Zum überwiegenden Teil der komplementär eingesetzten Phytotherapeutika wurden bei Patienten mit CED bisher keine oder nur wenige Studien durchgeführt. Nachfolgend eine Übersicht über die pflanzlichen Medikamente, zu denen erste klinische Studien zur Indikation CED vorliegen.
Flohsamen
Gemahlene Flohsamenschalen wirken als Quellmittel bzw. Gelbildner, erhöhen das Stuhlvolumen, regulieren die Peristaltik und haben eine milde antientzündliche Wirkung. Dosierung zur Remissionserhaltung bei Colitis ulcerosa: 1–3 x täglich 5 g.
Studien: In einer prospektiven, randomisierten, offenen Studie wurden eine remissionserhaltende Therapie mit Plantago ovata (2 x 10 g/Tag), Mesalazin (3 x 500 mg/Tag) und einer Kombinationstherapie aus beiden Medikamenten bei 102 Patienten mit Colitis ulcerosa untersucht. Bei der Remissionserhaltung nach 12 Monaten zeigte sich kein signifikanter Gruppenunterschied.
Kontraindikation: Bekannte Stenosen.
Neben- und Wechselwirkungen: Blähungen, Völlegefühl, in seltenen Einzelfällen Überempfindlichkeitsreaktionen. Mögliche Wirkungsherabsetzung gleichzeitig eingenommener Medikamente.
Leitlinien: Plantago ovata kann in der remissionserhaltenden Behandlung bei Colitis ulcerosa eingesetzt werden.
Zulassung als Arzneimittel, erstattungsfähig bei M. Crohn (hierzu jedoch keine Studie).
Weihrauch
Trockenextrakt aus dem Harz der Rinde von Boswellia serrata. Hauptwirkstoff: Boswelliasäure. Antiinflammatorische, antiarthritische und antiproliferative Effekte.
Dosierung: 3 x tägl. (1–)2 Tabletten à 400 mg.
Studien: Bei M. Crohn im akuten Schub war H15 in einer Studie mit 102 Patienten Mesalazin zur Reduktion der Krankheitsaktivität nicht unterlegen. In einer Multicenterstudie war Boswelan (3 x 2 Kapseln à 400 mg) in allen relevanten Kriterien nicht besser als Placebo.
Nebenwirkungen: Gutes Verträglichkeitsprofil, selten gastrointestinale Beschwerden, allergische Reaktionen.
Myrrheharz, Kamillenblütenextrakt, Kaffeekohle
Myrrheharz: Trockenextrakt aus dem Harz der Rinde. Wirkstoff: Commiphora-Säure. Antiphlogistische, antidiarrhoische, antimikrobielle Wirkung, Stabilisierung des Leaky-gut-Syndroms; protektiver Effekt auf die Magenschleimhaut unter NSAR (Tierstudie).
Nebenwirkungen: Sehr gute Verträglichkeit, selten allergische Reaktionen.
Kamilleblütenextrakt: Antiphlogistische, antimikrobielle, spasmolytische und antiallergische Wirkung. Neben- und Wechselwirkungen: Selten allergische Reaktion. Theoretisch Einfluss auf Thrombozytenaktivität und Zytochrom-P450-Stoffwechsel.
Kaffeekohle: Gemahlene, bis zur Schwarzbräunung und Verkohlung der äußeren Samenpartien geröstete grüne, getrocknete Früchten von Coffea arabica. Antidiarrhoische und antiphlogistische Wirkung.
Anwendung in Kombination: Myrrheharz (100 mg), Kamilleblüten-Trockenextrakt (70 mg) und Kaffeekohle (50 mg), 3 x tgl. 4 Tabl.
Studien: In einer 12-monatigen, randomisierten, prospektiven, doppelblinden Studie mit 96 Patienten mit Colitis ulcerosa war ein Präparat aus Myrrhe, Trockenextrakt aus Kamillenblüten und Kaffeekohle der Standardtherapie mit Mesalazin nicht unterlegen und zeigte ein gutes Sicherheitsprofil.
Zulassung in Deutschland als traditionelles Arzneimittel.
