Empathie kann Schmerzen lindern
Werden Schmerzpatienten gefragt, was sie brauchen, steht der Wunsch nach sozialer Unterstützung ganz oben. Auch die aktuelle Forschung zeigt, dass das soziale Umfeld eine wichtige Rolle bei der Schmerzwahrnehmung spielt. Dabei trägt auch die Art der Interaktion der Behandelnden mit den Betroffenen dazu bei, wie stark Schmerzen empfunden werden.
Schon einfache Gesten wie das Halten einer Hand können die Schmerzen und deren Bewältigung beeinflussen und eine ermutigende Sprache kann sich schmerzlindernd auswirken. Für den Heilungsprozess ist der soziale Kontext ebenfalls ein wichtiger Aspekt.
Wie eine Studie zeigte, ging eine allergische Hautreaktionen am stärksten zurück, wenn die Ärzte nicht nur fachlich kompetent wirkten, sondern auch, wenn sie sich empathisch verhielten. Also beispielsweise die Betroffenen mit Namen ansprachen, sich neben sie setzten, den Blickkontakt hielten und aufmunternd lächelten. (Dr. Judith Kappesser, Gießen)
Schmerztherapie älterer Menschen
Eine Herausforderung bei der Schmerztherapie älterer Patienten stellt die Arzneimittelsicherheit bzw. das Vermeiden potenziell inadäquater Medikation (PIM) dar. Neuen Daten zufolge erhält die Hälfte der über 65-Jährigen mindestens eine PIM. Keine PIM zu verordnen ist jedoch auch schwierig, denn in den FORTA (fit for the aged)-Listen ist nur ein Analgetikum als besonders vorteilhaft eingestuft – Paracetamol.
Da dies für die Schmerzbehandlung oft nicht ausreicht, ist in der Praxis eine Nutzen-Risiko-Abwägung erforderlich. Dabei sollten die PRISCUS/FORTA-Listen beachtet sowie Organinsuffizienzen und Kontraindikationen ermittelt werden. Günstig ist es, die Medikation mit niedrigen Dosen zu starten und diese nur langsam zu steigern.
Die Dosierungsschemata sollten einfach und verwechslungssicher sein, um die Compliance zu verbessern. Im Rahmen der multimodalen Schmerztherapie sind zudem nicht-medikamentöse Optionen wie physikalische Therapie, Ergotherapie, kognitives Training und Psychotherapie anzubieten.
Bei kognitiven Einschränkungen kann anstelle der Psychotherapie eine psycho-funktionelle Ergotherapie erfolgen. (Dr. Sabine Hildebrandt-Stahlschmidt, Uelzen)
Veränderte Schmerzwahrnehmungmit Virtual Reality
Patienten mit chronischen Schmerzen sollten eine multimodale Schmerztherapie erhalten, die neben der medikamentösen Therapie auch Bewegung, Entspannungstherapien und eine kognitive Verhaltenstherapie zur Schmerzbewältigung umfasst. In der Praxis gestaltet sich dies aufgrund fehlender Therapieplätze und langer Wartezeiten allerdings oft schwierig.
Hier können digitale Anwendungen wie z.B. Virtual Reality (VR)-Brillen eine Lücke schließen und die ambulante Schmerztherapie unterstützen, indem sie negative Schmerzüberzeugungen oder das Gesundheitsverhalten adressieren.
Mit den VR-Brillen können die Patienten in virtuelle Welten eintauchen und sich, je nach Vorlieben, etwa in eine entspannende Umgebung versetzen. Zudem ermöglichen die Brillen, den eigenen Körper in Form eines Avatars wieder als beweglich, stark und gesund wahrzunehmen – wobei die Patienten den virtuellen Körper im Idealfall als real präsent erleben.
Durch dieses, als “Embodiment” bezeichnete Phänomen, kann sich die Körper- und Schmerzwahrnehmung auch in der realen Welt verändern, in der die körperliche Aktivität häufig angstbesetzt ist. Zudem lenken die spielerischen Elemente vom akuten Schmerzgeschehen ab.
Auch speziell entwickelte Smartphone-Apps können eine schmerzreduzierende Wirkung vermitteln. Sie umfassen Elemente wie Stressreduktion, Entspannung, Schlafhygiene, Ernährung oder ein Schmerztagebuch. Elf dieser Apps sind für den Indikationsbereich Schmerz vom BfArM anerkannt und als erstattungsfähige DiGAs gelistet. (Prof. Axel Schäfer, Hildesheim)•
Geschlechtsspezifische Komorbidität der Migräne
Patientinnen mit Migräne haben eine doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit, unter Endometriose zu leiden, verglichen mit Frauen ohne Migräne. Und auch umgekehrt gilt, dass Frauen mit Endometriose ungefähr doppelt so häufig unter Migräne leiden wie Frauen ohne Endometriose.
Als mögliche Ursache wird eine Fehlregulation des CGRP (Calcitonin Gene-Related Peptide)-Signalwegs mit vermehrter CGRP-Ausschüttung bei beiden Krankheitsbildern diskutiert. (Dr. Bianca Raffaelli, Berlin)
Ein Blick zu unseren Nachbarn
Die Empfehlungen der Leitlinie “Schmerzassessment bei älteren Menschen in der vollstationären Altenhilfe” lassen sich nur teilweise auf den ambulanten Bereich übertragen und die S3-Leitlinie “Schmerzmanagement bei Geriatrischen Patienten” soll erst Ende nächsten Jahres fertiggestellt werden.
Was also tun? Eine Möglichkeit ist, den Algorithmus “Schmerztherapie im Alter” der Österreichischen Schmerzgesellschaft zu Rate zu ziehen. Hier werden mögliche Wechsel- und Nebenwirkungen sowie Dosierungen umfassend dargelegt. Zudem sind nicht-medikamentöse Therapieempfehlungen enthalten. (Dr. Sabine Hildebrandt-Stahlschmidt, Uelzen)
Schlaf und chronischer Schmerz
Schlafprobleme und Schmerzen sind eng assoziiert – je schlechter der Schlaf desto höher die Schmerzintensität. Kognitive Verhaltenstherapie gilt als Goldstandard der Behandlung. Sie umfasst neben Schlafedukation und Schlafhygiene auch Entspannungstechniken, die den Betroffenen helfen, ihre häufig erhöhte Gehirnaktivität zu reduzieren.
Wichtig ist die “Stimuluskontrolle”, was bedeutet, dass die Patienten das Schlafzimmer verlassen sollten, wenn sie keinen Schlaf finden – damit der Link zwischen Schlafzimmer und Schlaf bestehen bleibt. Mit Hilfe der Bettzeit-restriktion wird der Wachzustand verlängert, was den Schlafdruck erhöht und letztlich die Schlafqualität verbessert. (Nils Runge, Leuven)
Quelle: Deutscher Schmerzkongress 2023 in Mannheim