Für den Anbau von medizinischem Cannabis gelten in Deutschland besonders strenge Regeln. Der Weg vom Steckling zum fertigen Arzneimittel.
Steinwolle statt Erde, Kunstlicht statt Sonne, vergitterte Öffnungen statt Fenster. Während Simon von Berlepsch die neue Cannabis-Produktionsanlage seines Arbeitgebers Aurora beschreibt, wird schnell klar, dass es sich dabei nicht um ein Gewächshaus handelt, sondern um eine Art gigantischen Tresor.
Das Gebäude steht im Chemiepark Leuna. Das Gelände, einst Standort großer DDR-Raffinerien, ist komplett abgeschlossen: Ein großer Zaun umgibt es, hinein gelangt man nur über eine Sicherheitsschleuse. Wer die Produktionsanlage betreten will, muss einen weiteren Sicherheitscheck passieren. Ohnehin gibt es nur einen einzigen, von einer Tresortür gesicherten Eingang; die Stahlbetonwände des Gebäudes sind 25 cm dick.
Die baulichen Anforderungen hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vorgegeben, schließlich sollen hier bald Betäubungsmittel produziert werden. Vor zwei Jahren ist Aurora gemeinsam mit zwei Mitbewerbern in einem Ausschreibungsverfahren ausgewählt und vom BfArM beauftragt worden, Cannabis für medizinische Zwecke in Deutschland anzubauen.
Insgesamt 10.400 kg sollen die drei Unternehmen innerhalb von vier Jahren produzieren. Aurora soll während dieses Zeitraums 4.000 kg an die Cannabisagentur des BfArM liefern. Wegen der Corona-Pandemie hat sich das Projekt zwar verzögert, nun aber sind die Pflanzräume fast fertig und bald können die ersten Pflanzen einziehen.
Stecklinge statt Samen
Es gibt verschiedene Sorten von Cannabispflanzen. In Leuna soll nur eine Sorte angebaut werden, die Pflanzen für die Produktionsstätte kommen aus Kanada. “Wir werden aus diesen Pflanzen Mutterpflanzen generieren, die ständig für neue Stecklinge sorgen”, erklärt von Berlepsch.
Eine Mutterpflanze wird nie zur Blüte gebracht, sondern produziert nur Blätter und Triebe. Durch das Klonen – die Entnahme von Stecklingen von der Mutterpflanze – ist jede nachgezogene Cannabispflanze genetisch identisch mit der Mutterpflanze. Damit ist gewährleistet, dass auch die Inhaltsstoffe immer gleich sind. Bei einer Anzucht aus Samen wäre die Varianz zu groß.
Eine zertifizierte Anlage in Kanada überprüft die künftigen Mutterpflanzen für Leuna in einer phytosanitären Inspektion. Diese läuft über mehrere Monate und soll unter anderem sicherstellen, dass die Pflanzen frei von Schädlingen sind. Damit die Qualität der Stecklinge gleichbleibend ist, haben die Mutterpflanzen zudem nur eine eingeschränkte Nutzungsdauer: Nach circa einem Jahr wird eine neue generiert.
Die Anzucht
Die entnommenen Stecklinge werden in kleine Steinwolle-Quader gesetzt. Mit Erde sollen sie nicht in Berührung kommen – so ist ausgeschlossen, dass Schadstoffe in die Pflanze gelangen, zudem sinkt das Risiko für einen Schädlingsbefall. Nach ein bis zwei Wochen schlagen sie Wurzeln.
“Wir haben HPS-Lampen, die die Pflanzen beleuchten, eine vollautomatische Bewässerung und Kohlendioxid, das mit eingeleitet wird, um das optimale Pflanzenwachstum zu gewährleisten”, berichtet von Berlepsch. “Sicher ist es schöner, in einem Gewächshaus zu arbeiten – aber die strengen Sicherheitsvorschriften für den Anbau in Deutschland sind so festgelegt.” Deutschland bildet hier weltweit eine Ausnahme – in Dänemark wachsen die Cannabispflanzen im Gewächshaus, ebenso in den Niederlanden.
Mindestens einmal wöchentlich soll eine Nährstoffanalyse des Gießwassers stattfinden: Analysiert wird dabei sowohl das Wasser, das zu den Pflanzen fließt, als auch das Wasser, das wieder abgeht. So lässt sich überprüfen, welche Nährstoffe die Pflanzen aufnehmen und welche sie weniger brauchen. Bei dem Gießwasser handelt es sich um Reinstwasser, das eine Anlage produziert und dem dann kontrolliert Nährstoffe zugesetzt werden.
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