Die Stechmücke gilt ja als das für den Menschen gefährlichste Tier, überträgt sie doch eine Reihe von Infektionskrankheiten. In Deutschland allerdings sieht die Sache etwa anders aus, denn hier ist die Zecke für den Menschen viel gefährlicher. Zu nennen ist hier zum einen die Borreliose, die in Europa mit Abstand häufigste durch Zecken übertragene Erkrankung.
Laut einer Erhebung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung wird pro Jahr bei 240.000 bis 312.000 GKV-Versicherten eine Lyme-Borreliose diagnostiziert [1]. An zweiter Stelle folgt die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) – die einzige durch Zecken übertragene Erkrankung, für die es in Deutschland eine Impfung gibt. Zudem können Zecken auch die Erreger der humanen granulozytären Anaplasmose, Babesiose oder verschiedene Rickettsiosen übertragen, allerdings kommt das eher selten vor.
All diesen Erregern macht es die Zecke leicht. Denn im Speichel der Spinnentiere befinden sich Inhaltsstoffe, die die menschliche Immunantwort unterdrücken – Bakterien und Viren können sich so leichter ausbreiten. Und hier kommt die Idee eines “Anti-Zecken-Impfstoffs” ins Spiel – eine Vakzine mit Bestandteilen des Zeckenspeichels als Antigen.
Nach einer Immunisierung mit einem solchen Impfstoff soll das Immunsystem bei einem Zeckenstich schnell Alarm schlagen und den Erreger (egal ob es sich um das FSME-Virus oder Borrelia burgdorferi, den Erreger der Lyme-Borreliose, handelt) eliminieren.
Ein Beispiel für eine solche Vakzine ist der experimentelle mRNA-Impfstoff “19ISP”, der bisher allerdings nur an Meerschweinchen erprobt wurde [2]. Entwickelt wurde er an der Universität Yale. 19ISP enthält die Bauanleitung für 19 Proteine im Speichel von Ixodes scapularis (die in den USA beheimatete Hirschzecke, dort ein häufiger Überträger der Lyme-Borreliose).
Idee scheint zu funktionieren
In Versuchen mit Meerschweinchen, die zuvor mit 19ISP immunisiert worden waren, zeigte sich schon kurz nach dem Zeckenstich eine Immunreaktion in Form eines Erythems – für das Forschungsteam ein Hinweis auf eine erworbene Zecken-Immunität (eine solche ist auch von Menschen bekannt, die mehrfach von einer Zecke gestochen wurden, vgl. [3]). Die Zecken beendeten ihre Blutmahlzeit vorzeitig und fielen schneller wieder ab als bei Kontrolltieren.
Ein weiteres positives Ergebnis zeigten Versuche, bei denen mit B. burgdorferi infizierte Zecken eingesetzt wurden. Da Menschen häufig eine Zecke entfernen, sobald der Stich Rötungen oder Juckreiz verursacht, entfernte auch das Team die Zecken, sobald bei den Meerschweinchen nach dem Stich eine Rötung auftrat.
Drei Wochen später wurde bei fast der Hälfte (46 Prozent) der nicht mit 19ISP immunisierten Tiere eine Borreliose-Infektion per PCR-Test nachgewiesen. Im Gegensatz dazu war keines der immunisierten Tiere PCR-positiv. Der Ansatz scheint also zu funktionieren – sein Vorteil ist, dass er einen breiteren Schutz bieten könnte als ein Impfstoff, der gegen einen ganz bestimmten Erreger gerichtet ist.
Das ist etwa der Fall bei dem Impfstoffkandidaten “VLA15”, der gezielt B. burgdorferi ins Visier nimmt. Die Subunit-Vakzine ist gegen sechs Serotypen des Erregers gerichtet, die in den USA und Europa am häufigsten vorkommen. Derzeit wird sie in Phase-III-Studien geprüft, laut der beiden Hersteller Pfizer und Valneva könnte 2025 ein Zulassungsantrag gestellt werden – und VLA15 der erste Impfstoff gegen Borreliose werden.
Schlechte Impfquote in FSME-Risikogebieten
Viel Erfahrung hat man in Deutschland dagegen mit der seit über 30 Jahren verfügbaren FSME-Impfung. Die Impfquoten sind allerdings eher schlecht. Wie das Robert Koch-Institut (RKI) gerade gemeldet hat, schwankte 2020 die kreisbezogene Impfquote innerhalb der Risikogebiete zwischen lediglich 7,5 und 39,1 Prozent bei Erwachsenen und bei Kindern zwischen 14,1 und 52,4 Prozent [4].
Besonders niedrig war die Quote bei den über 60-Jährigen, bei denen FSME häufig schwerer verläuft. Das mag auch an den vergleichsweise eher niedrigen Fallzahlen liegen (2022 wurden 546 FSME-Erkrankungen berichtet). Dennoch handelt es sich um eine impfpräventable Erkrankung, die zudem schwer oder tödlich verlaufen kann.
Das verdeutlichen auch RKI-Zahlen aus dem vergangenen Jahr: 98 Prozent der FSME-Patientinnen und -Patienten waren gar nicht oder nur unzureichend geimpft. Die Hälfte der an das RKI gemeldeten Fälle zeigte ein klinisches Bild mit neurologischen Manifestationen einer Meningitis, Enzephalitis oder Myelitis. Zwei Menschen starben, eine Person war über 80 Jahre, die zweite über 60 Jahre alt.
Zudem nimmt die Zahl der FSME-Risikogebiete weiter zu. Will man auf der Karte etwa in Baden-Württemberg und Bayern Regionen finden, die kein Risikogebiet sind, muss man tatsächlich mit der Lupe suchen. In Baden-Württemberg gibt es nur noch einen einzigen Stadtkreis, der nicht als Risikogebiet gilt (Heilbronn), in Bayern sind es zwei (Augsburg und Schweinfurt).
Gerade hat das RKI drei neue Risikogebiete benannt: Den Stadtkreis München und den Landkreis Fürstenfeldbruck in Bayern sowie den Landkreis Anhalt-Bitterfeld in Sachsen-Anhalt (eine Karte aller FSME- Risikogebiete finden Sie unter www.hausarzt.link/mL4MT ). Wer hier wohnt oder arbeitet und zeckenexponiert ist, dem empfiehlt die STIKO die FSME-Impfung.
Der Klimawandel führt zudem dazu, dass einige Zecken schon im Februar wieder aktiv werden. Damit wird auch der Zeitraum größer, in dem FSME als meldepflichtiges Ereignis im Blick behalten werden sollte. Grundsätzlich tritt die Mehrheit der Infektionen zwischen Mai und Oktober auf, der Gipfel wird meist im Juni erreicht. Das Frühjahr ist also prinzipiell ein guter Zeitpunkt, im Impfpass die FSME-Impfung zu überprüfen. •
Quellen:
- Versorgungsatlas-Bericht Nr. 21/06; DOI 10.20364/VA-21.06
- Sci Transl Med 2021;13:620; DOI 10.1126/scitranslmed.abj9827
- Parasite Immunol. 2021;43(5):e12808; DOI 10.1111/pim.12808
- Epid Bull 9/23