Zu den ältesten Therapieformen in der Medizin gehört seit jeher die Anwendung von Heilpflanzen. Zu den Aufzeichnungen der antiken Medizin gehören vor allem historische Quellen über Heilkräuter und ihre Wirkungen in alten Rezeptarien und Kräuterbüchern [1,2].
Der jahrhundertelangen traditionellen und empirischen Anwendung von Phytopharmaka steht zwischenzeitlich eine umfangreiche Grundlagen- und klinische Forschung gegenüber. Die moderne rationale Phytotherapie beruht demnach auf der historischen Grundlage und tradierten Erfahrungen und sie stützt sich auf qualitativ hochwertige Extrakte, experimentelle und toxikologische Untersuchungen und klinische Studien zur Wirksamkeit und Unbedenklichkeit.
Bindeglied zwischen Schulmedizin und Naturheilkunde
Die Phytotherapie bildet quasi das Verbindungsglied zwischen Schulmedizin und Naturheilkunde, weil sie sowohl traditionelle Phytopharmaka (pharmazeutische Dokumentation, tradierte Erfahrung) als auch wissenschaftlich geprüfte Phytopharmaka (Prüfung der pharmazeutischen Qualität und Nachweis der Wirksamkeit für die beanspruchten Anwendungsgebiete) pflanzlichen Ursprungs anwendet.Pflanzliche Arzneimittel werden in der hausärztlichen Praxis im Allgemeinen bei Befindlichkeitsstörungen und geringfügigen Gesundheitsstörungen eingesetzt. Bei schweren Erkrankungen finden sie meistens adjuvant Anwendung. Pflanzeninhaltsstoffe haben unterschiedliche Wirkungen, beispielsweise wirken sie
- antientzündlich,
- abschwellend,
- antimikrobiell,
- schleimhautprotektiv
- und spasmolytisch.
Arzneipflanzen werden überwiegend in Form von Zubereitungen (wässrige oder alkoholische Extrakte) eingesetzt; sie werden dann für die äußerliche Anwendung in Form von Umschlägen oder Bädern, Salben und Cremes empfohlen oder sie werden als Tabletten, Kapseln, Dragees, Tropfen, Saft oder Teemischungen auf „grünem“ Rezept verordnet.
Erkältungen
Dem einen läuft die Nase, dem anderen kratzt der Hals, dem einen ist kalt und er fröstelt, der andere niest unentwegt, und alle fühlen sich schlapp, elend und fiebrig – eben krank. Erkältungen werden durch unterschiedliche Viren hervorgerufen, die Symptome entwickeln sich rasch und nach einigen Tagen ist der Höhepunkt des Infekts erreicht. Die klinische Symptomatik korreliert nicht mit dem viralen Auslöser. Die meisten respiratorischen Viren, die Erkältungskrankheiten auslösen, führen bei erneuter Exposition zu einer Re-Infektion mit milderem klinischen Verlauf. Virale Erkältungskrankheiten(„Common Cold“) haben eine Inkubationszeit von 24 bis 72 Stunden, sind in der Regel selbstlimitierend und dauern 4 bis 10 Tage. Die Pflanzenheilkunde bietet vielfältige Möglichkeiten, um die Symptome einer Erkältungskrankheit zumindest zu lindern. Pflanzliche Arzneimittel können Fieber und Schmerzen lindern, den Allgemeinzustand verbessern und die Krankheitsdauer durch Stabilisierung des Immunsystems verkürzen.
Phytotherapie bei Infektionen der oberen Atemwege
Wenn die Symptome einer Erkältung gerade beginnen, kann das Sonnenhutkraut (Echinacea purpurea) helfen, bevor es schlimmer wird. Es hat entzündungshemmende und antibakterielle Effekte und ist in Echinacin- Präparaten enthalten. Patienten mit Allergien dürfen echinacinhaltige Arzeien jedoch nicht erhalten. Auch eine Kombination aus Kapuzinerkressekraut und Meerrettichwurzel (z. B. Angocin®) eignet sich bei Erkältungskrankheiten. Bei Halsschmerzen und Schleimhautentzündung im Mund- und Rachenraum bietet sich die Eibischwurzel an. Sie bildet einen schützenden Überzug, der die Mundschleimhaut vor Reizeinwirkungen schützt.
