FSME
Die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) ist eine durch ein Flavivirus verursachte Virusinfektion. Die FSME kommt in großen Teilen Mittel-, Nord- und Osteuropas vor. Die Verbreitungsgebiete ziehen sich in östlicher Richtung über den gesamten Taigagürtel Russlands bis in den Norden Chinas und auf die japanische Insel Hokkaido. Die Übertragung der Viren erfolgt überwiegend durch den Stich von Zecken der Gattung Ixodes. Etwa ein bis fünf Prozent der Zecken in Naturherdgebieten sind Virusträger. Die Ausscheidung des Virus erfolgt mit dem Beginn des Blutsaugens der Zecke. Ein weiterer, in den letzten Jahren wieder häufiger beobachteter Übertragungsweg ist die Übertragung durch virushaltige Ziegen- oder Kuhmilch. Unbehandelte Milch oder Frischkäse infizierter Tiere können eine oral übertragene FSME-Erkrankung verursachen.
Symptome: Die FSME-Infektion verläuft bei etwa einem Drittel der Infizierten symptomatisch. Nach einer Inkubationszeit von durchschnittlich 7 bis 14 (2 bis 28) Tagen treten Symptome eines fieberhaften Allgemeininfekts (Fieber, Kopf-, Muskelschmerz, Appetitlosigkeit) und häufig Symptome des Respirations- und Gastrointestinaltrakts auf („Sommergrippe“).
Bei etwa einem Drittel der symptomatischen Patienten zeigen sich nach einigen Tagen der Besserung Zeichen einer Beteiligung des zentralen Nervensystems (ZNS). Die Schwere der ZNS-Symptomatik steigt mit zunehmendem Alter. Im Kindes- und Jugendalter werden vorwiegend meningitische Verlaufsformen, im höheren Alter vermehrt Enzephalitis und Enzephalomyelitis beobachtet. Die Letalität der FSME wird mit 1 bis 2 Prozent angegeben. Die
Die Diagnose der FSME wird durch den Nachweis von Antikörpern im Serum gestellt. Bei Hinweisen auf das Vorhandensein von Antikörpern gegen verwandte Viren (Gelbfieber-Impfung, Japan-Enzephalitis-Impfung, Dengue-Infektion) müssen kreuzreagierende Antikörper durch Spezialteste ausgeschlossen werden. Der Virusnachweis im Serum oder im Liquor ist im Stadium der ZNS-Symptomatik nicht erfolgversprechend und auch nicht notwendig. Auch der Nachweis des FSME-Virus in am Körper abgesammelten Zecken ist nicht sinnvoll, da der Nachweis des Virus keine Handlungsoption (Postexpositionsprophylaxe, Frühtherapie) eröffnet und den Patienten unnötig beunruhigt.
Eine ursächliche Therapie ist nicht bekannt. Schwere Erkrankungsfälle werden intensivmedizinisch betreut. Die Behandlung ist ausschließlich symptombezogen möglich. Prävention: Die FSME kann durch eine Impfung verhindert werden. Bei den zwei kommerziell verfügbaren Impfstoffen handelt es sich um adjuvantierte Totimpfstoffe, die sehr gut verträglich sind. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die FSME-Impfung allen Personen, die in endemischen Verbreitungsgebieten Aktivitäten in der Natur ausüben. Dabei sind die Häufigkeit und die Dauer der Aktivitäten nicht entscheidend, da schon nach einem kurzzeitigen einmaligen Kontakt mit Zecken eine FSME-Infektion auftreten kann.
Lyme-Borreliose
Die Lyme-Borreliose (LB) ist eine bakterielle Infektion, die durch Zecken übertragen wird. Die LB konnte bisher in Nordamerika und in Europa und Asien nachgewiesen werden. In Nordamerika wurde bisher ausschließlich B. burgdorferi, in Europa und Asien wurden dazu weitere Arten, u. a. B. afzelii, B. garinii, B. spielmanii und B. bavariense als humanpathogene Arten nachgewiesen. Die einzelnen Arten zeigen eine Prädisposition für eine unterschiedliche Symptomatik.
