Antibiotika greifen nicht nur die eigentlichen Krankheitserreger an, sondern mitunter auch die normale Darmflora. Eine antibiotikaassoziierte Diarrhö ist daher keine Seltenheit. 5 bis 30 Prozent der Patienten, die Antibiotika erhalten, sind davon betroffen, wobei die Symptome während und bis zu zwei Monate nach einer Antibiotikatherapie auftreten können [1]. Bei Krankenhausaufenthalten ist die Inzidenz antibiotikaassoziierter Diarrhöen mit bis zu 60 Prozent sogar noch höher [2]. Aminopenicilline, Cephalosporine und Clindamycin sind Substanzen, die besonders oft zu Diarrhöen führen, prinzipiell können sie aber unter jedem Antibiotikum auftreten [3].
Leichte und schwere Verläufe
Definiert ist eine Diarrhö durch das Auftreten von täglich mehr als drei Entleerungen eines ungeformten Stuhls [4]. Bei antibiotikaassoziierten Diarrhöen handelt es sich meist um funktionelle Diarrhöen, die sich nur mit leichten Symptomen äußern und selbstlimitierend sind. Neben der Diarrhö können unter einer Antibiotikatherapie auch andere gastrointestinale Symptome wie Übelkeit, Völlegefühl, Appetitlosigkeit und Überblähung auftreten.
Gelegentlich kann es auch zu schweren Verläufen einer antibiotikaassoziierten Therapie mit starken Bauchkrämpfen, schweren und zum Teil blutigen Durchfällen und Fieber kommen, zum Beispiel bei einer Infektion mit den toxinproduzierenden Bakterien Clostridium difficile oder Klebsiella oxytoca. Im Fall einer pseudomembranösen Kolitis kann es zudem zu schweren Komplikationen wie Perforation, Sepsis und toxischem Megakolon kommen [3].
Unterschiedliche Ursachen
Ausgelöst werden solche Diarrhöen durch unterschiedliche Mechanismen. Zum einen durch direkte Effekte der antibiotischen Therapie, wenn diese die intestinale Motilität stimuliert und über einen prokinetischen Effekt zur Diarrhö führt.
Zum anderen können Antibiotika auch zu Störungen der intestinalen Flora führen [5]. Das kann dann Folgen für den Stoffwechsel haben, zum Beispiel, wenn Kohlehydrate im Dickdarm durch die bakterielle Fermentation nur unzureichend zu kurzkettigen Fettsäuren abgebaut werden. Die im Darm vorhandenen Kohlehydrate können dann aufgrund ihrer osmotischen Aktivität die Resorption von Wasser im Darmlumen begünstigen und eine Diarrhö auslösen [3].
Eine Infektion mit Clostridium difficile, dessen Wachstum durch die gesunde Darmflora unterdrückt wird, ist lediglich in 10 bis 20 Prozent der Fälle die Ursache einer antibiotikaassoziierten Diarrhö, wobei diese Bakterien meistens für die im Krankenhaus erworbenen Erkrankungen verantwortlich sind.
Stuhluntersuchung notwendig
Selten ist von Anfang an klar, dass die Diarrhö eines Patienten durch Antibiotika verursacht wurde. Daher müssen zunächst die möglichen Ursachen der Beschwerden durch die Anamnese eruiert werden. Dabei sollten Sie den Patienten nach der Dauer der Beschwerden, der Stuhlbeschaffenheit und nach Begleitsymptomen fragen [5]. Neben Antibiotika kommen zum Beispiel gastrointestinale Infektionen durch den Verzehr infizierter Lebensmittel und andere Medikamente wie Laxanzien infrage.
Persistieren die Symptome und besteht ein erhöhtes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf, sollte eine Stuhluntersuchung mit einem Test auf Clostridien erfolgen. Ist dieser negativ und bestehen weiterhin schwere Symptome, wird eine Kolonoskopie empfohlen.
