Berlin. Ab Samstag (1. August) kann sich jeder, der aus dem Ausland nach Deutschland einreist, binnen 72 Stunden kostenfrei in einer Arztpraxis oder bei seinem zuständigen Gesundheitsamt auf das Coronavirus testen lassen. Für den Abstrich erhalten Hausärztinnen und Hausärzte pauschal 15 Euro. Das sieht eine am Freitag (31. Juli) durch Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) unterzeichnete Erweiterung der Test-Verordnung vor, die wieder einmal nur einen Tag später in Kraft tritt.
Anders als zwischenzeitlich vorgesehen sollen die Tests nicht mehr nur ausschließlich Hausärzte durchführen, sondern “die niedergelassenen Ärzte und die von den Kassenärztlichen Vereinigungen betriebenen Testzentren”. Nichtsdestotrotz dürfte auf dem Höhepunkt der Reisezeit vor allem auf Hausarztpraxen ein neuer Ansturm zukommen. Denn auch schon bisher haben fast ausschließlich Hausärzte die Tests gestemmt. Und die Termine in einigen Testzentren sind bereits für eine Woche ausgebucht, berichten Hausärzte gegenüber “Der Hausarzt”.
Wichtig: Die Vergütung in Höhe von 15 Euro deckt laut der Verordnung explizit “alle mit der Testung verbundenen ärztlichen Leistungen mit Ausnahme der labordiagnostischen Leistungen” ab, weitere Leistungen wie Grund- oder Versichertenpauschale dürfen nicht abgerechnet werden.
Die Abrechnung erfolgt über die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung (KV), die dem Gesundheitsministerium jeden Monat über die KBV die bei ihnen abgerechnete Zahl mitteilen muss. Sprich: Es ist zu erwarten, dass für diese Meldung eine neue Abrechnungsziffer geschaffen werden muss. Für das genaue Prozedere hat die Selbstverwaltung bis 8. August Zeit.
Der Deutsche Hausärzteverband übt an der veränderten Test-Verordnung deutliche Kritik. Die vorgesehene Vergütung von 15 Euro wirke angesichts des Behandlungskomplexes wie ein “schlechter Scherz”, betont Bundesvorsitzender Ulrich Weigeldt. “Das ist eine Geringschätzung dessen, was die Kolleginnen und Kollegen hier zu leisten haben und leisten.”
Kommt jetzt der Test-Ansturm auf Hausarztpraxen?
Denn: Auch wenn explizit alle Fachgruppen testen dürfen, werden mit der Änderung vor allem Hausärztinnen und Hausärzte als gewohnte erste Ansprechpartner besonders gefragt. Bislang war vorgesehen, Reiserückkehrer aus Risikogebieten bereits am Flughafen “abzufangen” und sie dort in eigens dafür eingerichteten Testzentren zu testen. Dies ist formal auch weiter möglich.
Doch während an einigen Flughäfen bereits solche Stellen installiert wurden, stockt der Aufbau an anderen Stellen auch aufgrund von Finanzierungsfragen. Mit der neuen Überarbeitung der Test-Verordnung überträgt Spahn die Kostenfrage von den Ländern auf die vertragsärztliche Versorgung; damit dürften auch Risiko-Reisende vermehrt in der Hausarztpraxis aufschlagen.
Mit einer weiteren Anordnung wird Spahn zudem “Einreisende aus Risikogebieten auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes verpflichten, sich auf Aufforderung durch die zuständigen Behörden testen zu lassen“, kündigte das Ministerium am Freitag (31. Juli) an. Diese Anordnung befinde sich in Abstimmung mit den Ländern und soll voraussichtlich im Laufe der kommenden Woche in Kraft treten.