Heidelbeeren
Wirkstoff u.a. reich an Anthocyaninen. Adstringierende, antioxidative, antiinflammatorische und mild antiseptische Wirkung. Eignen sich besonders für den Einsatz bei akuten Schüben mit Diarrhöen, z.B. in Form von kalt gepresstem Muttersaft (1–3 x 100 ml/d) oder getrockneten Früchten.
Studien: Erste sehr kleine Pilotstudie mit 13 Patienten mit leicht bis mäßiger Colitis ulcerosa als offene Studie ohne Kontrollgruppe mit 6 Wochen Therapie in Form eines Müsliriegels auf Heidelbeerbasis komplementär zur Standardtherapie. 90,9 Prozent der Patienten zeigten ein klinisches Ansprechen, 63,4 Prozent waren in Remission. Nach Absetzen zeigte sich eine Verschlechterung des klinischen Mayo-Scores und des Entzündungsmarkers Calprotectin im Stuhl.
Nebenwirkungen: Bisher keine.
Wechselwirkungen: Verstärkte Wirkung von Antikoagulanzien nicht auszuschließen.
Blutwurz
Wirkstoffe reich an Tanninen. Adstringierende, mild antiseptische und antioxidative Wirkung. Darreichung in Form von Tee, Tinktur oder Fertigpräparat. Mittlere Tagesdosis: 1,5 – 3 g; Fertigpräparat: 3 x 2 Kapseln täglich (200 mg standardisierter Extrakt).
Studien: Für Tormentill-Trockenextrakt (1,2 g / 1,8 g / 2,4 g / 3,0 g) liegen erste Erfahrungen aus einer offenen Studie bei aktiver Colitis ulcerosa mit 16 Patienten über 3 Wochen vor.
Nebenwirkungen: Milde Dysphagie, Sodbrennen, ansonsten gute Verträglichkeit.
Gelbwurz
Trockenextrakt aus Curcuma-Wurzelstock. Wirkstoffe: Curcuminoide und das ätherische Öl. Cholagoge und antioxidative Wirkung, antiinflammatorische und tumorprotektive Wirkungen. Mittlere Tagesdosis: 1,5 – 3 g Drogenpulver; Tinktur; Fertigpräparat: 2 x 1 Kapsel täglich (81 mg stand. Extrakt).
Studien: In einer prospektiv, randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studie wurde 2 x 1 g/Tag Curcumin komplementär zu Sulfasalazin oder Mesalazin in der remissionserhaltenden Therapie bei Colitis ulcerosa über 6 Monate untersucht (22 Patienten in der Verumgruppe). Es zeigte sich ein signifikanter Unterschied zugunsten der Verumgruppe im Hinblick auf Rezidivhäufigkeit, klinischen und endoskopischen Aktivitätsindex. In einer prospektiven, randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studie wurde 3 x 1 g/Tag Curcumin bei leicht bis mittelgradig aktiver Colitis ulcerosa über einen Zeitraum von 1 Monat komplementär zu Mesalazin untersucht (26 Patienten in der Verumgruppe). Es zeigte sich ein signifikanter Unterschied im Hinblick auf das Erreichen einer klinischen und endoskopischen Remission zugunsten der Verumgruppe.
Indikationseinschränkung bei Gallengangsobstruktion, Gallen- oder Nierensteinen, Hyperazidität oder Magengeschwür.
Nebenwirkungen: Selten allergische Reaktion
Wechselwirkungen: Mit verschiedenen Zytostatika, Norfloxacin, Amphotericin B, Verapamil, NSAR; theoretisch Einfluss auf Thrombozytenaktivität mit erhöhter Blutungsneigung; Einfluss auf Zytochrom-P450-Stoffwechsel.
Leitlinien: Bei Colitis ulcerosa kann Curcuma in der remissionserhaltenden Behandlung komplementär zu einem Aminosalizylat eingesetzt werden. Es liegt kein Präparat als Arzneimittel vor.
Wermut
Bitterstoffe, z.B. Artemisinin, fördern die Speichel- und Magensaftsekretion und führen zur Steigerung des Tonus und Anregung der Darmperistaltik. Verwendung als Tee (sehr bitter).
