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App-Alarm6 Schritte, wie Hausärzte vorgehen

Die neue Corona-Warn-App ist auf dem Markt. Das Gesundheitsministerium wirbt für eine breite Nutzung – trotz vieler offener Fragen zum Prozedere in der Praxis. „Der Hausarzt“ hat recherchiert, wie Hausärzte bei einer App-Warnung vorgehen können.

Die neue Corona-Warn-App ist ab sofort in den gängigen App-Stores erhältlich.

Berlin. Mehr als 100.000 Android-Nutzer haben die Corona-Warn-App schon wenige Stunden nach ihrem Start am Dienstagmorgen (16.6.) freiwillig heruntergeladen. Bei deren Vorstellung in Berlin lobten Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und alle Beteiligten den Datenschutz und die schnelle Entwicklung.

Zentrale Fragen, wie Hausärzte mit von der App informierten Patienten jetzt umgehen sollen, blieben dabei aber überwiegend unbeantwortet. Unsicherheit bereitet vor allem der Umgang mit alarmierten Personen ohne Symptome. Diese dürften unter den App-Warnungen wahrscheinlich am häufigsten vorkommen.

Immerhin: Seit Montag (15.6.) gibt es bereits neue EBM-Ziffern für Abstriche bei Personen aufgrund einer Corona-App-Warnung. Auch dabei gibt es einiges zu beachten.

Mit der Corona-App kommen für Ärzte, Gesundheitsämter und Labore in der Praxis neue Fragezeichen auf. Die dafür nötigen Vorarbeiten sind auch noch längst nicht abgeschlossen und sollen teils noch 14 Tage bis zu vier Wochen dauern, wie „Der Hausarzt“ am Dienstag erfuhr. Um in der Praxis App-Warnungen einordnen zu können, sollten Hausärzte die Grundfunktion kennen (s. Kasten am Textende).

Woher erhalten Hausärzte den QR-Code für Patienten?

Da sich Hausärzte auch in Corona-Fragen und -Tests bereits als erste Ansprechpartner für Patienten in der Pandemie etabliert haben, geht der Berufsverband der Laborärzte (BDL) davon aus, dass die meisten Personen sich mit einer App-Warnung an ihre Hausärztin oder ihren Hausarzt wenden werden.

Unter „Datenschutz“ ist in der App zu lesen, dass ein Nutzer seinen Test in der App registrieren kann, indem er „den QR-Code, den Sie von Ihrem Arzt bzw. der Testeinrichtung erhalten haben, in der App [Anm.d.R.: über die Handykamera] einscannen“. Die zentrale Frage beim Praxisablauf ist also: Wie kommen Hausärzte an den QR-Code, den sie an den Patienten weitergeben sollen?

Offizielle Angaben etwa der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zum Prozess sind noch in der Abstimmung. Über die Gesprächsergebnisse soll in den nächsten Tagen informiert werden, hieß es am Dienstag. Jedoch lassen sich erste Rückschlüsse aus einer Antwort des Robert Koch-Instituts auf Anfrage von „Der Hausarzt“ und dem aktuellen Informationsschreiben an den BDL ziehen – unter der Maßgabe, dass noch mit Änderungen gerechnet werden muss. Das Schreiben liegt „Der Hausarzt“ vor.

So könnte es in der Praxis ablaufen

Nach Stand vom Dienstag (16.6.) könnten Hausärzte wie folgt vorgehen, wenn Patienten sie wegen einer Alarmierung durch die Corona-Warn-App aufsuchen:

Schritt 1: Patienten sollten sich – wie bisher – am besten telefonisch an die Praxis wenden. So können Praxen aus ihrer Sicht nötige Schutzmaßnahmen ergreifen, zum Beispiel die Betroffenen zur Randzeit der Sprechstunde einbestellen etc.

Schritt 2: Nach Anamnese und Beratung entscheiden Ärzte, ob sie einen Abstrich auf SARS-CoV-2 vornehmen und diesen an ihr Labor schicken. Durch die neue „Test-Verordnung“ ist dies jetzt auch bei Personen ohne Beschwerden und insbesondere infolge einer App-Warnung erlaubt, wie Minister Spahn am Dienstag betonte.

Schritt 3: Als Laborüberweisung verwenden sie hierfür das neue Muster 10c. Dieses befindet sich noch in der Abstimmung, der jüngste Stand liegt „Der Hausarzt“ vor. Demnach ist das Formular zweigeteilt: Oben findet sich die Überweisung von Hausarzt an Labor; den unteren Teil sollen Hausärzte an Patienten weitergeben. Auf beiden Teilen findet sich der QR-Code, damit der Test eindeutig von Labor und App-Nutzer identifiziert werden kann.

