Als sich Mitte vergangenen Jahres wieder Nachrichten von Flüchtlingskatastrophen auf See häuften und in den Medien immer wieder Bilder zu sehen waren von Menschen, die nach einer strapaziösen Flucht und stunden- oder tagelangem Treiben auf dem Meer abgemagert, dehydriert, krank oder verletzt waren , wollte Dr. Daniel Pohl helfen. Der Hausarzt in der Gemeinde Aschheim im Landkreis München und Delegierter im Bayerischen Hausärzteverband war auch für Einsätze auf Schiffen bereit, um die Menschen direkt vor Ort medizinisch zu versorgen.
Er wandte sich zunächst an "Ärzte ohne Grenzen". Aber die Organisation verpflichtet Mediziner für Auslandseinsätze erst ab einer Einsatzdauer von 6 Monaten, erfuhr er. "Das kam leider nicht für mich in Frage", so Dr. Pohl. "Ich kann die Praxis ja nicht für ein halbes Jahr dicht machen."
Im Februar 2016 machte ihn ein Bericht in den "Tagesthemen" auf eine weitere Möglichkeit aufmerksam, sich vor Ort um die medizinische Versorgung von aus dem Meer geretteten Flüchtlingen zu kümmern. Freiwillige aus der Zivilbevölkerung mit unterschiedlichen Professionen – darunter auch Ärzte – wurden gesucht, die auf Schiffen der Marine im Mittelmeer mitfahren. Die Mission: Die Seerouten der Schlepperbanden zu unterbrechen und Flüchtlinge aus Seenot zu retten. Auch vierwöchige Einsätze sind dabei möglich, und der Zeitraum kann abgestimmt werden.
Dr. Pohl nahm Kontakt zur Bundeswehr auf. "An den richtigen Ansprechpartner zu gelangen, war nicht ganz einfach", berichtet er. "Da braucht man schon Geduld zum Telefonieren."
Schließlich erhielt Dr. Pohl einen Einsatz, allerdings nicht, wie erhofft, vor der afrikanischen Küste, wo medizinische Hilfe am häufigsten benötigt wird. Sein Einsatzgebiet wurde die Ägäis. Auf dem Marineschiff "Bonn", dem größten deutschen Schiff, einem "Einsatzgruppenversorger", das auch über eine Krankenstation für 50 Personen verfügt, kreuzte er vor der türkischen Küste.
Sein medizinisches Wissen wurde dann aber doch weniger gefragt, als Dr. Pohl es erwartet hatte. Denn die Menschen in den Flüchtlingsbooten, die von der "Bonn" vor der Küste der Türkei aufgespürt und durch Ersthelfer versorgt wurden, mussten offensichtlich nicht aus medizinischen Gründen stationär auf das Versorgungsschiff. Die informierte türkische Küstenwache nahm die Boote dann gemäß dem Abkommen mit der EU regelmäßig in Geleit und brachte sie in ausgewiesene Flüchtlingscamps.
"Die Seeroute zwischen der Türkei und Griechenland ist nicht lang. Dem- entsprechend waren die meisten der Bootsinsassen in nicht allzu schlechter gesundheitlicher Verfassung", erinnert sich Dr. Pohl. Auch hätten die Schlepper nicht versucht, selbst die Boote zum Kentern zu bringen, um EU-Schiffe wie die "Bonn" zu zwingen, die Flüchtlinge an Bord zu nehmen – eine schreckliche Vorgehensweise, die oft vor der afrikanischen Küste angewandt wird. Das hat Dr. Pohl aus Berichten von Kollegen erfahren, die dort im Einsatz waren: "Sind die Menschen erst einmal an Bord eines europäischen Schiffes, ist die Einreise nach Europa so gut wie geglückt – ein Erfolg für das Geschäftsmodell der Schlepper, die dafür billigend in Kauf nehmen, dass für einen Teil der Bootsinsassen, die in der Regel nicht schwimmen können, jede Hilfe zu spät kommt."
"In der Ägäis greifen die Schlepper zum Glück nicht zu solch drastischen Methoden", hat Dr. Pohl festgestellt. Mit dringend behandlungsbedürftigen Flüchtlingen sei er in den vier Wochen auf der "Bonn" nicht konfrontiert gewesen.
Anders war das bei seinem freiwilligen Einsatz in Deutschland. Vom 24.12. bis 31.12.2015 hatte Dr. Pohl den Dienst im "Warteraum Asyl" am Erdinger Fliegerhorst übernommen. Er war zuständig für die Erstuntersuchung in der Auffangstation, von der aus die Flüchtlinge dann weiter in Unterkünfte in ganz Deutschland verteilt wurden.
Am häufigsten war er dabei mit Atemwegserkrankungen konfrontiert. "Die Leute waren oft tagelang mit durchnässten Schuhen in der Kälte unterwegs – da ist die Infektionsgefahr hoch", erklärt Dr. Pohl. "Vielen war auch nicht klar, dass man insbesondere nasse und kalte Füße vermeiden sollte. Das Angebot, sich neue und trockene Kleidung, vor allem Schuhe und Strümpfe aus bereitgestellten Spenden auszusuchen, nutzten nur wenige". Zu den häufigeren medizinischen Problemen im "Warteraum Asyl" zählten außerdem Schwangerschaftsprobleme, Diabetes, Durchfall- und Hautkrankheiten.
"Es war einfach ein gutes Gefühl, Menschen helfen zu können, die in einer Notlage sind", sagt Dr. Pohl rückblickend über seinen weihnachtlichen Einsatz. Natürlich sei die Familie nicht so glücklich gewesen über seine Abwesenheit, habe aber doch zugestimmt. "Für mich ist das ein wichtiger sozialer Dienst", erläutert Dr. Pohl. "Ich kann helfen, also tu ich das auch, und es geht natürlich nur in Zeiten, in denen die Praxis Ferienzeiten überschneidend sowieso geschlossen ist."