten Leistungserbringern und Partnern vorzunehmen. Dabei muss eine Prüfung auf Fehlerfreiheit und Praktikabilität der Prozesse stattfinden.
Bürokratie abbauen und Bagatellgrenzen anheben
Die Delegiertenversammlung des Deutschen Hausärzteverbandes fordert die Partner der Gemeinsamen Selbstverwaltung und hierbei insbesondere das KV-System auf, die Prozesse in der vertragsärztlichen Versorgung deutlich zu vereinfachen und zu entbürokratisieren.
Dazu sollten die Regeresse bei den Arzneimittelverordnungen in der vertragsärztlichen Versorgung komplett abgeschafft werden. Auf jeden Fall sollten jedoch die Bagatellgrenzen bei den Arzneimittelregressen auf eine angemessene Höhe angehoben werden, sodass Klein- und Kleinstbeträge keine umfänglichen Prüfverfahren auslösen.
Weiterbildung, Evaluation jetzt!
Die Delegiertenversammlung des Deutschen Hausärzteverbandes fordert den Vorstand der Bundesärztekammer auf, nochmals auf die Vorstände der Landesärztekammern einzuwirken, dass diese eine bundeseinheitliche regelmäßige Evaluation der Weiterbildung im eLogbuch durchführen.
Aus den Evaluationsergebnissen sind Konsequenzen zu ziehen, um die Weiterbildung stetig zu verbessern.
Kodiervorgaben
Die Delegierten des Deutschen Hausärzteverbandes fordern den Gesetzgeber auf, die Kodiervorgaben nach Paragraf 295 Abs. 4 SGB V zu überarbeiten.
Seit 1. Januar 2022 muss jede einzelne Dauerdiagnose jedes Quartal hinsichtlich ihrer Behandlungsrelevanz für den aktuellen Konsultationsanlass überprüft und neu aktiviert werden. Dies widerspricht grundlegend dem ganzheitlichen Behandlungskonzept in der Hausarztpraxis und führt zu einem unverhältnismäßigen, zusätzlichen und überbordenden Bürokratieaufwand.
Zudem werden die Softwarehersteller (PVS) bis zur gesetzlichen Überarbeitung aufgefordert, Lösungen anzubieten, diesen neuen Bürokratieaufwand in der Umsetzung auf ein Minimum zu reduzieren, um die gesetzlich angeordnete Beschneidung der wertvollen Ressource “Zuwendungszeit für Patientinnen und Patienten” durch diese neue Kodiervorgabe nicht noch unnötig zu verschärfen.
Ärztliche Gesundheit – Fehlzeiten in Aus- und Weiterbildung
Die Delegierten des Hausärzteverbandes fordern den Vorstand der Bundesärztekammer auf, eine Änderung des Paragrafen 4 Abs. 4 der (Muster-)Weiterbildungsordnung zu realisieren, so dass Fehlzeiten bis zu sechs Wochen als Weiterbildungszeit anerkannt werden, formuliert als: “Fehlzeiten von bis zu sechs Wochen werden pro Weiterbildungsjahr, insbesondere wegen Krankheit (einschließlich Kinderkrankentage), Schwangerschaft oder Elternzeit auf die Weiterbildung angerechnet.” Erholungsurlaub stellt keine Unterbrechung dar.
Ebenso fordern die Delegierten des Hausärzteverbandes den Gesetzgeber auf, eine Änderung des Paragrafen 3 Abs. 3 der Approbationsordnung für Ärzte (letzte Änderung vom 22.09.2021) zu realisieren, so dass Fehlzeiten bis zu sechs Wochen als Ausbildungszeit anerkannt werden, formuliert als: “Fehlzeiten von bis zu sechs Wochen werden anteilig auf das Praktische Jahr, insbesondere wegen Krankheit (einschließlich Kinderkrankentage), Schwangerschaft oder Elternzeit auf die Ausbildung angerechnet.”
Die nicht krankheitsbedingten Fehlzeiten von 30 Tagen bleiben zusätzlich bestehen.
Abschaffung des Paragrafen 219a StGB
Die Delegiertenversammlung des Deutschen Hausärzteverbandes fordert die Ampel-Koalition auf, den Gesetzentwurf zur Streichung des Paragrafen 219a StGB zeitnah zu verabschieden und umzusetzen.
red