Studien: In einer doppelblinden, randomisierten Studie mit 40 Patienten mit aktivem M. Crohn führte ein Fertigpräparat aus Wermut (3 x 500 mg/Tag) als komplementäre Therapie zur konventionellen Standardtherapie mit Steroiden im Vergleich zu Placebo (20 Patienten) zu einem signifikanten Therapieeffekt. In einer weiteren randomisierten, kontrollierten Studie mit 20 Patienten mit aktivem M. Crohn wurde die Verumgruppe komplementär über 6 Wochen mit 3 x 750 mg Wermut in Pulverform behandelt. Bei 8 von 10 Patienten der Verumgruppe und bei 2 Patienten unter Placebo wurde nach 6 Wochen eine Remission erreicht. Darüber hinaus wurde in der Verumgruppe ein relevanter TNF-alpha-Abfall und eine Verbesserung des Scores der Hamilton-Depressionsskala beschrieben.
Nebenwirkungen: Selten gastrointestinale Beschwerden oder Senkung der Krampfschwelle.
Aloe vera
Wirkmechanismus fraglich über Carboxypeptidase mit Hemmung von Bradykinin; protektiver Effekt bei alkoholinduzierten Magenschleimhautdefekten.
Studien: In einer prospektiven, randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studie wurde 100 ml Aloe-vera-Gel über 4 Wochen (Verum: 30 Patienten; Placebo: 14 Patienten) bei leichter bis mäßiger Colitis ulcerosa untersucht. Im Hinblick auf Remissionsinduktion, Symptomverbesserung, klinisches Ansprechen und Histologie-Score zeigten sich signifikante Unterschiede zugunsten der Verumgruppe.
Nebenwirkungen: Bei oraler Applikation von Aloe gastrointestinale Symptome und Elektrolytentgleisungen.
Weizengras
Wirkstoffe: Vitamine und Mineralien; Wirkmechanismus unklar, fraglicher antioxidativer Effekt.
Studien: In einer randomisierten, doppelblinden Studie erhielten 23 Patienten mit aktiver distaler Colitis ulcerosa täglich über 1 Monat 100 ml Weizengras-Saft oder Placebo. Unter dem Verum wurde eine signifikante Reduktion im Symptomscore und in Hinblick auf rektale Blutung beschrieben.
Cannabis
Wirkstoffe: Cannabinoide. Antiinflammatorischer Effekt, chronischer Konsum verbunden mit zellulärer Immunsuppression, Hemmung der Prostaglandin- und Histaminfreisetzung. Fällt unter das Betäubungsmittelgesetz.
Studien: In einer retrospektiven Studie zeigte sich bei 21 von 30 Patienten mit aktivem M. Crohn eine signifikante Verbesserung des Symptomscores sowie des Bedarfs an Medikamenten. In einer randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studie mit 21 Patienten mit aktivem M. Crohn ohne adäquates Ansprechen auf Steroide, Immunsuppressiva oder Anti-TNF-alpha-Therapie zeigte sich nach Rauchen von 2 x täglich 115 mg THC (9-Tetrahydrocannabinol) oder Cannabis-Pflanzen ohne THC über 8 Wochen ein signifikant besseres klinisches Ansprechen in der Verumgruppe.
Fazit
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Nur für einige wenige pflanzliche Präparate liegen bisher klinische Studien zur Indikation CED vor.
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Im klinischen Alltag haben vor allem Flohsamen, Myrrhe, Kamille und Kaffeekohle, Weihrauch, Gelbwurz oder Heidelbeeren Bedeutung. Erstere stehen als Arzneimittel bzw. traditionelles Arzneimittel zur Verfügung, während Weihrauch und Heidelbeeren derzeit nur als Nahrungsergänzung bzw. Nahrungsmittel verfügbar sind.
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In den Leitlinien zur Therapie der Colitis ulcerosa werden Flohsamen und Curcumin als Therapieoptionen genannt, wobei auch Curcumin in Deutschland nicht als Arzneimittel verfügbar ist.
Literatur beim Verfasser.
Mögliche Interessenkonflikte: Forschungsunterstützung von Repha, TechLab, Steigerwald, Falk Foundation; Vortragshonorare von Falk, MSD, Repha, Ardeypharm.