Oberer Teil: Auf der Laborüberweisung können Hausärzte ankreuzen, ob der Test „kurativ“ oder nach „App-Kontakt“ erfolgt, Symptome oder ein Kontakt über 15 Minuten besteht. Ebenso ist anzugeben, ob derjenige in einer medizinischen Einrichtung oder bei einem ambulanten Dienst arbeitet. Zudem müssen Ärzte ankreuzen, ob der Patient mit der Übermittlung des Testergebnisses über die App einverstanden ist und dass dieser den Patientenabschnitt erhalten hat. Zudem ist die Telefonnummer des Getesteten für das Gesundheitsamt einzutragen.

Unterer Teil: Der Patientenabschnitt informiert, wie Nutzer den Test in der App registrieren. Zunächst weist er aber darauf hin, dass man die App nutzen soll. Auch daraus könnte man schließen, dass das neue Muster 10c nicht nur für Abstriche nach App-Alarm, sondern alle Corona-PCR-Tests anzuwenden ist. Hierzu wird es sicherlich noch eine Klarstellung geben.

Schritt 4: Zusammen mit dem oberen Teil des Muster 10c schickt der Hausarzt die Probe ans Labor.

Schritt 5: Das RKI hat für Hausärzte ein Merkblatt mit einem sehr groben Ablauf erstellt. Demnach soll nach Veranlassung des Tests nur ein Verdachtsfall gegenüber dem Gesundheitsamt meldepflichtig sein, wenn der Patient auch Symptome aufweist.

Schritt 6: Wenn das Ergebnis vorliegt, informiert das Labor den Hausarzt wie bislang auch über den Befund. So können diese auch mit Patienten das Ergebnis besprechen, die die Warn-App nicht nutzen.

Muster 10c erst in 14 Tagen?

Bis das neue Muster 10c vorliegt, sollen Hausärzte vorübergehend das Muster 10 weiter nutzen und dort die 32811 eintragen. Der BDL rät ihnen zudem, dass sie für die Übergangszeit mit ihrem Labor ein Vorgehen besprechen sollen. Denn dem BDL zufolge soll das neue Muster 10c in der Bundesdruckerei produziert und dann an die Labore verschickt werden.

Diese wiederum verteilen es dann an ihre zuweisenden Ärzte und Einrichtungen weiter. Daher rechnet der BDL frühestens in 14 Tagen damit, dass das neue Muster in die Praxis Eingang findet, sagte ein Sprecher am Dienstag gegenüber „Der Hausarzt“.

Labore und Ämter noch kaum digital vernetzt

Ebenso noch eine Baustelle ist die digitale Vernetzung von den Laboren mit den Gesundheitsämtern sowie dem Datenbank-Server des RKI. Aktuell seien „20 Prozent der großen Labore“ angeschlossen, hieß es bei der App-Vorstellung in Berlin. Alle Labore bundesweit sollen in den kommenden vier Wochen folgen.

Erst wenn Labore vernetzt sind, können sie aber die Verifizierung des Laborergebnisses auf digitalem Weg für die App-Nutzer anbieten. Vereinfacht gesagt hinterlegt das Labor auf Basis des QR-Codes das Ergebnis verschlüsselt auf dem Server. Von dort ruft es die App nach einer weiteren technischen Prüfung automatisch ab und informiert den Nutzer. Wie genau dies funktioniert, ist unter „Datenschutz“ in der App nachzulesen.

Telefon-Hotline als Alternative

Bis alle Labore den digitalen Weg anbieten können oder wenn ein QR-Code verloren geht, kann der Nutzer die Verifizierung des Tests über die telefonische Hotline (0800 75 400 02) durchführen lassen, erklärt ein Mitarbeiter des RKI-Teams für die Corona-Warn-App.

Für die Hotline habe man große „Kapazitäten aufgebaut“ und sich auf “entsprechende Nutzerzahlen” eingestellt, erklärte Spahn. Wie viele Mitarbeiter eingestellt sind, ist unklar. Analog zu den lokalen Gesundheitsämtern und der 116 117 könnte hier gerade in den ersten Tagen und Wochen ein Engpass drohen.

Keine Krankschreibung ohne Symptome

Nicht ganz klar ist darüber hinaus das Vorgehen bei asymptomatischen App-Alarmierten, bis das Testergebnis vorliegt. Empfohlen wird eine häusliche Selbstisolation. Es wird auf eine einvernehmliche Lösung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern gesetzt. Denn eine Krankschreibung ist ohne Beschwerden gemäß Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie (AU) genau genommen nicht erlaubt.