Zur Erleichterung der Nasenatmung gibt man abschwellende Nasentropfen. Zusätzlich kann man zur Vermeidung der Austrocknung der Schleimhäute Nasenspülungen mit Kochsalzlösungen oder Meerwasserzubereitungen empfehlen. Einreibungen mit ätherischen Ölgemischen aus Eukalyptus und Kiefernadelölen, Menthol und Cineol oder Menthol und Campher lindern die Symptome. Sekretolytisch wirken vor allem Dampfinhalationen.
Phytotherapie bei Bronchitis
Bei bronchitischem Infekt erfolgt vor allem die Sekretolyse und antitussive Behandlung. Hilfreich ist, viel zu trinken, z. B. Bronchialtee (mit Spitzwegerich, Thymian, Lindenblüten und Fenchel) und Inhalationen mit Wasserdampf oder Kamillenlösung durchzuführen. Pflanzliche Expektoranzien sind Arzneien aus Efeublättern und Primelwurzeln. Die verwendeten pflanzlichen Arzneien lassen sich im Wesentlichen drei Gruppen zuordnen:
- Ätherisch-ölhaltige Drogen, z. B. Anisfrüchte, Fenchelfrüchte, Thymiankraut; diese wirken vor allem bronchospasmolytisch und expektorierend.
- Saponindrogen, z. B. Efeublätter, Primelwurzel; diese wirken antiphlogistisch und bakteriostatisch und sekretlösend.
- Sekretolytische Drogen, z. B. Eibischwurzel, Malvenblüten, Spitzwegerichkraut, wirken antiphlogistisch.
Ätherische Öle sind leicht flüchtige Stoffe, die für den charakteristischen Geruch der verschiedenen Heilpflanzen verantwortlich sind. Sie sind wasserunlösliche Stoffgemische unterschiedlicher Zusammensetzung. Die bekanntesten Terpene sind Menthol aus Pfefferminz, Campher aus dem Kampferbaum und Cineol aus dem Eukalyptusbaum. Um die Sekretolyse zu fördern und die Muskulatur im Brustbereich zu entspannen, sind zusätzliche Einreibungen und Inhalationen zu empfehlen, z. B. mit
- Eukalyptusöl, Fichtennadelöl, Pfefferminzöl (z. B. Bronchoforton®),
- Eukalyptusöl, Kiefernnadelöl, Levomenthol (z. B. Pinimenthol®),
- ätherischem Öl aus dem Kraut der Japanischen Minze (z. B. JHP® Rödler). Das Minzöl ist hochkonzentriert und kann leicht überdosiert werden. Bei Kopfschmerzen reicht ein Tropfen – mit dem Zeigefinger auf den Schläfen und im Nacken aufgerieben – aus. Der Patient ist auf eine anschließende gründliche Reinigung der Hände hinzuweisen. Das Minzöl darf vor allem nicht in die Augen oder die Nasenschleimhaut gelangen.
Ätherische Öle können auch innerlich angewendet werden, um die Sekretolyse zu unterstützen. Dem Myrtol wird zusätzlich zur sekretolytischen Komponente auch ein entzündungshemmender Effekt zugesprochen.
Fazit
Pflanzliche Arzneimittel lassen sich bei zahlreichen Beschwerden und Erkrankungen einsetzen. Sie besitzen im Allgemeinen eine große therapeutische Breite und sind gut verträglich. Auch Arzneien aus Heilpflanzen können unerwünschte Wirkungen haben, was bei der Verordnung ebenso zu berücksichtigen ist wie mögliche Kontraindikationen und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten.
Mögliche Interessenskonflikte: Der Autor hat keine deklariert.
Literatur
- 1 Leven K.-H. Geschichte der Medizin. Von der Antike zur Gegenwart. München: C.H. Beck 2008.
- 2 Eckart W.U. Illustrierte Geschichte der Medizin. Von der französischen Revolution bis zur Gegenwart. Heidelberg: Springer 2011.
- 3 Brunold G (Hrsg.). Nichts als die Welt. Reportagen und Augenzeugenberichte aus 2500 Jahren. Berlin: Galiani 2009; 27-28.
- 4 Melchart,D; Brenke R, Dobos G et al. Naturheilverfahren. Leitfaden für die ärztliche Aus-,Fort- und Weiterbildung. Schattauer 2002.