Krebstherapie„Was wir bisher erreicht haben, ist nur ein Teil“

Immuntherapien sorgen in der Onkologie für enorme Fortschritte. Professor Martin Trepel erklärt im Interview mit "Der Hausarzt", wie die neuen Verfahren wirken.

Immuntherapien gegen Krebs werden künftig wohl noch an Bedeutung gewinnen.

Ein wichtiger Ansatz in der onkologischen Immuntherapie sind Checkpoint-Inhibitoren. Können Sie deren Wirkprinzip erläutern?

Bildlich gesprochen lösen sie die Bremsen vom Immunsystem. Auf der Oberfläche von Immunzellen befinden sich Rezeptoren, mit denen diese aktiviert oder inhibiert werden können – vergleichbar mit Brems- und Gaspedal bei Autos. Die “Bremspedale” sind zum Beispiel nötig, um überschießende Immunreaktionen oder Autoimmunreaktionen zu blockieren.

Tumorzellen können an diese inhibitorischen Rezeptoren binden und somit wie ein bremsender Fuß wirken. Wenn man dem Patienten Checkpoint-Inhibitoren gibt – also Antikörper, die sich entweder wie ein Schutzschild auf das “Bremspedal” legen oder aber auf den “bremsenden Fuß”- lässt sich diese Interaktion verhindern. Dann kann die Immunzelle aktiviert werden und die Tumorzelle bekämpfen.

Bei welchen Tumorarten helfen Checkpoint-Inhibitoren besonders gut?

Sie sind bei einer zunehmenden Zahl von Tumorarten sehr gut wirksam – entweder allein oder in Kombination mit einer Chemotherapie. Dazu gehören etwa Melanome, Lungen- und Nierenzellkarzinome sowie Kopf-Hals-Tumoren und bestimmte Unterformen von Darmkrebs. Hier sehen wir Verläufe, die wir noch vor einigen Jahren niemals für möglich gehalten hätten.

Ein Paradebeispiel ist das metastasierte Melanom: Unter Checkpoint-Inhibitoren lebt hier nach fünf Jahren noch die Hälfte der Patienten. Früher lagen die Überlebenszeiten im Durschnitt bei etwa zwölf Monaten. Aber es gibt auch Tumorarten, bei denen sie wenig bis gar nicht wirken – etwa bei den meisten Formen von Darmkrebs.

Lässt sich im Voraus sagen, ob ein Patient auf Checkpoint-Inhibitoren ansprechen wird?

Wir können es abschätzen, aber nicht sicher sagen. Zwar wissen wir bei einigen Entitäten, dass ein erheblicher Teil profitiert. Wir haben aber wenig Möglichkeiten, sicher vorauszusagen, ob ein individueller Patient ansprechen wird. Das heißt, wir sind darauf angewiesen, es zu probieren.

Kennt man denn Parameter, welche die Wirksamkeit beeinflussen?

Bei Patienten, die Antibiotika oder Protonenpumpenhemmer einnehmen, wirken Checkpoint-Inhibitoren wahrscheinlich schlechter oder gar nicht. Das ist nicht für jeden Checkpoint-Inhibitor und für jede Entität untersucht, aber die Hinweise häufen sich. Es liegt vermutlich daran, dass diese Medikamente das Mikrobiom verändern.

Daher sollte man sie bei Patienten, die eine Immuntherapie bekommen, möglichst vermeiden und sie – falls sie wirklich nötig sind – möglichst kurz geben. Zudem hat eine Studie gezeigt, dass Übergewichtige besser von Checkpoint-Inhibitoren profitieren – Übergewicht ist hier also ausnahmsweise von Vorteil.

Welche anderen immuntherapeutischen Ansätze gibt es neben den Checkpoint-Inhibitoren?

Eine Methode, die wir schon seit über zwanzig Jahren nutzen, ist die passive Immunisierung. Hierbei werden vorgefertigte Antikörper infundiert, die an bestimmte Antigene der Tumorzellen binden und das Immunsystem aktivieren.

Ein Beispiel ist der Antikörper Rituximab. Die passive Immunisierung kommt inzwischen bei mindestens 60 Prozent der Tumortherapien zum Einsatz – meist in Kombination mit Chemotherapie.

Ein wichtiger neuer immuntherapeutischer Ansatz ist die CAR-T-Zell-Therapie. Hierbei gewinnt man Immunzellen vom Patienten und verändert sie gentechnisch so, dass sie spezifische Antigene auf Tumorzellen erkennen. Dieses Prinzip wird die Immuntherapie möglicherweise auf ein neues Niveau heben.