Schon in der Hochphase der Pandemie forderten aber viele Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine Krankschreibung ein, wenn sie sich zum Beispiel häuslich isolieren sollten. „Nach derzeitiger Rechtslage reicht die Risiko-Benachrichtigung der App nicht als Grundlage einer Krankschreibung“, antwortet das RKI gegenüber „Der Hausarzt“.

Hierfür müsste der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) also an der AU-Richtlinie schrauben. Doch dies ist nicht vorgesehen, wie das BMG dem “Hausarzt” am Mittwoch (17.6.) mitteilte. Das Ministerium vertraue auf das Verantwortungsbewusstsein von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, dass diese in den meisten Fällen für diese wenigen Tage bis das Ergebnis vorliegt eine unkomplizierte Lösung, zum Beispiel Homeoffice, finden. Bei wenig Aufkommen in den Laboren kann das Ergebnis schon nach ein bis zwei Tagen vorliegen.

Gesetzlich möglich ist, dass das Gesundheitsamt bereits eine Quarantäne ausspricht, bis das Testergebnis vorliegt. Dies werden sie in jedem Einzelfall aber wahrscheinlich genau abwägen. Bei einer Quarantäne müssen die Ämter nämlich den Arbeitgebern die Kosten für die Lohnfortzahlung erstatten.

Die Ministeriumssprecherin betonte: “Wichtig ist: Eine App-Warnung bedeutet nicht automatisch Krankschreibung oder Quarantäne, sondern ist im Einzelfall von Arzt oder Gesundheitsamt zu entscheiden.” Dadurch kann etwa bei Reihentestungen von medizinischem Personal anders vorgegangen werden als bei der möglichen Infektion in einzelnen Privathaushalten.

Arbeitgeber sehen Gesetzgeber in der Pflicht

Arbeitgebervertreter sehen hier Handlungsbedarf. So teilte die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände “Der Hausarzt” am Freitag (19.6.) mit, dass man, wo es einfach möglich sei, sicher zu guten Kompromissen wie Homeoffice gelange. Sei dies jedoch nicht möglich, müssten Kollegen aber wirksam durch Selbstisolation des möglicherweise Infizierten geschützt werden.

“Da die symptomlose Kontaktperson aber nicht arbeitsunfähig krank ist, besteht kein Lohnfortzahlungsanspruch, wenn sie sich in Isolation begibt. Es ist daher dringend erforderlich, dass der Gesetzgeber einen Entschädigungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz nicht nur im Falle einer vom Gesundheitsamt angeordneten Quarantäne, sondern auch für solche Fälle der vorbeugenden Selbstisolation vorsieht”, sagte eine Verbandssprecherin.

Hingegen geht der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienst (BVÖGD) davon aus, dass die Amtsärzte ihrer bisherigen Linie treu bleiben. “Bisher wurde eine Quarantäne in der Regel ausgesprochen, wenn Symptome bestehen”, sagte Vize-Vorsitzender Dr. Johannes Nießen zu “Der Hausarzt” am Freitag (19.6.). Bei Personen ohne Beschwerden würde meist die freiwillige Isolation empfohlen. Das Risiko sieht er als vergleichsweise gering an, da die Testergebnisse sehr zeitnah vorliegen und “derzeit von den sehr vielen Tests, nur sehr wenige positiv ausfallen”.

Positiver Test allein rechtfertigt keine AU

Bei der Frage, ob ein positives Test-Ergebnis für eine Krankschreibung reicht, gab es ebenfalls zunächst Ungereimtheiten. Denn auch hier ist gemäß Richtlinie nur eine Krankschreibung vorgesehen, wenn Beschwerden vorliegen. In einem umfangreichen Frage- und Antwort-Katalog erklärte die Bundesregierung am Dienstag (16.6.) hierzu aber: „Wenn Sie positiv auf Corona getestet werden, können Sie eine Krankschreibung erhalten und haben Anspruch auf Lohnfortzahlung.“

Gegenüber “Der Hausarzt” räumte das BMG nun ein, dass diese Formulierung unglücklich war und korrigiert werde. “Eine Änderung der AU-Richtlinie hierzu ist nicht vorgesehen”, sagte eine Sprecherin zu “Der Hausarzt” am Mittwoch (17.6.). Auch hier gelte weiterhin: Ob eine Krankschreibung gemäß Richtlinie möglich sei, entscheide der Arzt. Eine Quarantäne ordnet das Gesundheitsamt an – was bei einem positiven Testergebnis in der Regel auch der Fall sei.

So sieht es auch der G-BA. “Eine Bescheinigung einer AU allein aufgrund eines positiven Tests ist laut AU-RL nicht möglich. Hier greifen die Quarantäneregeln”, stellte eine Sprecherin gegenüber “Der Hausarzt” am Mittwoch (17.6.) klar.

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