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NeurologieHirnforschung – und was sich daraus für die Praxis ableiten lässt

In gut funktionierenden Netzwerken arbeitet es sich leichter – das gilt nicht nur für die Hausarztpraxis, sondern auch für unser Gehirn. Wer hier wie, wann und mit wem zusammenarbeitet, ist noch weitgehend unklar, doch gibt es einzelne Erkenntnisse, die sich in der Praxis nutzen lassen, z.B. für Schlaganfallpatienten.

Im menschlichen Gehirn koppeln sich verschiedene Hirnregionen dynamisch miteinander und bilden Netzwerke.

Im menschlichen Gehirn arbeiten rund 100 Milliarden Nervenzellen zusammen, um Sinneseindrücke zu verarbeiten, Informationen zu speichern und das Bewusstsein zu formen. Um diese Aufgaben zu bewältigen, koppeln sich verschiedene Hirnregionen dynamisch miteinander und bilden Netzwerke.

“Wenn wir die Mechanismen an gesunden Probanden entschlüsselt haben, können wir auch neurologische und psychiatrische Krankheitsbilder besser verstehen, bei denen die Kommunikation der Hirnnetzwerke verändert ist,”, erklärte Prof. Andreas Engel, Hamburg-Eppendorf.

So weisen etwa Patienten mit ersten Symptomen oder dem Risiko einer Psychose charakteristische Veränderungen in ihrer Hirnaktivität auf, die als potenzielle Biomarker für die Vorhersage des klinischen Verlaufs psychiatrischer Erkrankungen infrage kommen [1].

Therapiebedarf bei persistierenden Defiziten

Ein Schlaganfall ist der häufigste Grund für eine erworbene Behinderung wie etwa eine halbseitige Lähmung oder Sprachstörungen. Denn trotz erheblicher Verbesserungen in der Akuttherapie des Schlaganfalls – insbesondere durch die Thrombektomie oder auch die Thrombolyse – bleibt bei über der Hälfte der Patienten ein persistierendes neurologisches Defizit zurück.

“Vielen Patienten stehen nach der Akuttherapie nur noch rehabilitive Verfahren zur Verfügung, um die alltagsrelevanten Funktionseinschränkungen zu behandeln”, erklärte Prof. Dr. Christian Grefkes-Hermann, Frankfurt.

Da sich aufgrund einer hohen Varianz nicht vorhersagen lasse, welcher Patient sich tatsächlich erholen wird, würden neue Methoden benötigt, um die Hirn-Mechanismen der Funktionserholung zu verstehen und unterstützend eingreifen zu können.

Interhemisphärische Hemmung stört die Genesung

Mit Hilfe der funktionellen MRT (fMRT) lassen sich aktivierte Areale im Gehirn sichtbar machen. So verursacht beispielsweise eine Handbewegung die Aktivierung von Nervenzellen in der motorischen Hirnrinde der kontralateralen Hemisphäre sowie weiterer Bereiche. “Wir sprechen von einem Netzwerk an Hirnarealen, die eine gewisse Aufgabe ermöglichen”, erläuterte Grefkes-Hermann.

Bei Patienten mit Handfunktionsstörung aufgrund eines Schlaganfalls ist dieses Muster an Aktivität bzw. die Kopplungen von Hirnarealen deutlich verändert: “In Konnektivitätsanalysen sehen wir einen zusätzlichen hemmenden Einfluss aus der gesunden Hemisphäre, die auf den motorischen Kortex der betroffenen Hemisphäre abzielt”, so der Neurologe.

Dies sei ein Hinweis, dass bei diesen Patienten die gesunde Hemisphäre die erkrankte Hemisphäre überschießend hemmt und so das Defizit der Betroffenen verstärken könnte [2]. Bei Patienten mit zunehmender Funktionserholung nähert sich das Aktivitätsmuster wieder dem eines Gesunden an, während sich Patienten, die einen hemmenden Einfluss der gesunden Hemisphäre entwickeln, weniger gut erholen.

