Störungen der Erektionsfähigkeit erzeugen für den betroffenen Patienten in vielen Fällen einen massiven Leidensdruck und bedeuten somit eine erhebliche Einschränkung der Lebensqualität mit entsprechendem Therapiebedarf. Gerade bei älteren Patienten sollte die Evaluation der Sexualität Bestandteil des Arzt-Patienten-Gesprächs sein, da sich Erektionsstörungen nicht selten als erstes klinisches Symptom etwa einer bis dahin unerkannten generalisierten Gefäß-Kreislauf-Erkrankung oder anderer pathologischer Prozesse wie eines Hormonmangels zeigen können.
Definition
Die Diagnose erektile Dysfunktion kann gestellt werden, wenn der Patient über mehrere Monate das anhaltende oder wiederkehrende Unvermögen beschreibt, eine ausreichende Erektion für eine sexuelle Aktivität zu erreichen und aufrecht zu erhalten. Gelegentlich bzw. in größeren Abständen oder etwa während Phasen erhöhter psychischer Belastungen auftretende Potenzstörungen können noch nicht als erektile Dysfunktion bezeichnet werden. In Fällen von Verletzungen oder durch Operationen verursachten Erektionsstörungen (z. B. nach einer radikalen Prostatektomie) kann die Diagnose schon früh gestellt werden.
Beurteilung
Erektionsstörungen sind häufig sehr subjektiv und werden nicht selten vor dem Hintergrund von Erinnerungen aus früheren Jahren gesehen.
Tatsächlich kommt es mit zunehmendem Alter physiologisch zu Veränderungen der Sexualität. So lässt sich eine physiologische Abnahme der Serumkonzentration der Sexualhormone feststellen, die auch Krankheitswert erreichen kann. Ferner verliert das Schwellkörpergewebe zunehmend an Elastizität. Diese Veränderungen führen dazu, dass sich Erektionen weniger schnell und weniger spontan entwickeln. Zudem ist der Penis bei Erektionen nicht mehr so steif, und auch der Erektionswinkel lässt nach. Ein Rückgang der Libido kann ein früher Hinweis auf einen behandlungsbedürftigen Testosteronmangel sein.
Vor Beginn einer Therapie gilt es, altersbedingte Veränderungen der Sexualität von krankheitsassoziierten Symptomen zu unterscheiden. Generell können für eine erektile Dysfunktion vasogene, neurogene, hormonelle und anatomische Ursachen, abgelaufene Operationen, medikamentöse Nebenwirkungen und vor allem spezielle urologische Erkrankungen wie Prostatavergrößerung und Schwellkörperveränderungen verantwortlich sein. Häufige psychogene Faktoren sind Partnerschaftskonflikte, hohe Erwartungshaltungen und psychische Störungen wie Depression.
Ein besonderes Augenmerk sollte bei der klinischen Evaluation darauf gelegt werden, dass die erektile Dysfunktion häufig als erstes klinisches Symptom einer kardiovaskulären Erkrankung bzw. eines metabolischen Syndroms auftreten kann.
Diagnostik
Die Diagnose basiert primär auf den Angaben des Patienten und kann durch objektive Untersuchungsmethoden oder durch die Partnerin/den Partner bestätigt werden. Neben der ausführlichen Medikamentenanamnese werden Nikotin- und Alkoholkonsum, bestehende Krankheiten und zurückliegende Operationen abgefragt. Die detaillierte Sexualanamnese beinhaltet die emotionale und sexuelle Situation in der aktuellen Beziehung und in früheren Partnerschaften sowie Beginn und Dauer der Erektionsstörung. Beschreibungen der Qualität der morgendlichen und der sexuell stimulierten Erektionen bezüglich Rigidität und Dauer können richtungsweisend sein. Zur Objektivierung von Erektions- und anderen Sexualstörungen sowie zur Verlaufskontrolle des Therapieerfolgs existieren validierte Fragebögen.
