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Forum PolitikDänemark: Blaupause für E-Health

Skandinavien und E-Health, das passt zusammen: endlose Weiten, kaum Patienten. Dänemark ist völlig anders und trotzdem ein Vorreiter. Während bei uns mit dem E-Health-Gesetz der Startschuss jetzt erst gefallen ist, zeigen unsere nördlichen Nachbarn seit zehn Jahren, wie E-Health in der Praxis funktioniert.

Der Blick auf die Statistik verrät die Unterschiede zwischen den skandinavischen Ländern: Island 3,2 Einwohner pro km², Norwegen 13 Einwohner pro km², Finnland 16 Einwohner pro km², Schweden 22 Einwohner pro km², Dänemark 130 Einwohner pro km². Dänemark ist viel mitteleuropäischer als alle anderen Skandinavier – zum Vergleich: Frankreich hat 98 Einwohner pro km², Deutschland 227. Deshalb taugt es auch viel mehr zum Maßstab als die anderen skandinavischen Staaten. Auch und gerade im Bereich E-Health gibt es durchaus eine Menge Dinge, die wir von unseren nördlichen Nachbarn lernen können.

Beeindruckend ist vor allem, wie die Dänen die Versorgungsschritte des Alltags konsequent digital umsetzen. Das elektronische Rezept und die elektronische Überweisung gehörten eigentlich schon zum Pflichtenheft, als in den frühen 2000er-Jahren in Deutschland die ersten Konzepte für die elektronische Gesundheitskarte auftauchten. Was hat sich seitdem getan? Wenig bis nichts …

Ganz anders in Dänemark. Hier sind Praxen, Kliniken und Patienten miteinander vernetzt. Ob Überweisung zum Facharzt, Einweisung ins Krankenhaus oder Entlassungsbrief an den Hausarzt, Anforderung von Labortests oder ihre Auswertung, Rezepte für die Apotheke oder Rehabilitationspläne – alles wird elektronisch abgewickelt und ist jederzeit für den Patienten einsehbar.

In der Praxis funktioniert das so: Sowohl für das elektronische Rezept als auch für die Überweisung und andere Vorgänge gibt es einen Hub, in dem die Vorgänge zwischengespeichert werden. Verordnet ein Arzt ein Präparat, wird es in dieser gesicherten Cloud gespeichert und kann mit der ID des Patienten von jeder Apotheke abgerufen werden. Das erspart lästige Medienbrüche, denn natürlich wird in der Arztpraxis und in der Apotheke auch bei uns alles elektronisch verwaltet.

Und es erleichtert moderne Versorgungsformen wie Integrierte Versorgung, Disease Management, evidenzbasierte Medizin oder das Qualitätsmanagement wesentlich.

Abgewickelt wird das alles über sundhed.dk (was übersetzt Gesundheit heißt). Das Portal ist die Schnittstelle zwischen Bürgern (auch als Patienten) und allen Gesundheitsberufen. Der öffentliche Bereich zeigt allgemeine Gesundheitsinformationen und einen Krankenhaus- und Praxisnavigator – auch mit Angaben über Wartefristen und erreichte Qualitätsstandards. Patienten können über das Portal direkt Termine bei Hausärzten vereinbaren, Hausärzte wiederum können passende Spezialisten suchen und ihre Patienten gleich anmelden.

Im zugangsgeschützten Bereich können Patienten auf ihre gespeicherten Daten zugreifen: Diagnosen, Medikamentenlisten, Röntgenbefunde, Labortests, Überweisungen und mehr. Mit Zustimmung des Patienten können auch behandelnde Ärzte auf die Daten zugreifen, zudem ist sicherer E-Mail-Verkehr zwischen Arzt und Patient möglich plus der oben beschriebene Datenaustausch zwischen den verschiedenen Beteiligten. Neben elektronischem Rezept und Überweisungen zählen dazu unter anderem auch Terminverschiebungen und die komplette Abrechnung. Möglich macht das eine elektronische Patientenakte, die im dänischen System e-journalen heißt und der eigentliche Kern der persönlichen Dienste ist.

Aktuell wird sundhed.dk-Plattform zudem für weitere telemedizinische Beratungen ausgebaut. Dazu gehören Video-Dienste, damit zum Beispiel ältere Menschen länger zu Hause betreut und begleitet werden können. Auch medizinische Falldiskussionen, etwa zwischen Haus- und Fachärzten über die Versorgung chronisch kranker Patienten, werden bei sundhed.dk implementiert – und damit selbstverständlicher Teil der Versorgungslandschaft.

Zuständig für Betrieb und Weiterentwicklung ist Medcom – eine Non-Profit-Organisation, die durchaus mit unserer Gematik vergleichbar ist. Im Auftrag des Gesundheitsministeriums kümmert sie sich um die Entwicklung von Standards, welche die Hersteller von Praxisverwaltungssoftware (PVS) dann in ihre Systeme integrieren. Nun hat Dänemark den großen Vorteil eines staatlichen Gesundheitssystems, in dem viele Entscheidungen top down verkündet werden können, statt sie mühevoll von unten nach oben durch die Institutionen zu bringen. Trotzdem stellt sich die Frage: Warum macht man sich nicht einfach existierende Standards zunutze?

Die Software ist offen dokumentiert und wird nach Angaben der Dänen ohne Kosten lizenziert. Und die Hersteller von PVS sind in Deutschland und Dänemark weitgehend die gleichen, auch wenn die Produkte anders heißen – sie haben also bereits Erfahrung damit. Vielleicht wäre es jetzt endlich an der Zeit, bewährte Konzepte zu nutzen.

Das sagen Hausärzte: zwei Fragen, zwei Antworten

Wir haben uns bei dänischen Hausärzten erkundigt, wie sie die E-Health-Anwendungen beurteilen und wie E-Health ihren Arbeitsalltag verändert hat.

Palle Mark Christensen: Die analogen Tage sind schon so lange vorbei, dass ich mich kaum mehr daran erinnern kann (lacht). Nein im Ernst: Am wichtigsten ist es, dass wir heute fast in Echtzeit (oder zumindest innerhalb des gleichen Tages) kommunizieren – mit unseren Mitarbeitern genauso wie mit den Spezialisten in Krankenhäusern, den Krankenschwestern und den lokalen Betreuern. Denn diese sind es oft, die Patienten über die medizinischen Texte und/oder verschreibungspflichtige Arzneimittel informieren. Im direkten Patientenkontakt hilft es vor allem den Patienten mit chronischen Krankheiten. Wenn ein Patient einmal einen Check-up-Termin vergisst, sind wir in der Lage, proaktiv mit ihm in Kontakt zu treten und sicherzustellen, dass er zur passenden Zeit einen Termin erhält.

Jens Parker: Der größte Unterschied: Man spart eine Menge Zeit und hat gleichzeitig einen besseren Überblick über die Krankheitsgeschichte des Patienten. Ich glaube nicht, dass die elektronischen Anwendungen direkten Einfluss auf die Behandlungsqualität haben. Aber die elektronische Kommunikation macht alles schneller und besser nachverfolgbar. Als Hausärzte sind wir in Dänemark zum Beispiel für die Qualitätsdaten bei der Behandlung von Patienten mit chronischen Krankheiten zuständig, da ist das zentrale Vorhalten der Patientendaten eine kaum zu unterschätzende Hilfe.

Die Autoren:

Ib Johansen ist stellvertretender Direktor von Medcom, Dänemarks öffentlichem E-Health-Dienstleister.

Reinhard Merz ist freier Medizinjournalist.

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