Nicht nur aufgrund der außerordentlich hohen Zahl an Fällen, die dadurch noch verschärft werden dürfte, ergibt sich für Hausärztinnen und Hausärzte eine neue Herausforderung. Den hohen Aufwand im Praxisalltag verdeutlicht Hausärzte-Chef Weigeldt anhand eines Beispiels: „Montagmorgen klingelt – im besten Fall – das Telefon, am Apparat Herr Schmidt; im schlimmsten Fall steht er mit der ganzen Familie plötzlich mitten im Wartezimmer, in dem bereits andere Patienten warten. Sie sind seit Freitag aus dem Urlaub zurück und nun drängt die Zeit, denn die 72 Stunden, um sich testen zu lassen, enden am Nachmittag. Was kann der Hausarzt jetzt tun?
Im günstigsten Falle kriegt er den Patienten noch irgendwo unter, wobei er natürlich streng darauf achten muss, das Ansteckungsrisiko für die anderen Patientinnen und Patienten so gering wie möglich zu halten. Dann heißt es Schutzausrüstung anziehen, Abstrich nehmen und Aufklärungsgespräch über Hygienemaßnahmen, Validität der Tests und deren Konsequenz führen. Im Anschluss dann die Räume lüften und desinfizieren.“
Teils neues Formular nötig
Zusätzlicher bürokratischer Aufwand kann sich außerdem durch den Passus ergeben, dass die Einreise innerhalb der zurückliegenden zwar nur „glaubhaft“ versichert werden muss. Wie dies genau geschieht, kann jedoch unterschiedlichen Mustern folgen. In Westfalen-Lippe etwa müssen Ärzte ihre Patienten dafür eine schriftliche Auskunft erteilen lassen – damit gilt es ein weiteres Formular in der Praxis parat zu halten und zu archivieren.
In diesem Zuge stellt Weigeldt auch die Frage, „ob die Hausärztinnen und Hausärzte überhaupt die Ressourcen haben, dies zu leisten“. Dies deckt sich mit Erfahrungsberichten von Hausärzten im Gespräch mit „Der Hausarzt“: Selbst in Praxen, die in der vergleichsweise komfortablen Situation sind, durch bauliche Maßnahmen eigene „Abstrichstellen“ installiert zu haben, wird der Aufwand – neben dem Führen der „normalen“ Sprechstunde – als enorm wahrgenommen.
Erste Hausärzte deuten dabei bereits an, dies für 15 Euro nicht aufrechterhalten zu können. Denn es werden zwei bis drei Arbeitskräfte für Organisation und Abwicklung der Tests gebunden. Gleichzeitig sind die Sprechstunden mit der Versorgung von kranken Patienten in vielen Praxen wieder voll ausgelastet. Sprich: Es ist einerseits ein organisatorisches und zeitliches Problem, eine “Abstrich-Stunde” unterzubringen – und andererseits ist die reguläre Krankenversorgung besser bezahlt als die 15 Euro pro Abstrich.
Wichtig: Die Leistungen werden laut der Verordnung “durch die niedergelassenen Ärzte und durch die von den Kassenärztlichen Vereinigungen betriebenen Testzentren sowie durch die von diesen beauftragten labormedizinischen Leistungserbringer erbracht”. Aber: Dies ist keine Pflicht, sondern eine Berechtigung, erinnert Hausärzteverbands-Justiziar Joachim Schütz auf twitter.
Auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hatte in der Verbändeanhörung auf die zu niedrige Vergütung – in einer zwischenzeitlichen Fassung waren zehn Euro vorgesehen – kritisiert. Sie hatte darauf verwiesen, dass in den entsprechenden Vereinbarungen auf Landesebene (etwa für Kita- und Lehrertestungen), 25 Euro für die Abstrichentnahme vereinbart werden konnten.
Der dort gefundene Preis orientiere sich an der GOÄ-Lösung, die zuzüglich der Hygienepauschale die vorstehende Größenordnung erreiche. “Sollte hier keine Veränderung erreicht werden, erscheint es als ausgeschlossen, dass Vertragsärzte die Abstriche wirtschaftlich erbringen und übernehmen können. Damit erscheint das mit der Änderung intendierte Ziel gefährdet.”