In der Altersgruppe der 65- bis 79-jährigen Deutschen konsumiert etwa jeder dritte Mann und jede sechste Frau Alkohol in riskantem Maße. Die negativen Konsequenzen dieses Konsums können sich bei den Älteren sogar noch intensivieren. So steigt etwa das ohnehin erhöhte Frakturrisiko und der Alkohol interagiert ungünstig mit den Medikamenten, die für altersbedingte Erkrankungen eingenommen werden.
Da aufgrund des demografischen Wandels zukünftig mehr Personen unter einer Alkoholkonsumstörung (AUD) leiden werden, herrscht ein dringender Bedarf für adäquate Versorgungsstrukturen. So gibt es bislang kaum angepasste Therapiekonzepte für Ältere.
Problematisch ist zudem, dass in der primärärztlichen Versorgung nur etwa ein Drittel der Älteren mit AUD eine entsprechende Diagnose erhält, obwohl fast alle älteren Patienten mindestens einmal im Jahr ihren Hausarzt aufsuchen.
Die Einstellung: “bei Älteren bringt es doch nichts mehr, das Gläschen Wein zu verbieten bzw. eine Therapie zu beginnen” lässt sich nicht begründen – denn die Therapie von Alkoholkonsumstörungen wirkt bei Älteren mindestens so gut wie bei Jüngeren.
Das zeigt etwa die Elderly-Studie, in der über 60-jährige AUD-Patienten entweder eine motivierende Gesprächsführung (4 Sitzungen) oder zusätzlich noch eine verhaltenstherapeutische Therapie (8 Sitzungen) erhielten.
Die Therapieeffekte nach 6 und 12 Monaten zeigten in beiden Gruppen eine deutliche und nachhaltig positive Entwicklung des Trinkverhaltens: Der Anteil an AUD-Patienten mit Abstinenz erhöhte sich um das 3,5-fache, die Zahl der Patienten ohne Tage mit riskantem Alkoholkonsum stiegen um das 10-fache und der Anteil an Patienten, die auf Rauschtrinken verzichtete, erhöhte sich um das 5-fache, verglichen mit dem Ausgangswert.
Insgesamt beobachtete man eine Verschiebung hin zu einer leichter ausgeprägten AUD. Bemerkenswert: Je älter die Studienteilnehmer waren, desto höher waren die Erfolgsaussichten!
Somit steht eine wirksame Intervention zur Verfügung, die trotz einer relativ kurzen Therapiezeit (4-12 Wochen) das Trinkverhalten positiv beeinflusst. Dabei scheint es nicht so wichtig, welche Art der Intervention erfolgt, entscheidend ist vielmehr, dass überhaupt jemand mit den Betroffenen über ihre Situation spricht. Manuale Informationsleitfäden für ein solches Gespräch finden sich im Internet unter: www.alter-sucht-pflege.de/index.php
(PD Dr. Larissa Schwarzkopf, München)
Der Junge isst nur Chips
In Großbritannien machte ein Junge Schlagzeilen, der sich fast ausschließlich von Chips ernährte – und schwere körperliche Schäden davontrug. Inzwischen hat diese Form der Essstörung einen Namen: Sie wird als “Störung mit Vermeidung und/oder Einschränkung der Nahrungsaufnahme” (ARFID, für avoidant/restrictive food intake disorder) bezeichnet.
Charakteristisches Merkmal ist das Desinteresse an Essen und die Vermeidung von Nahrung aufgrund sensorischer Merkmale. Durch die hochselektive Nahrungsaufnahme kommt es zu massivem Gewichtsverlust, Gedeihstörungen und ernährungsbedingten Mangelerscheinungen.
Auch die psychosoziale Funktionsfähigkeit kann deutlich beeinträchtigt sein. Betroffen sind doppelt so viele Jungen wie Mädchen im Alter von acht bis 13 Jahren. Es liegen keine Hinweise auf eine gestörte Körperwahrnehmung vor, komorbide psychiatrische Probleme sind jedoch häufig. Als Therapie der Wahl gilt die kognitive Verhaltenstherapie.
(Prof. Ulrich Voderholzer, Prien am Chiemsee)
Bei jugendlichem Suchtverhalten früh intervenieren
Jugendliche konsumieren insbesondere Alkohol, Nikotin und Cannabis. Darüber hinaus gaben in einer Umfrage nur wenige Schüler an, auch psychoaktive Substanzen zu verwenden.
Beim Substanzmissbrauch lassen sich drei große Trends beobachten: Opioide – wobei Hustensäften mit Sprite gemischt werden (“dirty Sprite”), Opiate wie z.B. Tilidin oder Oxycodon, sowie synthetische Cannabinoide.
Seit 2020 wird eine Zunahme des Benzodiazepin-Konsums (Alprazolam) beobachtet. Ihren “Stoff” besorgen sich die Jugendlichen meist im Internet. Wie bei älteren Patienten fehlen auch für Jugendliche mit Suchtproblemen vielerorts altersgemäße Therapieangebote; zudem stehen nur wenige spezialisierte Einrichtungen zur Verfügung.
Einer Metaanalyse zufolge ist eine Kurzintervention mit motivierender Gesprächsführung sowohl bei Alkoholkonsumstörungen wie auch bei substanz-bezogenen Problemen hilfreich. Die Chronifizierung der Sucht lässt sich nur durch eine frühe Intervention aufhalten.
(Dr. Patrick Köck, Basel)
Sport als Therapie bei Suchtproblemen?
Die Datenlage zu Bewegungsinterventionen bei Suchtpatienten ist dünn. Zwei Metaanalysen zeigten jedoch, dass Bewegung den Beginn des Alkoholkonsums signifikant verhinderte, vier Studien konnten keinen Effekt auf den Alkoholkonsum nachweisen. Entsprechende Einrichtungen bieten nur selten ein eigenes Fitnessprogramm an, obwohl fast die Hälfte der Behandler dies für wichtig erachtet.
(Dr. med. Dr. phil. Ursula S. Spitzer, Basel)
Wenig schwere COVID-19-Verläufe
Während in den USA Patienten mit Substanzmissbrauch eine 8,7-fach erhöhte COVID-19-Infektionsrate und signifikant häufiger schwere beziehungsweise letale Verläufe aufwiesen, erkrankten Suchtpatienten im deutschsprachigen Raum nicht häufiger an COVID-19 als die Allgemeinbevölkerung.
Auch schwere Verläufe waren selten. Dies lässt sich einerseits auf allgemeine protektive Maßnahmen und andererseits auf das gute soziale und medizinische Versorgungssystem zurückführen.
(Dr. Hans Haltmayer, Wien)