Covid-19-TeststrategieDas sind die 9 neuen Testszenarien

Gesundheitsminister Spahn hat seine Testverordnung im Kampf gegen das Coronavirus überarbeitet - und dabei Antigentests mit aufgenommen. Für Hausärzte wird es mitunter unübersichtlicher, doch es gibt auch Vorteile. „Der Hausarzt“ stellt alle Testszenarien vor.

Ein Abstrich - und sofortige Gewissheit? Die neue Testverordnung sieht Antigentests zwar vor, jedoch nicht ohne Einschränkungen.

Berlin. Die Teststrategie in der Corona-Pandemie ist ab sofort deutlich differenzierter und empfiehlt explizit Antigentests neben den bereits angewendeten PCR-Tests. Sie enthält zudem eine klare Priorisierung, etwa in Bezug auf die vorhandenen PCR-Testkapazitäten. Für Personal in Arztpraxen und Kliniken sind in Regionen mit hohen Fallzahlen wiederkehrende Tests vorgesehen; diese werden über die Testung etwa von Reiserückkehrern gestellt. Eine solche Priorisierung hatten Hausärztinnen und Hausärzte zuletzt vermisst, wie sie gegenüber “Der Hausarzt” äußerten.

Dieser mehrstufige Ausbau der am Donnerstag (15. Oktober) in Kraft getretenen nationalen Teststrategie des Bundesgesundheitsministeriums dürfte in der Praxis zunächst zu neuer Unübersichtlichkeit führen. Bei genauem Hinsehen jedoch bietet sie nicht nur Orientierung, sondern auch Vorteile für die Praxis: Zuletzt hatten Hausärztinnen und Hausärzte etwa die Testung ihres Personals ohne Ausbruchsgeschehen auf eigene Kosten organisieren müssen. Dies ist nun zumindest in “Hotspots” kostenfrei möglich. Das Ministerium stellt eine einseitige Übersicht zu den verschiedenen Szenarien zur Verfügung.  

Symptomatische Patienten haben Priorität

Wichtig für die Praxis: Bei allen höher priorisierten Personengruppen – also symptomatischen Personen, Kontaktpersonen sowie bei Tests nach einem Ausbruchgeschehen – ist der PCR-Test weiterhin die empfohlene Art der Testung! So sollen bei symptomatischen sowie Kontaktpersonen Antigentests ausdrücklich nur zum Einsatz kommen, wenn die PCR-Kapazität begrenzt ist oder ein Testergebnis schnell vorliegen muss.

Ein positiver Antigentest muss immer durch einen positiven PCR-Test bestätigt werden, erinnert das Robert Koch-Institut (RKI). Dieser ist dann ebenfalls Kassenleistung als Anspruch der ambulanten oder stationären Krankenbehandlung.

“Testen, Testen, Testen – aber gezielt!“, bringt das RKI die ausgebaute Strategie auf den Punkt. Zentrales Element der Testverordnung sind Massen-Antigenschnelltests (POCT, Point-of-Care-Test) vor allem für asymp­tomatische Mitarbeiter in Arztpraxen, Pflegehei­men, Krankenhäusern, aber unter bestimmten Umständen auch für Besucher von Pflegeheimen.

Die Kosten müssen die Be­troffenen nicht selbst tragen, sie werden aus dem Gesundheitsfonds gezahlt. Wichtig: Die Kostenübernahme gilt auch für Personen, die nicht gesetzlich versichert sind. Die Testverordnung sieht vor, dass Ärzte für die Sachkosten von ihnen selbst beschaffter PoC-Antigen-Schnelltests “höchstens 7 Euro je Test” extrabudgetär bekommen. Für die Abstrichentnahme, das Gespräch sowie die Ergebnismitteilung und ggf. eine ärztliche Bescheinigung soll es 15 Euro pro Test extrabudgetär geben.

Noch keine EBM-Ziffer

Allerdings gibt es im EBM bisher keine Abrechnungsposition für Antigen-Schnelltests bei asymptomatischen Personen. Die neue 32779 EBM gilt nur für Antigentests im Labor. Bis 12. November soll die Kassenärztliche Bundesvereinigung Abrechnungsweg und nötige Vordrucke regeln. Die KV Schleswig-Holstein rät Praxen daher, bis dahin diese Testungen in einer Excelliste zu dokumentieren und diese dann später für die Abrechnung nachzutragen.

Vorgesehen hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in seiner Verordnung bis zu 20 Tests pro Be­wohner / Patient. Eine Pflegeeinrichtung mit 80 Bewohnern könnte also bis zu 1.600 Tests im Monat nut­zen, um Besucher, Personal und Bewohner wieder­holt zu testen. In einem ersten Entwurf waren noch 50 Tests je Bewohner vorgesehen.

Update (20.10.): Die KBV hat eine Übersicht zu Abrechnung und nötigen Formularen zur Testung asymptomatischer Personen nach der neuen Testverordnung zur Verfügung gestellt.

