Dass Antikörper in Millisekunden menschliche Nervenzellen aktivieren und damit ihre Funktion ändern können, ist das überraschende Ergebnis einer Studie (DOI: 10.1038/srep38216) des Lehrstuhls für Humanbiologie der Technischen Universität München (TUM). Dieses Wissen verbessert das Verständnis der Begleiterkrankungen bestimmter Formen von Krebs – allen voran der sehr problematischen Darmlähmung. Prof. Michael Schemann und seine Mitarbeiter wollten Ursachen für mögliche Nervenfunktionsstörungen identifizieren, wie sie bei Paraneoplastischen Syndromen und Darmlähmung auftreten.
Dafür untersuchten sie Seren von Patienten mit kleinzelligem Lungentumor von der Mayo Klinik in Rochester (USA). Über zehn Jahre konnten sie erstmals zeigen, dass diese Patientenseren innerhalb von Millisekunden menschliche Nervenzellen aktivieren, ohne dass sie geschädigt werden. Dies verändert Nervenfunktionen, weit bevor die Autoimmunreaktion die Nerven schädigt. Dafür verantwortlich ist der Anti-HuD-Antikörper.
Das Besondere: Der Antikörper wirkt nicht über die Bindung an sein eigentliches Hu-Zielprotein. Er ahmt die Wirkung der Botenstoffe Acetylcholin und Adenosintriphosphat nach – und erregt darüber die Nervenzellen.
„Was wir gefunden haben“, erklärt Schemann, „wird zwar nicht den Lungenkrebs selbst heilen, aber es führt zu einem neuen klinischen Verständnis und somit hoffentlich zu neuen Therapieansätzen der damit zusammenhängenden Paraneoplastischen Syndrome wie etwa der chronischen Darmlähmung.“