Die Hoffnung, dass die neue Musterweiterbildungsordnung (MWBO) tatsächlich eine bundesweit einheitliche Weiterbildung bringt, wird sich wohl nur in Teilen erfüllen. Darauf weist eine Umfrage von “Der Hausarzt” unter den 17 Landesärztekammern hin. Demnach haben zwar elf Kammern die MWBO bereits in Landesrecht umgesetzt oder zumindest damit begonnen, Hamburg und Brandenburg wollten in der Zeit des Redaktionsschlusses folgen (Tab. unten). Jedoch zeigen sich – neben kleineren regionalen Spezifika – zwei Knackpunkte, bei denen eine bedeutende Zahl an Kammern ausschert: die Befugniserteilung für Internisten sowie die Zusatzbezeichnung Homöopathie.
Eine Besonderheit gibt es darüber hinaus in Niedersachsen. Hier müssen Weiterbilder künftig an sogenannten Train-the-Trainer-Seminaren teilnehmen, die “die Rahmenbedingungen einer qualitätsgesicherten Weiterbildung sowie Grundlagen der Vermittlung von Wissen und Fertigkeiten” lehren (Paragraf 6 Absatz 2 WBO).
Tatsächlich sind diese “Fertigkeiten” zentrales Ziel der Reform der MWBO, die künftig stärker auf erworbene Kompetenzen statt auf das Leisten starrer Untersuchungszahlen und -zeiten setzt.
MWBO nur ein “Vorschlag”?
Als der Vorstand der Bundesärztekammer (BÄK) Mitte November – nach entsprechenden Beschlüssen des Deutschen Ärztetags, zuletzt im Mai 2019 – einstimmig die Gesamtnovelle beschlossen und damit den “Startschuss für eine vollständige Neuausrichtung der ärztlichen Weiterbildung” gegeben hatte, zeichnete sich noch eine deutlich größere Hoffnung auf eine bundesweite Umsetzung ab. Schließlich war die Reform seit 2012 in enger Abstimmung zwischen BÄK, Landesärztekammern, wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften und Berufsverbänden entstanden.
Doch: Für die regionale Verankerung sind die Landesärztekammern am Zug. Die MWBO komme dabei einem “Umsetzungsvorschlag” nahe, erklärt Stephan Göhrmann für die Kammer Schleswig-Holstein. Mitunter seien aber “Feinanpassungen” aufgrund unterschiedlicher Gegebenheiten in den einzelnen Ländern nötig.
“Es kann nicht sein, dass einzelne Kammern schon wieder ihr eigenes Süppchen kochen”, betonte hingegen Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbands, bereits nach dem Beschluss des Ärztetags. “Bei allem Respekt vor der föderalen Struktur brauchen junge Kollegen eine klare und einheitliche Weiterbildungsordnung, ohne regionale Sonderwege.” Auch der BÄK-Vorstand hatte empfohlen, die Gesamtnovelle eins zu eins in Landesrecht umzusetzen. Die aktuelle Recherche zeigt jedoch, dass dies nicht überall geschehen ist.
Abweichen an zentralen Stellen
1. Weiterbildungsbefugnis für Internisten: Die Weiterbildungszeit in der Allgemeinmedizin umfasst laut MWBO 60 Monate, davon müssen 24 Monate in der “Allgemeinmedizin in der ambulanten hausärztlichen Versorgung” geleistet werden. Dieser Passus war eine der größten Errungenschaften des Deutschen Hausärzteverbands. Auch die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) betont, dass gerade diese Vorgabe zur “Wahrung der Identität des Faches” essenziell sei.
Umso mehr konterkariert das Ausscheren einzelner Landesärztekammern dieses Ziel. Bremen hatte im Herbst als erste Kammer offiziell bekanntgegeben, dass dort künftig auch Zeiten “bei einem hausärztlich tätigen Internisten, der für die ambulante hausärztliche Versorgung im Gebiet Allgemeinmedizin befugt ist” angerechnet werden können.
Die Umfrage von “Der Hausarzt” zeigt nun, dass dies kein Einzelfall ist. In insgesamt fünfKammern ist der 24-monatige allgemeinmedizinische Abschnitt auch bei hausärztlich tätigen Internisten zu absolvieren, Baden-Württemberg und Bayern könnten folgen.
“Eine solche Herabsetzung unseres Faches ist nicht akzeptabel”, findet Hausärzte-Chef Weigeldt. “Wie kann es möglich sein, einen Facharzttitel für Allgemeinmedizin zu führen, ohne auch nur einen einzigen Tag in diesem Fachgebiet weitergebildet worden zu sein?” Die Allgemeinmedizin sei der Qualitätsstandard für die hausärztliche Versorgung. “Die gemeinsam beschlossenen Vorgaben der MWBO dürften nicht durch die Hintertür der Befugniserteilung unterlaufen werden.”
“Pragmatisch” wolle man etwa in Schleswig-Holstein aber nicht rund 150 der 800 in Allgemeinmedizin weiterbildenden Kollegen ausschließen und so “für zukünftige Ärzte in Weiterbildung den Markt verengen”, so die Kammer-Perspektive.
2. Zusatzweiterbildungen, im Speziellen für Homöopathie: Mit der bundesweit deutlich variierenden Umsetzung der Zusatzweiterbildungen bewahrheitet sich einer der größten Kritikpunkte, die der Deutsche Ärztetag diskutiert hatte: Sollte es die Zusatzbezeichnung (ZB) Homöopathie weiter geben – und damit in ärztlicher Hand bleiben – oder sollte diese aufgrund mangelnder Evidenz gestrichen werden?
In der Umsetzung zeigt sich nun, dass dies die Landesärztekammern weiter höchst unterschiedlich bewerten. Sechs Kammern haben sich bereits offen gegen die Homöopathie gestellt, teils mit Verweis auf die mangelnde Evidenz, teils auch mit Verweis auf eine geringe Nachfrage. In Nordrhein beispielsweise hätten die Zusatzbezeichnung Homöopathie in den vergangenen fünf Jahren lediglich 17 Ärztinnen und Ärzte erworben.
Darüber hinaus haben verschiedene Landesärztekammern mehr Zusatzbezeichnungen als in der MWBO vorgesehen aufgenommen (s. unten).
Auch wenn es sich bei diesen Abweichungen um vergleichsweise weniger gravierende handelt, so gehen sie letztlich doch auf Kosten des eigentlichen Ziels der MWBO: Durch in ganz Deutschland ähnliche Vorgaben sollte angehenden Fachärzten nicht zuletzt “der Wechsel vom einen ins andere Bundesland während der Weiterbildung erleichtert” werden, erinnert Dr. Wolfgang Miller, Kammerpräsident in Baden-Württemberg. Auch eine im Nachbarland nicht anerkannte Zusatzbezeichnung kann dies mitunter jedoch erschweren.