PCR-Test bleibt oft Goldstandard, Antigentests nur Ausnahme

Das RKI stellt dabei klar, dass die Antigentests aufgrund ihrer geringeren Sensitivität und Spezifität „nur unter bestimmten Voraussetzungen eine sinnvolle Ergänzung zu anderen Maßnahmen“ sein können. Problematisch bleibt weiterhin die Quote falsch-negativer Ergebnisse. Denn: Damit ein Antigentest ein positives Ergebnis anzeigt, ist im Vergleich zur PCR-Testung eine größere Viruslast notwendig (niedrigere Sensitivität). Das bedeutet, dass ein negatives Antigen-Testergebnis die Möglichkeit einer Infektion mit SARS-CoV-2 nicht ausschließt.

“Deshalb sollten diese Tests nur bei Personen angewendet werden, bei denen ein falsch negatives Ergebnis nicht zu schwerwiegenden Konsequenzen führt (etwa ein nicht erkannter Eintrag einer Infektion bei Aufnahme in einem Krankenhaus)”, schreibt das RKI. Hier zeichnet sich also ein Konflikt zur Testverordnung ab: Gerade bei Besuchern von Alten- und Pflegeeinrichtungen, für die das Ministerium Antigentests empfiehlt (siehe unten Gruppe g) und die durch den Test unter Umständen eine vermeintliche “Entwarnung” angezeigt bekommen, könnten sich durch ein falsch negatives Ergebnis in falscher Sicherheit wiegen.

Außerdem ist ein Antigen-Schnelltest nicht so spezifisch wie ein PCR-Test, das heißt es kommt häufiger als bei der PCR vor, dass ein positives Ergebnis angezeigt wird, wenn die Person gar nicht infiziert ist. Das hätte zwar für den Einzelnen Konsequenzen, wäre zur Infektionsverhütung jedoch weniger schlimm. Hinzu kommt, für den Einzelnen gäbe es auch schnell Entwarnung, da ein positiver Antigentest laut RKI auf jeden Fall mit PCR kontrolliert werden soll.

Alle zurzeit auf dem Markt befindlichen Antigen-Schnelltests müssen von geschultem, medizinischen Personal durchgeführt werden.

Wichtig für die Praxis: Auch wenn Antigentests vor allem an asymptomatischen Personen zum Einsatz kommen sollen, muss die Testung unter Einhaltung aller Arbeitsschutzvorschriften geschehen, erinnert das RKI. Sprich: Ärztinnen und Ärzte sowie ihre Medizinischen Fachangestellten (MFA) sollten Schutzausrüstung analog zur PCR-Testung tragen.

Eine sichere Testumgebung zu schaffen, sei vor allem bei den vorgesehenen Tests in Pflegeheimen essenziell, jedoch nicht einfach sicherzustellen, erinnerte der Berufsverband Deutscher Laborärzte (BDL) am Donnerstag.

Neben symptomatischen Personen, denen in der Strategie höchste Priorität zukommt (s. oben), sollen folgende acht asymptomatische Personengruppen getestet werden:

a) Kontaktpersonen

  • Empfohlen: PCR-Test
  • Antigen-Tests in Ausnahmefällen, z.B. bei begrenzter PCR-Kapazität oder in dringenden Fällen zur Überbrückung der Wartezeit auf das Ergebnis einer gleichzeitig eingeleiteten PCR-Untersuchung.
  • Hinweis des RKI: Testungen während der Inkubationszeit sollten im Einzelfall wiederholt werden.

Wer zu dieser Kategorie zählt, wurde mit der Teststrategie ebenfalls überarbeitet, so hat sich unter anderem die Länge des Kontaktzeitraums von bisher 14 auf zehn Tage verkürzt. Neu aufgenommen sind Personen, die in den letzten zehn Tagen „durch die räumliche Nähe“ zu einer infizierten Person „mit hoher Wahrscheinlichkeit einer relevanten Konzentration von Aerosolen auch bei größerem Abstand ausgesetzt“ gewesen sind. Das gelte etwa für Feiern oder gemeinsames Singen.

b) Bei bestätigter Infektion in Arztpraxen, Kliniken, Pflege- und Rehaeinrichtungen

  • Empfohlen: Bewohner, Betreute, Patienten, ggf. Besucher und das gesamte Personal zeitnah mittels PCR testen
  • Bei PCR-Kapazitätsmangel oder zur sofortigen Entscheidung hinsichtlich der Einleitung einer Kohorten-Isolierung können Antigen-Schnelltests durchgeführt werden.
  • Bei Verfügbarkeit können auch labor-basierte Antigentests zum Einsatz kommen.

c) Bei bestätigter Infektion in Schulen, Kitas, JVA

  • Empfohlen: PCR-Test
  • (Labor-basierte) Antigentests sind möglich, etwa zur sofortigen Entscheidung hinsichtlich der Einleitung einer Kohorten-Isolierung oder bei PCR-Kapazitätsmangel

d) Personal in Arztpraxen OHNE Covid-19-Fall

  • Empfohlen: Regelmäßige vorsorgliche (Reihen-)Testungen in Gebieten mit einer erhöhten Inzidenz (z.B. 7-Tage-Inzidenz >50/100.000) mit (labor-basierten) Antigentests “zur Entlastung von PCR-Kapazitäten”; jedoch sind auch PCR-Testungen möglich.

