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Hausarzt MedizinNeuer Biomarker hilft Frauenherzen zu schützen

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind nicht nur Männersache. Nun ermöglicht ein einfacher Bluttest, bei Frauen den Neurotensinspiegel zu messen und damit nicht nur ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen frühzeitig zu erkennen, sondern auch den Erfolg geeigneter Gegenmaßnahmen zu überprüfen.

Es trifft nicht nur die Männer. Mit zunehmendem Alter sind auch Frauen stark gefährdet, an Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu sterben. Bei akuten Koronarsyndromen etwa, stellen Frauen jenseits der 75 die Mehrzahl der Patienten. Allerdings hat sich die prozentuale Verteilung der Altersgruppen in den vergangenen Jahren verschoben. So zeigt eine aktuelle Auswertung des Berliner Herzinfarktregisters, dass von einem schweren Herzinfarkt (STEMI) inzwischen deutlich mehr jüngere Frauen unter 55 Jahren betroffen sind, als noch vor 15 Jahren. Die Statistiken belegen zudem, dass jedes Jahr in Deutschland etwa 130.000 Frauen an koronaren Herzerkrankungen sterben, die damit die häufigste Todesursache unter Frauen darstellen.

Patientinnen kennen oft ihre Risikofaktoren nicht

Dennoch wird die Gefahr, nach Aussage der Berliner Kardiologin Dr. Natascha Hess, häufig unterschätzt – und zwar nicht nur von den Ärzten, sondern auch von den Betroffenen selbst, die Warnzeichen wie, Angina pectoris, ein Druckgefühl oder Schmerzen im Brustbereich nicht selten ignorieren. Viele ihrer Patientinnen haben mehr Angst vor Brustkrebs, als vor einem Infarkt und kennen daher auch ihre individuellen Risikofaktoren nicht.

Neben dem fehlenden Gefahrenbewusstsein, sind es die oft untypischen Symptome, wie etwa Schmerz im Oberbauch, Rücken, Unterkiefer oder der rechten Schulter, Übelkeit und Erbrechen, Atemnot bei Belastung oder schnelle Ermüdbarkeit und Leistungsschwäche, welche immer wieder zu Verzögerungen in der Diagnosestellung führen. Außerdem klagen weibliche Patienten eher über Stress und redeten mehr über Ängste und Gefühle, als auf konkrete körperliche Symptome hinzuweisen, weiß die Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Geschlechtsspezifische Medizin (DGesGM).

Einfacher Bluttest deckt das Herz-Kreislauf-Risiko auf

„Ich bin sehr froh, dass es nun mit dem Hormon Neurotensin einen Biomarker gibt, der es mir erlaubt, meinen Patientinnen ihr persönliches Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen aufzuzeigen, bevor ein akuter Herzinfarkt auftritt“, unterstrich Hess. Die Konzentration des im Blut zirkuliernden Neurotensins lässt sich mit Hilfe eines einfachen Bluttests (sphingotest® pro-NT) ermitteln. Eigentlich misst der Test das Proneurotensin (pro-NT), eine stabile Vorstufe des Sättigungshormons. Sie eigne sich besser, als das Neurotensin-Molekül selbst, da dieses aufgrund seiner kurzen Halbwertszeit von nur zwei bis sechs Minuten sehr instabil sei und sich deshalb nur schwer messen lasse, erklärte Hess. Das Neurotensin, ein Peptid aus 13 Aminosäuren, ist unter anderem am Prozess der Fettverdauung beteiligt, weshalb es auch häufig als „Insulin des Fettes“ bezeichnet wird.

Es ist zudem bekannt, dass Neurotensin in Brustkrebszellen deren Wachstum fördert. Gebildet wird das Hormon im Zentralnervensystem sowie im Dünndarm, wo seine Freisetzung unmittelbar nach der Nahrungsaufnahme erfolgt. Dabei wird die Sekretion insbesondere durch die Aufnahme von tierischem Fett, aber auch durch Glukose erhöht. Frauen mit einer nüchtern gemessenen, hohen Konzentration an pro-NT, verfügen über eine übermäßige Fettverwertung, bei der das Neurotensin wie ein Fettmagnet im Darm wirkt. Das heißt, je höher der Neurotensinwert, desto mehr tierische Fette nimmt der Körper aus der Nahrung auf und lagert sie im Gewebe und in den Organen ab und desto höher klettern die Cholesterinkonzentrationen im Blut.