Es wird bei Weitem noch nicht so breit eingesetzt wie die Checkpoint-Inhibitoren – bisher fast ausschließlich bei bestimmten Tumoren des blutbildenden Systems, bei denen sie jedoch in Situationen, wo gar nichts anderes mehr hilft, zu einer Heilung führen können. Bei den soliden Tumoren ist die CAR-T-Zell-Therapie noch in der Erprobungsphase.

Die Voraussetzung für die CAR-T-Zell-Therapie wie auch für die passive Immunisierung ist, dass ein Antigen auf der Tumorzelle bekannt ist, welches auf den anderen Körperzellen nicht vorhanden ist – oder sich nur auf Zellen befindet, auf die der Patient verzichten kann. Die Methoden funktionieren auch nicht, wenn die Antigene sehr heterogen sind, also wenn man zum Beispiel ein Antigen kennt, welches sich nur auf 30 Prozent der Tumorzellen befindet.

Welche Bedeutung werden diese Therapieverfahren in der Zukunft haben?

Eine sehr große. Die meisten Onkologen sind sich darüber einig, dass das, was wir bisher erreicht haben, wirklich nur ein Teil ist. Die Immuntherapie wird sich noch ganz erheblich erweitern und ich gehe davon aus, dass wir in den nächsten zehn Jahren nochmals riesige Schritte machen werden.

Vielversprechend ist zum Beispiel die Erweiterung des CAR-T-Zell-Prinzips. Es gibt eine Methode mit ähnlicher Wirksamkeit, aber anderem technischen Vorgehen, die sogenannte T-Zell-Engager-Therapie – hier wird sich vermutlich noch viel tun, gerade in dem Bereich solide Tumoren. Auch die Kombination von passiver und aktiver Immuntherapie ist bisher noch nicht so intensiv erforscht.

Immuntherapien haben also enormes Potenzial. Welche Nebenwirkungen sind bekannt?

Das ist je nach Methode unterschiedlich. Bei den Checkpoint-Inhibitoren kommt es natürlich oft zu Autoimmunreaktionen. Diese sind je nach Art der Checkpoint-Inhibition unterschiedlich stark und können bei bis zu 30 Prozent der Patienten auftreten, in der Mehrzahl der Fälle aber geringgradig.

Besonders oft betreffen sie die Haut, etwas weniger häufig ist eine Colitis. Hepatitis und Pneumonitis kommen regelmäßig vor, ebenso eine Schädigung der endokrinen Organe. Bei Letzteren kommt man mit dem Absetzen oft zu spät, was aber nicht ganz so schlimm ist: Wenn der Tumor kontrolliert ist, können wir den Verlust der Schilddrüse oder Nebenniere durch eine Substitutionstherapie auffangen.

Bei einer Hepatitis oder Pneumonitis hingegen muss man die Therapie beenden. Aber die absolute Mehrzahl der Patienten verträgt die Checkpoint-Inhibitoren gut bis sehr gut, im Durchschnitt auf jeden Fall besser als eine herkömmliche Therapie.

Und bei den anderen beiden Verfahren?

Die passive Immuntherapie wird von den meisten Patienten ebenfalls gut bis sehr gut vertragen. Hier hängen die Nebenwirkungen davon ab, auf welchen anderen Zellen sich das Ziel-Antigen außerdem befindet.

Zum Beispiel schädigen Antikörper gegen Lymphome oft auch normale B-Zellen, sodass es zu einer gewissen Immunsuppression kommt. Die erste Infusion kann zudem mit Schüttelfrost und Infektsymptomatik einhergehen, da die vielen noch vorhandenen Tumorzellen für eine starke Aktivierung des Immunsystems sorgen.

Bei der CAR-T-Zell-Therapie kann ein Zytokin-Freisetzungssyndrom auftreten. Das kann man gut kontern, indem man Antikörper gibt, die die entscheidenden Zytokine blockieren. Diese Therapie kann man jedoch nicht ambulant verabreichen, weil man die Patienten ständig beobachten muss. Sie wird allerdings nur einmal durchgeführt – das Ganze muss also kein zweites Mal durchgestanden werden.

Prof. Martin Trepel erklärt, dass bei ihm keine Interessenkonflikte in Bezug auf dieses Interview bestehen.

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