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ReportageJe einfacher die Impfung, desto diffiziler die Herstellung

Bis eine Impfung beim Patienten ankommt, vergehen meist zehn Jahre für die Forschung, mehr als ein Jahr für die Zulassung und bis zu zwei Jahre für die Produktion. Ein Blick hinter die Kulissen eines Impfstoffwerks.

Zwei Millionen Impfstoffdosen entstehen in Wavre pro Tag.

Kein Haar, kein Staubkorn, keine Finger -abdrücke. Alles blitzt und blinkt: Böden, Wände, Kessel aus Stahl. Die trockene Luft getränkt von Desinfektionsmittel. Man traut sich kaum zu atmen. Hygiene ist das oberste Gebot im Labor der Sicherheitsstufe 3 von GlaxoSmithKline (GSK). In Wavre entstehen pro Tag zwei Millionen Impfdosen.

In Hunderten von Schritten werden Bakterien oder Viren gezüchtet, isoliert und gereinigt. So aufwändig wie die Gewinnung der Antigene sind auch die Hygieneregeln für Mitarbeiter. Ins Labor gelangt man nur über die Umkleide. Ein roter Strich auf dem Boden trennt sie in zwei Hälften. Nun heißt es: Ausziehen – bis auf die Unterhose. Wie vor einer Op werden die Hände gewaschen und desinfiziert. Jetzt schlüpft man in einen dunkelblauen Pyjama. Darüber trägt man den hellblauen Laboranzug: Tüte mit einem Tuch desinfizieren, aufreißen und vorsichtig den Anzug überstreifen, ohne dass er den Boden berührt. Haube über die Haare, Plastiküberzieher an die Füße. Nun darf man die rote Linie passieren. In den nächsten zwei Räumen muss man eine kniehohe Bank überqueren: hinsetzen, Beine über die Bank schwingen, neue Überzieher an die Füße. Zuletzt tauscht man die Plastikfüßlinge gegen Laborschuhe und setzt eine Brille auf, damit keine Wimpern oder Make-up-Reste ins Labor gelangen.

Anzüchten, isolieren, reinigen. Inaktivieren, zwischenlagern, mischen. Was sich einfach anhört, sind in Wahrheit komplexe Prozesse. So können die Einzelteile eines Impfstoffs nicht einfach gemischt werden, weil es die Wirksamkeit und Haltbarkeit verschlechtert. “Vom Beginn der Herstellung bis zum Markteintritt vergehen bei einem Impfstoff mit sechs Antigenen etwa zwei Jahre”, erzählt John McGrath, Produktionsleiter Impfstoffe bei GSK. Es gilt: Je einfacher die Impfung für den Patienten (etwa Sechsfach-Impfung), desto schwieriger deren Herstellung. Jede Dose durchläuft 500 Tests, bis sie in die Praxis kommt.

In der Produktionshalle rattern die Fließbänder. Im Sekundentakt flitzen die aufgereihten Phiolen an Kameras vorbei. Zehn Phiolen rechts, eine links: falsche Füllmenge, Schwebteilchen in der Lösung, Kratzer im Glas – fehlerhafte Phiolen filtert die automatische Qualitätskontrolle aus. Zwei Drittel der Produktionszeit fällt für Qualitätsprüfungen an, nur ein Drittel für die Herstellung des Impfstoffs. Etwa sechs Prozent werden wegen Fehlern aussortiert, dann kommen sie “nach nebenan”: Dort sitzen im Halbdunkel die Mitarbeiter der manuellen Qualitätskontrolle.

Sie greifen immer drei Phiolen auf einmal, schwenken sie erst vor einer schwarzen, dann vor einer weißen Platte für je fünf Sekunden. Je nach Hintergrund werden andere Fehler sichtbar. Ein Beamer projiziert das Tagespensum und die Uhrzeit an die Wand. Denn die Mitarbeiter dürfen weder zu schnell, noch zu langsam kontrollieren. Jedes Land schreibt den Herstellern andere Qualitätskontrollen vor. Japan lässt alle Dosen manuell prüfen, andere Länder ausschließlich automatisch und wiederum andere sehen beides vor.

Neben den Vorschriften unterscheiden sich auch die Produktionsprozesse: Dabei gleicht kein Impfstoff dem andern. Jeder hat sein eigenes Verfahren, oft können die Anlagen nur für einen Impfstoff genutzt werden. Selbst innerhalb einer Produktion variieren die Komponenten: Bei manchen dauert die Herstellung drei Monate, bei anderen zwölf. Sie sind unterschiedlich haltbar und entstehen teils an anderen Standorten. Und auch die Ausbeute der Anzucht schwankt. Produktion, Lagerung und Logistik ähneln daher einem Puzzle, dessen Teile für jede Charge neu zusammengesetzt werden müssen. “Die Nachfrage für einen Impfstoff müssen wir idealerweise fünf Jahre im Voraus planen”, sagt McGrath. Das erklärt auch, warum Impfstoffe nicht immer lieferbar sind, wenn Patienten diese ad-hoc wünschen.

Quelle: Besichtigung des Impfstoffwerks von GlaxoSmithKline (GSK) in Wavre.

Mögliche Interessenkonflikte: GSK hat die Reisekosten der Autorin übernommen.

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