Hoher pro-NT-Wert verdoppelt Risiko für Herzprobleme

Dass erhöhte pro-NT-Werte tatsächlich mit einem höheren Risiko verbunden sind, an einem Herzleiden zu erkranken oder sogar daran zu versterben, belegen die Daten der Malmö Diet and Cancer Study (MDC-Studie), einer Bevölkerungsstudie mit mehr als 4.600 Gesunden mit einem Durchschnittsalter von 58 Jahren, davon 2.559 Frauen. Bei allen Teilnehmern wurde der Blutgehalt an pro-NT im Nüchternzustand bestimmt und deren gesundheitliches Schicksal über einen Zeitraum von bis zu 16 Jahren nachverfolgt.

Dabei hat sich gezeigt, dass das Risiko von Frauen mit einem stark erhöhten pro-NT-Wert (> 180 pmol/L) doppelt so hoch lag, eine Herz-Kreislauf-Krankheit zu entwickeln und daran zu sterben, wie bei Frauen mit einer niedrigen Nüchtern-Konzentration (< 120 pmol/L) – und zwar unabhängig vom Körpergewicht. Das Herzinfarktrisiko fiel um 33 Prozent, das für Diabetes um 41 Prozent und das für Brustkrebs um 44 Prozent höher aus. Bei Männern zeigte sich hingegen keine sig nifikante Korrelation zwischen eröhten pro-NT-Werten und dem Erkrankungsrisiko.

Hess vermutet, dass bei den Frauen eine Art Neurotensinresistenz vorliegt, also eine Abstumpfung der Zellen gegenüber dem Sättigungshormon, so dass es keine Rückkopplung mehr gibt – ähnlich wie im Vorstadium eines Diabetes, bei dem der Insulinspiegel im Blut ansteigt, weil die Zellen nicht mehr hinreichend auf das den Zuckerhaushalt regulierende Hormon ansprechen.

Gegen erhöhte Neurotensin-Werte lässt sich etwas tun

Die Patientinnen müssen zehn Stunden vor der Blutabnahme nüchtern bleiben und auf Alkohol sowie Nikotin verzichten. Zeigen die Laborergebnisse einen pro-NT-Wert von 120 pmol/L ist das Risiko nicht erhöht. Zwischen 120 und 180 pmol/L besteht ein mittleres und bei Werten über 180 pmol/L ein hohes Risiko. Die Bestimmung des pro-NT-Werts mittels EDTA-Blutprobe hilft Kardiologen, Hausärzten und Internisten dabei, unter jenen Patientinnen, bei denen bereits andere Risikofaktoren für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung vorliegen, diejenigen herauszufiltern, die eine umfangreiche Herz-Kreislauf-Diagnostik benötigen. Da gegebenenfalls auch ein erhöhtes Risiko für Brustkrebs vorliegen kann, sollte bei erhöhten pro-NT-Werten ebenso ein Mammografie-Screening erfolgen.

„Ich kann Patientinnen, die einen erhöhten Neurotensinwert aufweisen, nun viel besser motivieren, nicht nur gegen diesen sondern auch gegen die anderen Risikofaktoren, wie etwa Bluthochdruck, Übergewicht oder erhöhte LDL-Werte etwas zu tun“, so die Erfahrung von Hess. Erhöhte Werte des Biomarkers und unabhängigen Risikofaktors lassen sich, nach Auskunft der Kardiologin, bereits durch einfache Lebensstilveränderungen positiv beeinflussen. So hat sich in Studien gezeigt, dass eine mediterrane Diät mit wenig gesättigten Fettsäuren und geringem glykämischem Index plus zusätzlichem Sport zu einer Senkung des pro-NT-Werts um bis zu 25 Prozent führen kann.

„Dieser Test bietet mir zum ersten Mal die Möglichkeit, meinen Patientinnen den Effekt ihrer Bemühungen unmittelbar vor Augen zu führen“, unterstrich Hess. Momentan ist er allerdings noch nicht Teil des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenkassen. Deshalb kann der Bluttest gesetzlich Versicherten vorerst nur als IGEL-Leistung angeboten werden.

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