„Fluch des Pharao“, „Pyramiden-Sidestep“, „Delhi Belly“, „Turista“ oder „Montezumas Rache“ – für die Reisediarrhö gibt es viele Bezeichnungen. Diese Erkrankung ist die häufigste Reisekrankheit überhaupt.
Wer ist gefährdet?
Das Risiko für Reisedurchfall ist besonders hoch in den Subtropen, den Tropen, aber auch in der Mittelmeerregion (Synonyme wie „Rome Runs“ oder „Greek Gallop“ sprechen Bände). Als Hochrisikogebiete gelten Afrika südlich der Sahara, Südamerika und Südasien. Die Reiseart kann das Risiko erhöhen. Auf Nilkreuzfahrten etwa bekommen bis zu 80% der Passagiere akuten Durchfall. Trekker und Abenteuerreisende sind grundsätzlich eher gefährdet als Touristen, die in 4-Sterne-Hotels absteigen.
Frauen erkranken auf Reisen eher an Durchfall als Männer. Besonders häufig betroffen sind Säuglinge und Kinder, Schwangere, alte Menschen, chronisch Kranke und Patienten, die nur wenig Magensäure bilden oder Säureblocker wie Protonenpumpenhemmer nehmen.
Was sind die Ursachen?
Stress, Aufregung, Anstrengung, ungewohntes Klima, Zeitverschiebung, fremdes Essen können zur Entwicklung einer Reisediarrhö beitragen. Meistens handelt es sich aber um eine Infektion. 80 Prozent der Diarrhöen auf Reisen werden von Bakterien ausgelöst, in aller Regel sind das Kolibakterien (ETEC), in Südostasien sind auch Salmonellen und Shigellen häufig. Hinter etwa 15 Prozent der Reisedurchfälle stecken Noroviren. Vor allem auf Kreuzfahrtschiffen können sie Epidemien verursachen. Infektionen mit Protozoen oder Würmern sind selten. Sie führen zu schweren, langen Erkrankungen, oft mit hohem Fieber.
Welche Symptome treten auf?
Die Reisediarrhö ist definiert als mehr als drei Darmentleerungen mit breiigem oder flüssigem Stuhl pro Tag während einer Reise oder bis zu 10 Tage nach der Rückkehr. Als unkompliziert gilt die Reisediarrhö, wenn der Patient außer dem Durchfall nur etwa Übelkeit, Bauchschmerzen oder (schmerzhaften) Stuhldrang hat. Unkomplizierter Reisedurchfall tritt typischerweise in der 1. Reisewoche auf (bis etwa zum 9. Tag). Ist der Stuhl aber blutig-breiig und/oder hat der Patient Fieber, muss davon ausgegangen werden, dass es sich um ein invasives, schweres Geschehen handelt. In diesen Fällen sollte ein Arzt vor Ort aufgesucht werden.
Was tun bei „Montezumas Rache“?
Fast immer ist eine Reisediarrhö selbstlimitierend und dauert nur wenige Tage. Der Reisende wird sich in der Regel selbst behandeln müssen. Hat Montezumas Rache zugeschlagen, ist es das Wichtigste, den Flüssigkeits- und Mineralienverlust auszugleichen, also viel abgekochtes oder Mineralwasser, Tee oder Fruchtsaft zu trinken sowie Salz zu sich zu nehmen. Eine derartige orale Rehydratationstherapie reicht meist schon aus.
Bei hohem Flüssigkeitsverlust können Elektrolyt-Fertigpräparate sinnvoll sein, vor allem für Kinder. Orale Glukose-Elektrolyt-Pulver (etwa Elotrans® oder Oralpädon® für Kinder) gehören in die Reiseapotheke, vor allem wenn subtropische oder tropische Länder besucht werden oder wenn Rucksackreisen geplant sind.
Zur symptomatischen Therapie sind Präparate mit Saccharomyces boulardii (z.B. Perenterol®, Eubiol®, Yomogi®) geeignet. Auch andere Probiotika werden zur Therapie bei akutem Durchfall empfohlen. Allerdings müssen sie gekühlt aufbewahrt werden, sind also für die meisten Reisen nicht geeignet. Manche Reisemediziner favorisieren adstringierende Präparate, die Tanninalbuminat enthalten (etwa Tannacomp® oder Tannalbin®). Mit all diesen Mitteln ist auch eine Prophylaxe möglich. Sie kann das Risiko für eine Reisediarrhö leicht, aber signifikant senken, so das Ergebnis von Metaanalysen.
Wenn der Reisende eher auf Phytotherapie oder Homöopathie setzen möchte, so kann man ihm Uzarawurzel zur symptomatischen Therapie empfehlen (etwa Uzara®), vor allem, wenn der akute Durchfall mit krampfartigen Bauchschmerzen einhergeht. Eine homöopathische Option ist etwa Okoubaka (Afrikanischer Rindenbaum). Das Mittel hat sich bei Reisediarrhö bewährt und wird meist in der Potenz D3 verwendet. Sinnvoll ist es, Reisenden auch Metoclopramid gegen Übelkeit und Erbrechen (etwa Paspertin ®, MCP-ratiopharm, Cerucal ®, Gastronerton®) sowie Butylscopolamin gegen Bauchkrämpfe (Buscopan®) zu verschreiben.
Wenn rasche Hilfe nötig ist
Der Motilitätshemmer Loperamid (z.B. Imodium®) ist die beste Wahl, wenn schnelle Hilfe nötig ist, etwa weil der Darm wegen einer Busreise oder eines Flugs ruhiggestellt werden muss. Motilitätshemmer sollten aber nie länger als 48 Stunden genommen werden. Denn sie können eine Enteroinvasivität und Darmatonie begünstigen. Die Darmlähmung wiederum kann eine Infektion fördern, vor allem von Shigellen, Yersinien oder Salmonellen. Viele Experten verordnen deshalb parallel zu Loperamid ein Antibiotikum.