Weitere Abklärung
Durch gezielte körperliche Untersuchung und Laboruntersuchungen können angeborene oder erworbene Penisdeviationen, Gynäkomastie, benigne Prostatahyperplasie, Prostatakarzinom und Zeichen eines Hypogonadismus (Hodengröße und Konsistenz, Veränderungen der sekundären Geschlechtsmerkmale) aufgedeckt werden. Urogenitaltrakt, Hormonstatus, Gefäßsystem und Nervensystem stehen im Fokus. Die Kombination aus Vorhautverengung (Phimose) und einer Entzündung der Glans penis (Balanitis) kann ein Hinweis auf einen Diabetes mellitus sein.
Eine digital rektale Untersuchung sollte bei jedem Patienten ab 45 Jahren durchgeführt werden. Tabelle 1 zeigt die Basislaborwerte, die bei der Abklärung einer erektilen Dysfunktion und Ausschluss eines metabolischen Syndroms bestimmt werden sollten. Eine zusätzliche Hormondiagnostik muss bei niedrigen Testosteronwerten erfolgen, um eine weitere Differenzierung zu ermöglichen: Bioverfügbares oder kalkuliertes freies Testosteron, follikelstimulierendes Hormon (FSH), luteinisierendes Hormon (LH), Prolaktin. Bei entsprechenden Vorerkrankungen bzw. im Hinblick auf metabolische Risikofaktoren können auch Veränderungen anderer Parameter, z. B. des Harnsäurespiegels, Hinweise auf bestehende Risikofaktoren geben.
Möglichkeiten der hausärztlichen Versorgung
Die Anamnese (mit Sexualanamnese), die körperliche Untersuchung mit Messung des Bauchumfangs und die Laboranalysen können von jedem Arzt durchgeführt werden. Damit lässt sich die Genese der Erektionsstörung in ca. 60 Prozent der Fälle einordnen. In der Regel ist diese Diagnostik bereits ausreichend, um eine Therapie mit oralen Hemmstoffen des Enzyms Phosphodiesterase 5 (PDE 5) einleiten zu können. Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen bzw. mutmaßlichen Ursachen im psychogenen Bereich sollten zu einem in dieser Indikation erfahrenen Psychiater bzw. in eine verhaltenstherapeutische Betreuung überwiesen werden. Vor allem bei jüngeren Patienten (unter 40 Jahren) mit primärer erektiler Dysfunktion ist eine begleitende psychologische Konsultation während der Suche nach der organischen Ursache und während der Therapie sinnvoll.
Orale Therapie
Im Moment sind in Deutschland die vier PDE-5-Inhibitoren Avanafil, Sildenafil, Tadalafil und Vardenafil zur Therapie der erektilen Dysfunktion verfügbar. Der Wirkstoff ist für den Patienten individuell im Hinblick auf die gesundheitliche und sexuelle bzw. partnerschaftliche Situation auszuwählen. Klinisch relevante Unterschiede der Substanzen bestehen hinsichtlich ihrer Pharmakokinetik und Wirkdauer. Während bei Sildenafil die maximale Plasmakonzentration etwa 60 Minuten nach der oralen Gabe erreicht ist, liegt die Spanne bei Avanafil mit ca. 30 Minuten und bei Vardenafil mit ca. 40 Minuten darunter. Bei Tadalafil ist die maximale Plasmakonzentration nach ca. 120 Minuten erreicht. Der klinische Wirkungseintritt findet etwa ab der Hälfte der angegebenen Zeiten bis zum Erreichen des Maximums statt.
Die klinische Wirkdauer für Tadalafil beträgt bis zu 36 Stunden, dagegen wird die Wirkdauer für Avanafil mit bis zu sechs Stunden, für Vardenafil und Sildenafil mit bis zu 12 Stunden angegeben.
Nach dem Ausschluss von Kontraindikationen, z. B. kardiovaskulären Risiken, Einnahme von Nitro-Präparaten, Retinitis pigmentosa etc., sind diese Substanzen in den meisten Fällen sicher einzusetzen. Bei ausbleibender Wirkung bzw. bei Auftreten von Nebenwirkungen müssen Einnahmemodalitäten und Dosierung überprüft werden, gegebenenfalls kann ein Substanzwechsel hilfreich sein. Darüber hinaus sind bei einer Therapie der erektilen Dysfunktion supportive Maßnahmen wie Ernährungsumstellung, Gewichtsreduktion und Steigerung der körperlichen Bewegung sehr empfehlenswert.