Anders als beim FSME-Virus benötigen Borrelien in den Zecken nach Beginn der Blutmahlzeit einen Zeitraum der Aktivierung von mehr als 12 Stunden, bevor sie übertragen werden können. Deshalb kann durch eine rasche Zeckenentfernung die Übertragung einer Borreliose verhindert werden. Rund 5 bis 30 Prozent der untersuchten Zecken sind Borrelienträger. Borrelien zeigen ein großflächiges Auftreten. Mit Borrelien ist überall dort zu rechnen, wo Ixodes-Zecken vorkommen.
Symptome: Nach einer Inkubationszeit von einigen Tagen bis zu vier Wochen entwickelt nur ein kleiner Teil der Infizierten (ca. 10 Prozent) eine klinische Symptomatik. Die LB wird heute als das Chamäleon der inneren Medizin bezeichnet. Die klinische Symptomatik kann sehr vielfältig sein. Daher werden die einzelnen Verlaufsformen in ein Früh- und ein Spätstadium eingeteilt. Weiterhin werden lokale und disseminierte Infektionen unterschieden (Tab. 1).
Typischerweise (bei 70 bis 90 Prozent der Patienten) beginnt die Symptomatik der LB mit einem (oder selten multiplen) Erythema migrans. Dazu bildet sich frühestens ca. eine Woche nach einem Zeckenstich ein roter Fleck um die Stichstelle, der sich ausbreitet und häufig im Zentrum verblasst oder livide verfärbt. Das Erythem verschwindet nach etwa vier Wochen wieder.
Eine seltene, bisher nur in Europa beobachtete Erstmanifestation ist das Lymphozytom. Dabei handelt es sich um ein schmerzloses blaurotes Knötchen mit Prädilektionsstellen am Ohrläppchen, an den Brustwarzen oder am Skrotum. Nur bei einem Teil der Patienten tritt die Infektion in die weiteren Stadien ein. Nach Schätzungen erreichen etwa 10 Prozent der unbehandelten Fälle das Stadium der persistierenden, disseminierten Symptomatik. Bei einem Teil der Patienten tritt als typische neurologische Symptomatik eine Fazialisparese auf. Akute Meningitiden sind selten, kommen jedoch vor. Als klassische neurologische Symptomatik gilt auch die Meningoradikulitis (Garin-Bujardoux-Bannwarth-Syndrom).
Ein weiteres in der frühen Phase (Wochen bis Monate) nach der Infektion auftretendes Symptom ist die Karditis. Sie manifestiert sich mit Rhythmusstörungen und atrioventrikulärem Block 2. und 3. Grades.
Bei unbehandelten Erkrankungen kann sich nach Monaten bis Jahren eine chronische Symptomatik einstellen. Diese manifestiert sich als Mono- oder Oligoarthritis, die häufig die großen Gelenke (Kniegelenk) befällt, als Acrodermatitis atrophicans mit Atrophie der Haut insbesondere an den Akren und Gliedmaßen oder als chronische Neuroborreliose mit chronischen Neuropathien, chronischer Enzephalitis oder persistierender Radikulomyelitis. Diese Syndrome sind als chronische Schädigung durch die Infektion und entzündliche Prozesse in den betroffenen Organen zu sehen.
Die Diagnostik der LB ist vom Stadium der Erkrankung abhängig. Im Frühstadium der lokalen Manifestation (Erythema migrans) sind noch keine Antikörper nachweisbar. Die Diagnose beschränkt sich hier weitgehend auf die typische Symptomatik und ggf. einen Zusammenhang mit der Zeckenstich-Anamnese.
Antikörper treten meist nach 4 bis 6 Wochen auf. Für eine Neuroborreliose ist grundsätzlich der Nachweis einer autochthonen Antikörperproduktion im ZNS durch Testung eines Serum-Liquor-Paares zu fordern.
Ein einmaliger Antikörpernachweis zeigt ausschließlich einen anamnestischen Kontakt mit Borreliose auf. Zum Nachweis eines aktiven Infektionsprozesses ist immer ein Titeranstieg in 2 Serumproben im Abstand von ca. 6 bis 8 Wochen notwendig. Chronische Verlaufsformen zeigen häufig hohe IgG-Titer. Hier sind Antikörpertiterveränderungen nicht zu erwarten.
