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Aufmerksamkeitsdefizit-HyperaktivitätsstörungADHS: Keine echte Krankheit?

Wenige Erkrankungen sind so umstritten wie die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS). Die Leidtragenden sind vor allem die Betroffenen und ihre Angehörigen, doch auch die Behandelnden kann es belasten.

“Trotz wissenschaftlicher Evidenzen zu ADHS sehen wir uns schon seit Jahrzehnten den Angriffen der Medien ausgesetzt”, erklärte Prof. Stephen, Syracuse, USA, der dies als “Krieg gegen ADHS” bezeichnet. Dabei ist das Krankheitsbild nicht neu, der deutsche Psychiater Melchior Adam Weikard beschrieb die ADHS-Symptome bereits im Jahr 1775.

Dennoch gibt es Bücher über das Nicht-Vorhandensein von ADHS und in Scientific American einen Artikel mit dem Titel: “Big Pharma hat die Epidemie selbst hergestellt: Die Missdiagnose von ADHS” [1].

Die öffentliche Meinung zu ADHS wurde in einer deutschlandweiten Umfrage mit über 1.000 Erwachsenen ermittelt [2]. Etwa 90 Prozent der Befragten hatten schon einmal von ADHS gehört, doch nur die Hälfte sieht in den Symptomen eine mentale Erkrankung und 20 Prozent glauben nicht, dass ADHS eine echte Krankheit sei.

Die Mehrheit der Befragten führt die Entstehung von ADHS bei Kindern auf einen familiär-sozialen Kontext zurück. Laut den Autoren der Untersuchung klafft eine große Lücke zwischen den evidenzbasierten ADHS-Leitlinien und der öffentlichen Meinung.

Stigmatisierung der ADHS-Patienten

“Der mediale Krieg gegen ADHS führt zu einer Stigmatisierung”, erklärte Faraone. In einer Untersuchung, die sich explizit mit den Folgen der Kontroverse befasste, wurden folgende Auswirkungen auf die Betroffenen festgestellt: vermindertes Selbstbewusstsein, weniger Akzeptanz bei Gleichaltrigen, soziale Isolation und geringere Selbstakzeptanz [3].

Zudem wird die öffentliche Meinung beeinflusst: So würde rund ein Viertel der Deutschen kein Zimmer an erwachsene ADHS-Patienten vermieten oder eine Jobempfehlung für sie aussprechen, 40 Prozent würden sie nicht auf ihre Kinder aufpassen lassen [4]. “Dem liegt eine falsche Wahrnehmung der Erkrankung zugrunde, der wir uns jetzt annehmen müssen”, forderte der Psychiater. Etwa mit Methoden, welche die Resilienz gegenüber dem Stigma erhöhen.

Das Medikamenten-Paradox bei ADHS

Als ein Paradox bezeichnete Faraone, dass ADHS-Medikamente hoch effektiv seien, aber in den Medien dämonisiert würden. Er verwies auf einen Artikel in “The Guardian” dem zufolge ADHS-Medikamente so gefährlich seien wie Crystal Meth und die USA eine Nation der Speed-Abhängigen werde [5].

Demgegenüber steht etwa eine schwedische Registerstudie, die belegt, dass die medikamentöse Behandlung von ADHS zu weniger Verkehrsunfällen, weniger Kriminalität und geringerem Substanzmissbrauch führt [6]. “Meine Sorge ist, dass die Patienten ihre Medikamente deshalb so oft nicht zuverlässig einnehmen, weil sie von deren angeblicher Unwirksamkeit in den Medien hören”, berichtete Faraone.

Dieses Stigma könnte einen Nocebo-Effekt auslösen – und die Patienten zu weit weniger wirksamen Medikamenten wie etwa homöopathischen Mitteln greifen lassen.

Literatur

  1. Cook G, Scientific American 11. Oktober 2016
  2. Speerforck S et al. J. of Att. Dis. 2021; 25(6) 783-793
  3. Moldavsky M, Sayal K. Curr Psych Rep 2013; 15(8): 377
  4. Speerforck S et al. Psychiatry Res 2019; 282: 112570
  5. Zaitchik A. The Guardian 25 Juni 2015
  6. Chang Z et al. iol Psychiatry 2019; 86(5): 335-343

Quelle: 14th International Conference on ADHD “ADHD – Strengths and Impairments” Vortrag: “New perspectives on research and clinical care in ADHD”,

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