Mannheim. „In der Kopfschmerzmedizin sind die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Digitalisierung besonders gut“, erklärt PD Dr. Ruth Ruscheweyh aus dem Präsidium der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG). Denn die eher jüngeren Patienten setzen sich gerne mit digitalen Angeboten auseinander. Zudem ist ein digitaler Kopfschmerzkalender nicht nur einfacher zu führen, sondern auch leichter auszuwerten.
Ein Kennzeichen einer guten App ist, dass sich ein übersichtlicher Report herunterladen lässt, der eine Zusammenfassung der wesentlichen Daten enthält und verschickt oder ausgedruckt werden kann. Auf diese Weise können sich Ärztinnen und Ärzte mit ihren Patientinnen und Patienten einen Überblick über Schmerztage, Häufigkeit der Schmerzmitteleinnahme, Schmerzstärke sowie Begleitsymptome verschaffen und den Therapieerfolg beurteilen.
Warnung vor zu viel Medikation
Den Patienten in Deutschland kommt zugute, dass sich einige renommierte Institutionen mit den digitalen Möglichkeiten befasst haben und nun vielfältig einsetzbare Apps anbieten. Dazu zählt die aktuell am weitesten verbreitete Migräne-App der Schmerzklinik Kiel, die einen Kopfschmerzkalender mit automatisierter Auswertung umfasst und den Patienten darüber hinaus weitere Informationen bietet.
So beinhaltet die App beispielsweise eine Video-Simulation einer Migräne-Aura. „Für manche Patienten ist es sehr nützlich, dass sie ihren Freunden oder Angehörigen einmal zeigen können, was sie während einer Aura wahrnehmen“, berichtet Kopfschmerzexpertin Ruscheweyh. Zudem warnt die App vor einem Übergebrauch der Medikamente und berechnet den Zeitpunkt, zu dem Betroffene ein Triptan einnehmen sollten.
Triggeranalyse
Daneben ist M-sense eine neuere Migräne-App, die neben einem Kopfschmerzkalender interaktive Anleitungen zu Entspannungsverfahren und zu Ausdauersport bietet. Zusätzlich können die Patienten jeden Tag mögliche Triggerfaktoren wie etwa Stresslevel, Schlafdauer oder Ernährung eingeben. Nach einer gewissen Zeit versucht die App vorherzusagen, welche individuellen Auslöser relevant sein könnten.
Einen anderen Ansatz verfolgt das Kopfschmerzregister der DMKG, das im Juni 2020 startete. Neben einem Kopfschmerzkalender als App, steht hier im Fokus, die Ärzte bei der Behandlung der Kopfschmerzpatienten zu unterstützen. „Das funktioniert, indem die Patienten schon vor ihrer Erst- bzw. Wiedervorstellung wichtige Informationen über ihre Kopfschmerzen in ein webbasiertes Patientenportal eingeben“, erklärt Ruscheweyh.
Der Vorteil: Beim Praxisbesuch finden sich im Arztportal bereits übersichtlich aufbereitete Informationen, sodass Ärzte die dadurch gesparte Zeit für die Beratung nutzen können. Zusätzlich werden die Daten in anonymisierter Form an eine Datenbank geleitet, die für wissenschaftliche Fragen herangezogen werden soll.
Quelle: Pressekonferenz „Migräne per App behandeln? Was die Digitalisierung in der Kopfschmerzmedizin bewirken kann“, anlässlich des Deutschen Schmerzkongresses 2020, Mannheim/online, 21.10.20