Der Erregernachweis mittels Kultur oder molekularbiologischer Verfahren ist grundsätzlich im frühen Infektionsstadium aus Hautbiopsien, Gelenksflüssigkeit oder Liquor möglich, jedoch aufgrund der mäßigen Sensitivität nur für spezielle Fragestellungen praktikabel.
Für die Diagnostik einer chronischen Borreliose-Symptomatik müssen andere infrage kommende Ursachen ausgeschlossen werden.
Die Therapie erfolgt mit Antibiotika, abhängig von Symptomatik und Stadium (Tab. 2). Prävention: Bisher gibt es keine Möglichkeit der Impfprophylaxe gegen LB. Damit bleibt als alleinige Möglichkeit die Expositionsprophylaxe vor Zecken.
Weitere durch Zecken übertragene Infektionen
Außerdem konnten in Mitteleuropa in Zecken weitere Viren (Eyach, Tribec, Uukuniemi) nachgewiesen werden, deren medizinische Bedeutung für den Menschen bisher gering oder unklar ist. In China und Südostasien und in Nordamerika wurden in den letzten Jahren neue Viren in Zecken entdeckt, die fieberhafte Infektionen und schweres hämorrhagisches Fieber (schweres Fieber mit Thrombozytopenie-Syndrom, Huayijangshan-Virus, Heartland-Virus) verursachen können.
Verschiedene Bakterien, darunter der Erreger der Tularämie (Francisella tularensis) und des Q-Fiebers (Coxiella burnetii) können selten durch Zecken übertragen werden. Die 1995 in Japan entdeckte Borrelienart B. myamotoi kann fieberhafte Allgemeininfektionen, in seltenen Fällen auch Meningoenzephalitiden verursachen. Bisher konnten in Europa allerdings nur vereinzelt Erkrankungsfälle durch diesen neuen Erreger nachgewiesen werden. Die meisten Patienten wiesen dabei eine Immunsuppression auf.
Ein weiterer neu in Zecken entdeckter Erreger ist Neoehrlichia mikurensis. Auch dieser Erreger wird in Eurasien ausschließlich durch Ixodes-Zecken (Holzbock, Taigazecke) übertragen. Er verursacht ebenfalls eine fieberhafte Allgemeininfektion. Bisher wurden Erkrankungsfälle ausschließlich bei Immunsupprimierten nachgewiesen.
Eine weitere Rolle spielen Zecken als Erreger von Rickettsiosen. Diese intrazellulären Bakterien verursachen verschiedene Formen des Fleckfiebers („Zeckenbissfieber“). Mittelmeer-Fleckfieber und Afrikanisches Zeckenbissfieber werden immer wieder von Reisenden nach Deutschland eingeschleppt und sollten daher bei entsprechender Reiseanamnese abgeklärt werden.
Zum weiteren Kreis der Rickettsien zählen Anaplasmen und Ehrlichien. Die Ehrlichiose (Ehrlichia chafeensis) ist ein fieberhafter Allgemeininfekt, der bisher ausschließlich in Nordamerika nachgewiesen wurde. Die Anaplasmose (Anaplasma phagocytophilum) verläuft ebenfalls als fieberhafter Allgemeininfekt mit Thrombozytopenie und Transaminasenanstieg. Die Erkrankung wurde vereinzelt in den Nachbarländern Deutschlands (u. a. Österreich, Italien, Niederlande, Polen) identifiziert.
Ein dem Malaria-Erreger ähnliches Protozoon, Babesia microti, konnte in Zecken in Europa und Amerika nachgewiesen werden. Babesien verursachen eine malariaähnliche Symptomatik, die bei immunsupprimierten Patienten tödlich verlaufen kann. Eine bestätigende Diagnostik dieser seltenen Erreger wird meist nur in Spezialinstituten durchgeführt. Bei Verdacht auf eine entsprechende Infektion sollte das jeweilige nationale Referenzzentrum (Liste unter www.rki.de) kontaktiert werden.
Literatur beim Verfasser
Interessenkonflikte: keine