Aus diesen Beobachtungen ergeben sich laut Grefkes-Hermann Möglichkeiten, direkt auf die Netzwerkarchitektur einzugreifen, um die individuelle Funktionserholung zu verbessern.

Bessere Erholung mit nicht-invasiver Hirnstimulation

Um die Netzwerkbalance wiederherzustellen, sollte man die überschießend aktiven Areale der gesunden Hemisphäre hemmen, die unteraktiven Areale der betroffenen Hemisphäre dagegen aktivieren.

Möglich ist dies mit Hilfe der Transkraniellen Magnetstimulation (TMS), die kurzzeitig magnetische Felder erzeugt, welche je nach Frequenz einen erregenden oder hemmenden Einfluss auf die Nervenzellen entwickeln. “Damit lassen sich einzelne Hirnregionen präzise stimulieren”, berichtete Grefkes-Hermann.

Den Effekt zeigte eine Untersuchung bei Schlaganfall-Patienten: “Hemmt man mit speziellen TMS-Protokollen die Überaktivität einzelner Hirnareale, zeigt sich eine Normalisierung der pathologischen Aktivitätsmuster, krankhafte Hemmphänomene lassen sich beseitigen und die motorischen Fähigkeiten verbessern sich – zumindest unmittelbar nach der Stimulation”, erklärte der Schlaganfall-Experte [3].

Umgekehrt führte die aktivitätssteigernde TMS der betroffenen Areale zu einer schnelleren und nachhaltigeren Erholung im Vergleich zu Patienten mit Scheinstimulation. “Anhand einer Studie untersuchen wir derzeit, ob wir damit tatsächlich ein neues Therapieverfahren an der Hand haben, um den Patienten zu helfen”, erklärte Grefkes-Hermann.

Zukünftig könne es auch möglich sein, vorherzusagen, wie gut sich ein Patient nach einem Schlaganfall erholen wird.

Post-Stroke-Delir künftig vorhersagbar

Das Post-Stroke-Delir gilt als häufige Komplikation nach einem Schlaganfall. “Es tritt bei etwa 30 Prozent aller Schlaganfallpatienten auf und ist mit einer signifikanten Verschlechterung des Gesundheitszustands assoziiert”, erklärte Prof. Ulf Ziemann, Tübingen.

Wüsste man im Voraus, dass ein Patient mit hoher Wahrscheinlichkeit diese Komplikation entwickelt, könnte man versuchen, dies z.B. mittels Pharmakotherapie zu verhindern.

Ein neuer Ansatz, die Entwicklung eines Post-Stroke-Delirs vorherzusagen, stellt die Kombination aus Transkranieller Magnetstimulation und Elektroenzephalographie (TMS-EEG) dar. In einer wegweisenden Studie wurden 33 Patienten mit akutem Schlaganfall innerhalb von 48 Stunden mittels TMS-EEG untersucht und die Reizantworten aufgezeichnet [4].

“Patienten mit niedrig-komplexer Reizantwort zeigten ein hohes Risiko, ein Delir zu entwickeln”, berichtete Ziemann, Mitautor der Studie.

Die Genauigkeit der Vorhersage war unabhängig von der Größe der Läsion, der betroffenen Hemisphäre und der Schwere des Schlaganfalls. “Die TMS-EEG-Untersuchung kann zukünftig für präventive Strategien bei hohem Delir-Risiko eingesetzt werden”, erklärte Ziemann.

Darüber hinaus könne sie auch zur Diagnostik und prognostischen Einschätzung bei anderen Netzwerkerkrankungen des Gehirns dienen, beispielsweise bei Patienten mit Bewusstseinsstörungen.

Literatur:

  1. Grent-‘t-Jong T et al. Biol Psychiatry 2021; 90: 419-429
  2. Grefkes C, Fink GR. Lancet Neurol. 2014; 13(2):206-216
  3. Grefkes C, Fink GR. Neurol. Res. Pract. 2020; 2, 17
  4. Bai Y et al. Clin Neurophysiol 2022; 1388-2457(22)00960-9

Quelle: Kongress für Klinische Neurowissenschaften (DGKN23), am 2.-4. März 2023 in Hamburg

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