Antibiotika sollten Reisende in den Subtropen und Tropen immer dabei haben. Sie sind nötig, wenn der Durchfall blutig oder sehr massiv ist und/oder mit Fieber einhergeht. Eine Selbsttherapie ist aber wirklich nur im Notfall indiziert, wenn kein Arzt aufgesucht werden kann. Man sollte dem Reisenden einschärfen, dass er die Antibiotika nicht bei jeder unkomplizierten Reisediarrhö einsetzen soll.
Am besten geeignet sind Chinolone, Rifaximin und Azithromycin. Weltweit steigen jedoch die Resistenzen, in einigen Urlaubsregionen vor allem gegen Ciprofloxacin, das am längsten in der Reisemedizin eingesetzte Antibiotikum. Je nach Reiseziel und Reisestil kann es deshalb sinnvoll sein, zwei verschiedene Antibiotika zu verordnen, also Ciprofloxazin oder Rifaximin plus Azithromycin.
Wenn die Diarrhö nach der Rückkehr weiter anhält
Reisediarrhö, die auch nach Rückkehr persistiert, sollte immer ernst genommen werden, vor allem, wenn der Patient ein Risikoland besucht hat. Selbst Malaria tropica kann sich dahinter verbergen. Denn Durchfall ist ein häufiges Symptom bei Malaria (etwa 10 – 15 Prozent).
Wie schützt man sich vor „Pharaos Fluch“?
Die meisten Erreger werden fäkal-oral übertragen. Häufiges Händewaschen sowie eine gute Nahrungs- und Trinkhygiene können viele Infektionen verhindern. Meist wird der Spruch „Peel it, boil it, cook it, or forget it“ („Schäl es, koch es, brat es oder vergiss es“) zitiert. Doch auch das bietet kein 100-prozentigen Schutz, wie am Beispiel Wassermelonen zu sehen ist. Wassermelonen werden nach Gewicht verkauft. So mancher Händler macht seine Melonen deshalb schwerer und spritzt Wasser in die Frucht. Doch das Wasser ist häufig kontaminiert.
Daher haben manche Experten den Spruch etwas abgemildert: „Essen Sie nur, was gut aussieht, gut riecht und gut schmeckt.“
Gibt es Medikamente zur Prophylaxe?
Medikamentös vorbeugen kann man mit Saccharomyces-boulardii- oder Tanninalbuminat-Präparaten. Auch mit Lactobazillen (etwa Infectodiarrstop® LGG) kann man die Darmflora vorbereiten.
Eine direkte Impfung gegen die Reisediarrhö gibt es nicht. Allerdings gibt es die Möglichkeit einer oralen Cholera-Impfung (Dukoral®). Das ETEC-Toxin ähnelt dem Cholera-Toxin. Durch eine Kreuzprotektion kann dieser Impfstoff bis etwa 50 Prozent der Reisediarrhöen verhindern. Empfohlen wird das allen Risikogruppen bei Reisen in warme Länder. Dazu zählen alte Menschen, chronisch Kranke und Menschen, die leicht zu Durchfall neigen. Viele gesetzliche Krankenkassen übernehmen die Kosten.
Hygiene-Regeln, die man in tropischen und subtropischen Landern einhalten sollte
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Nie Wasser aus der Leitung trinken (auch nicht in guten Hotels).
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Auch zum Zahneputzen industriell abgepacktes Mineralwasser verwenden.
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Keine offenen Getranke, nur Getranke aus verschlossenen Flaschen oder Dosen; dabei sind Getranke mit Kohlensaure zu bevorzugen, da das Infektionsrisiko niedriger ist.
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Nie aus der Flasche trinken.
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Notfalls Wasser abkochen (bis 1000 Metern Hohe 1 Minute sprudelnd abkochen, bis 2000 Metern 2 Minuten, bis 3000 Metern 3 Minuten … Manche Experten raten, das Wasser immer 5 Minuten abzukochen).
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Heis aufgebruhte Getranke wie Tees oder Kaffee sind kein Problem.
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Keine Eiswurfel (sind oft aus verunreinigtem Wasser), kein offenes Speiseeis, kein Pudding, keine Cremespeisen.
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Vorsicht mit Salaten (oft mit menschlichen Fakalien gedungt), rohem Obst oder Gemuse (es sei denn, man kann sie selbst schalen).
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Nur frisch zubereitete gekochte oder gebratene Speisen, Aufgewarmtes lieber stehen lassen.
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Vorsicht bei Meeresfruchten! Nie roh, hochstens frisch zubereitet verzehren.
Orale Rehydratationslosung nach WHO
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8 Teeloffel Zucker
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1 gestrichener Teeloffel Salz
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Und, falls zur Hand, dreiviertel Teeloffel Backpulver (Natriumbikarbonat)
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Auf 1 Liter sauberes (notfalls abgekochtes) Trinkwasser
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Oder auf 1 Liter Orangensaft (Saft hat den Vorteil, dass er auch Kalium enthalt, sollte auf jeden Fall zusatzlich getrunken werden)
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Man kann auch einen halben Liter Trinkwasser mit einem halben Liter Orangensaft mischen
Tipp
Auch ein harmloser Reisedurchfall kann die Medikation von chronisch Kranken durcheinander bringen. Bei Diabetikern etwa kann Diarrhö zu Stoffwechselentgleisungen führen. Auch das muss vor der Reise angesprochen werden. Und: Frauen, die die Pille nehmen, sollte geraten werden, auch Kondome mitzunehmen. Denn falls es zu einer Reisediarrhö kommt, ist auf die Pille kein Verlass mehr.