Berlin. Der Deutsche Ethikrat hält es für falsch, die Corona-Einschränkungen für Geimpfte früher zu beenden. “Zum gegenwärtigen Zeitpunkt verbietet sich die individuelle Rücknahme staatlicher Freiheitsbeschränkungen nach Ansicht des Ethikrates schon deshalb, weil die Möglichkeit einer Weiterverbreitung des Virus durch Geimpfte nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden kann”, heißt es zur Veröffentlichung einer aktuellen Ad-hoc-Empfehlung am Donnerstag (4.2.). Es müsse erst geklärt werden, ob von geimpften Menschen weiterhin eine Ansteckungsgefahr ausgehe oder nicht, sagte auch die Vorsitzende des Ethikrates, Alena Buyx, zur Vorstellung in Berlin.
Der nun vorgelegte rechtsethische Rahmen wurde gemeinsam von Ethikrat, Ständiger Impfkommission (STIK) und Nationaler Akademie der Wissenschaften Leopoldina erarbeitet.
“Eine vorherige individuelle Rücknahme nur für Geimpfte” wäre auch mit Blick auf die allgemeine Akzeptanz der Maßnahmen nicht richtig. Das Befolgen von Regelungen wie Maske-Tragen oder Abstand halten könne man auch Geimpften weiterhin zumuten, wenn das notwendig sei.
Auf die Frage, ob man von “Privilegien” für geimpfte Menschen sprechen solle, sagte Buyx: “Ich würde mich freuen, wenn man den Begriff nicht mehr benutzen würde.” Er sei unpräzise und sorge für eine unnötige Verschärfung der öffentlichen Debatte. Auch gegen die sogenannten Immunitätsausweise, die kurzzeitig diskutiert worden waren, hatte sich der Rat klar ausgesprochen.
Ausnahme: Pflege- und Altenheime
Wichtig ist, dass der Ethikrat seine insgesamt kritische Beurteilung explizit nicht auf Bewohnerinnen und Bewohner von Pflege-, Behinderten- oder Alteneinrichtungen überträgt.
“Die in solchen Einrichtungen geltenden Beschränkungen von Besuchs- und Kontaktmöglichkeiten sollten für die dort Lebenden aufgehoben werden, sobald sie geimpft wurden”, heißt es. “Angesichts der erheblichen Belastungen, welche diese Personengruppe bereits im Verlauf der Pandemie erlebt hat, kann dies ethisch gerechtfertigt werden.”
Konzerte nur für Geimpfte durchaus möglich
Der Rat betonte, es müsse zwischen staatlichen Maßnahmen und Vorgaben von Unternehmen unterschieden werden. Private Anbieter hätten zwar grundsätzlich Vertragsfreiheit. Wenn es um die “gleichberechtigte Teilhabe am Leben” gehe, sollte es jedoch aus Sicht des Rates keine Ungleichbehandlung geben.
Wenn aber beispielsweise nach einer generellen Wiedereröffnung von Konzerthallen ein Veranstalter entscheiden sollte, nur Geimpften den Zugang zu erlauben, so wäre dies durchaus möglich. “Daraus ergibt sich aber keine Impfpflicht durch die Hintertür”, betonte Buyx. Schließlich wäre es etwa denkbar dann Tests als Alternative anzubieten.
“Wenn es genug Impfstoff gibt und jeder sich impfen lassen kann, dann sollten privatwirtschaftliche Veranstalter auch die Möglichkeit haben, eine Impfung zur Zugangsvoraussetzung für Veranstaltungen zu machen”, sagte am Tag zuvor Eventim-Chef Klaus-Peter Schulenberg. Das Ticketverkaufs-Unternehmen habe bereits seine Systeme so eingerichtet, dass diese auch Impfausweise lesen könnten, kündigte er an.
Kein Vorzug von Profisportlern
Eine bevorzugte Impfung von Profisportlern, die an den Olympischen Spielen oder anderen internationalen Meisterschaften teilnehmen, ist aus Sicht des Deutschen Ethikrates nicht vertretbar. “Profisportler haben aus sich selbst heraus im Vergleich zu den Hochrisikogruppen deutlich geringere Risiken und setzen sich selbst auch nicht für andere Risiken aus. Deswegen würde ich sagen, dass Profisportler nicht unter diese Priorisierungsregeln fallen und man da nicht eine Art von Sonderausnahme machen sollte”, sagte Buyx.
Der Ethikrat ist ein Gremium, das mit seinen Stellungnahmen Orientierung für Politik und Gesellschaft geben soll. Seine Mitglieder des Ethikrates werden vom Bundestagspräsidenten ernannt.
Mit Material von dpa