Therapieoptionen bei Versagen der oralen Behandlung
Ist das Ansprechen auch nach entsprechenden Anpassungen der oralen Therapie weiterhin unzureichend oder bestehen gutachterliche Fragestellungen bzw. ein erhöhter Abklärungswunsch des Patienten, sind weitere spezifische diagnostische Verfahren indiziert (Tab. 2).
Bei Vorliegen von Kontraindikationen oder bei Nichtansprechen auf die orale Therapie auch nach Gabe von Höchstdosen und mehrmaligen Versuchen (> 6!) können andere Optionen herangezogen werden.
Bei der Schwellkörperautoinjektionstherapie (SKAT) wird eine definierte Dosis eines lokal wirksamen vasoaktiven Stoffs (in der Regel Prostaglandin E1) vom Patienten selbst vor dem gewünschten Geschlechtsverkehr direkt in den Schwellkörper injiziert. Der Wirkstoff Alprostadil findet auch bei der intraurethralen Applikation mithilfe von MUSE (Medicated Urethral System for Erection) Anwendung. Mit einem speziellen Applikator wird ein kleines Zäpfchen in die Harnröhre eingebracht. Von dort gelangt der Wirkstoff über die Schleimhaut und über gemeinsame Blutgefäße aus dem Corpus spongiosum in die Corpora cavernosa und entfaltet dort seine Wirkung.
Eine rein mechanische und relativ kostengünstige Möglichkeit, um unabhängig von der Genese der erektilen Dysfunktion eine Erektion zu erreichen, ist die Verwendung von Vakuum-Erektionshilfen. Diese erzeugen in einem Zylinder, in den der Penis eingeführt wird, einen Unterdruck, der zu einem verstärkten venösen Rückstrom in die Schwellkörper und damit zu einer Erektion führt. Ist der Penis ausreichend aufgerichtet, wird an der Peniswurzel ein Gummiring übergestreift, der den weiteren Blutabfluss verhindert. Eine auf diese Weise aufrechterhaltene Erektion sollte nicht länger als 20 Minuten andauern, da es sonst zu schweren Schäden und Thrombosierungen des Schwellkörpers kommen kann.
Eine weitere Möglichkeit der konservativen Behandlung der erektilen Dysfunktion ist die extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT), bei der an verschiedenen Applikationsorten des Penis über eine am Penisschaft bzw. -damm aufgesetzten Sonde niederenergetische Schockwellen in den Schwellkörper gesendet werden. Hierdurch soll eine Verbesserung der Schwellkörperperfusion und die Bildung neuer Kapillaren (Angiogenese) sowie die Verbesserung der Endothelfunktion erreicht werden.
Nach dem Versagen aller konservativen Behandlungsmöglichkeiten kann bei Patienten mit einer therapierefraktären Erektionsstörung die operative Implantation eines Schwellkörperersatzes erwogen werden. Allerdings muss der Patient gründlich über die damit verbundene vollständige mechanische Zerstörung der Corpora cavernosa und die Irreversibilität des Eingriffs aufgeklärt sein. Die Indikationsstellung für ein Schwellkörperimplantat sollte dem spezialisierten Urologen vorbehalten bleiben.
Fazit
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Das offene und gezielte Ansprechen eventueller Störungen des Sexuallebens ist in der täglichen Praxis wichtig. Zur anamnestischen Evaluation entsprechender Beschwerden sind keine Spezialkenntnisse notwendig, schon das Ansprechen dieses Lebensbereichs kann beim Patienten unter Umständen lang gehegte Bedenken lösen und weitere diagnostische Maßnahmen auf den Weg bringen.
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Eine individuell adaptierte Therapie ist durch die Verfügbarkeit verschiedener konservativer und operativer Behandlungsoptionen möglich und notwendig. Neben der Anwendbarkeit und Wirksamkeit sind bei der Wahl der entsprechenden Therapie auch die Bedürfnisse des Patienten und der Partnerin einzubeziehen.
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Auch nach dem Nichtansprechen auf die orale Medikation gibt es für Patienten mit organisch bedingten Erektionsstörungen eine Reihe von weiteren pharmakologischen und nicht medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten, die individuell nach Wirksamkeit und Akzeptanz bewertet werden müssen.
Literatur beim Verfasser. Interessenskonflikte: keine