Mit Probiotika gegen die Diarrhö
Steht die Diagnose "antibiotikaassoziierte Diarrhö", fest, dann sollte nach Möglichkeit das Antibiotikum abgesetzt oder auf eine Substanz mit geringerem Risiko für gastrointestinale Nebenwirkungen gewechselt werden, sofern eine antibiotische Therapie weiterhin zwingend erforderlich ist.
Wie bei Diarrhöen anderer Ursache auch, sollte gegebenenfalls eine Flüssigkeits- und Elektrolytsubstitution erfolgen, um eine Dehydratation zu verhindern. Motilitätshemmende Medikamente wie Loperamid oder Racedadotril sind jedoch kontraindiziert.
Zur Therapie der Diarrhö können auch Probiotika eingesetzt werden. Die medizinische Hefe Saccharomyces boulardii kann die antibiotikabedingten Veränderungen der mikrobiellen Fermentation möglicherweise kompensieren [6].
Diarrhö verhindern
Idealerweise sollten antibiotikaassoziierte Diarrhöen gar nicht erst auftreten. Zur Prophylaxe können Probiotika wie Lactobacillus-, Bifidobacterium-, Enterococcus-, Streptococcus- und Bifidus-Stämme oder auch die Hefe Saccharomyces boulardii eingesetzt werden. Beispielsweise hat die Hefe einen positiven Einfluss auf die Darmflora und fördert deren Regeneration nach der Antibiotikatherapie [7]. Die Wirksamkeit von Saccharomyces boulardii wurde in einer Metaanalyse über fünf randomisierte, kontrollierte Studien gezeigt. Dabei ließ sich das Risiko für antibiotikaassoziierte Diarrhöen um mehr als 60 Prozent reduzieren [1]. Dementsprechend beurteilte der Arzneiverordnungs-Report 2013 die Wirksamkeit von Probiotika positiv [8].
Antibiotika-Resistenzen verhindern
Durch den breiten Einsatz und die zum Teil unkritische Verordnung von Antibiotika wird die Selektion und damit auch die Ausbreitung von multiresistenten Erregern gefördert. Antibiotika-Resistenzen gelten laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) mittlerweile als eine der Hauptgefahren für die Gesundheit [8]. Infektionen mit multiresistenten Erregern führen allein in den USA Jahr für Jahr zu über 20.000 Todesfällen [9].
Um den Erfolg einer Antibiotikatherapie nicht zu gefährden und der Entstehung und Ausbreitung von Resistenzen entgegenzuwirken, sollten Antibiotika rational und indikationsgerecht zum Einsatz kommen. Ist eine bakterielle Infektion nachgewiesen bzw. wahrscheinlich und eine Antibiotikatherapie unbedingt erforderlich, ist es entscheidend, dass die Patienten die Antibiotikatherapie konsequent zu Ende führen. Da viele Patienten die Therapie wegen Nebenwirkungen vorzeitig abbrechen oder die Dosierung eigenmächtig ändern, kann die Prävention antibiotikaassoziierter Nebenwirkungen zur Verbesserung der Compliance und zur Verhinderung von Resistenzen beitragen.
Literatur
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1 Szajewska H et al. Aliment Pharmacol Ther 2005; 22: 365–372
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2 McFarland LV et al. Am J Gastroenterol 2006; 101: 812–822
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3 Hausmann J et al. Gastroenterologe 2012; 7: 220–227
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4 DEGAM S1-Handlungsempfehlung „Akuter Durchfall“, 2013
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5 Fuhr R. et al. Gastroenterologe. 2006; 1: 173–179
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6 Breves G et al. Digestion 2000; 61: 193–200
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7 Swidsinski et al. 2013; 144(5): 824
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8 Schwabe U, Pfaffrath D: Arzneiverordnungs-Report 2013, Springer-Verlag
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9 WHO. Antimicrobial resistance: global report on surveillance, 2014
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10 www.cdc.gov/drugresistance/threat-report-2013