e) Personal in Kliniken, Pflege- und Rehaeinrichtungen OHNE Covid-19-Fall

  • In Gebieten mit einer erhöhten Inzidenz (z.B. 7-Tage-Inzidenz >50/100.000) soll in Abstimmung mit der lokalen Gesundheitsbehörde vermehrt getestet werden.
  • Empfohlen: Mitarbeiter, die Patienten und Bewohner oder möglicherweise auch COVID-19-Patienten betreuen, in Abhängigkeit vom jeweiligen Testkonzept der Einrichtung regelmäßig testen.
  • Regelmäßige vorsorgliche (Reihen-)Testungen von Personal im Rahmen z.B. von betriebsärztlichen Untersuchungen sind möglich. Für eine regelmäßige Reihentestung sieht die Rechtsverordnung einen Anspruch auf Testung einmal in der Woche vor.
  • Werden hierzu Antigentests verwendet, sollte laut RKI ein Test mit einer sehr hohen Spezifität (>98 %) zum Einsatz kommen; positive Ergebnisse mit PCR bestätigen!

f) Patienten in Kliniken, Pflegeheimbewohner, Betreute in Dialysezentren OHNE Covid-19-Fall

  • Empfohlen: PCR-Test vor (Wieder-) Aufnahme sowie vor ambulanten Operationen. Nach der Aufnahme ist empfohlen, in gewissem Abstand abhängig vom Testkonzept der Einrichtung des Unternehmens zu testen (in Abstimmung mit der lokalen Gesundheitsbehörde stichprobenartig und anlassbezogen, nur im Fall einer erhöhten regionalen Inzidenz (z.B. 7-Tage-Inzidenz >50/100.000).
  • Antigentests in Ausnahmefällen, z.B. bei begrenzter PCR-Kapazität oder in dringenden Fällen

g) Asymptomatische Besucher von Pflegeheimen oder Kliniken

  • Empfohlen: Im Fall einer erhöhten Inzidenz (z.B. 7-Tage-Inzidenz >50/100.000) in einer Region ist in Abstimmung mit der lokalen Gesundheitsbehörde ein Antigen-Schnelltest unmittelbar vor Besuch der Einrichtung empfohlen. Eine solche Testung kann bis zu einmal wöchentlich durchgeführt werden.
  • Wichtig: Ein negatives Testergebnis gilt nur für den Besuchstag.
  • Eine PCR-Testung bleibt möglich, dürfte aufgrund des zeitlichen Verzugs – Hausärztinnen und Hausärzte berichten aus allen Regionen Deutschlands eine Wartezeit bis zum Testergebnis von bis zu fünf Tagen gegenüber “Der Hausarzt” – weniger attraktiv sein.

Besonders in diesem Szenario zeigt sich jedoch das Risiko eines unkritischen Einsatzes der Antigentests (siehe oben).

h) Reisende aus Risikogebieten

Die zur Reisesaison eingeführte Regelung, dass sich Rückkehrer aus einem ausländischen Risikogebiet testen lassen müssen und dies bezahlt bekommen, läuft mit der Neuregelung zum 15. Oktober aus.

Asymptomatische Personen haben künftig innerhalb von zehn Tagen nach der Rückkehr an ihren Heimatort Anspruch auf Testung, wenn sie sich zu einem beliebigen Zeitpunkt in den letzten 14 Tagen vor der Einreise in einem Risikogebiet (im Ausland oder an einem innerdeutschen “Hotspot”, gemessen an 7-Tage-Inzidenz >50/100.000) aufgehalten haben.

  • Empfohlen: PCR-Test
  • Antigentest ist ebenfalls möglich

Wichtig: Zeitgleich zur neuen Testverordnung wurde zudem eine neue Musterquarantäneverordnung vom Bundeskabinett verabschiedet, wonach die Zeiträume für die vorgeschriebene Quarantäne angepasst wurden. Diese beträgt künftig prinzipiell zehn Tage nach der Einreise in die Bundesrepublik aus einem Risikogebiet (vorher: 14 Tage). Auf die neue Zeitspanne hatten sich die EU-Gesundheitsminister Anfang September 2020 gemeinsam verständigt, heißt es in der Quarantäneverordnung.

Da die Inkubationszeit laut WHO fünf bis sechs Tage betrage, sei eine Testung zudem erst nach fünf Tagen zielführend. “Nur so kann ausgeschlossen werden, dass Ansteckungen in den letzten Tagen im Risikogebiet unerkannt bleiben und zu weiteren Ansteckungen nach Einreise in das Bundesgebiet führen.” Sprich: Reiserückkehrer aus Risikogebieten müssen künftig mit einer Quarantäne von mindestens fünf Tagen rechnen. Der Test kann laut Verordnung erst am fünften Tag vorgenommen werden, sofern nicht bereits bei Einreise ein nicht länger als 48 Stunden vorliegendes negatives Ergebnis vorgewiesen werden kann. Da ein PCR-Test empfohlen wird, ist zudem mit der Zeit bis Vorliegen des Testergebnisses zu planen.

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