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Hausarzt MedizinLipide: Mehr Nüsse und Fisch auf den Tisch

Sinkende Inzidenzen beim Herzinfarkt und rückläufige Mortalitätsraten bei der KHK bescheinigen den deutschen Medizinern gute Arbeit. Neue Evidenzen im Portfolio der Lipidtherapie werden diese Entwicklung verstärken.

Mehr Klarheit im Bereich der Ernährungstherapie lässt hoffen, dass die Basismaßnahmen bei erhöhen Blutfettwerten einen breiteren Raum einnehmen. Vorbei ist die Zeit, in der bei erhöhten Cholesterinwerten die Empfehlung, weniger Ei oder Krabben zu essen, ausreichte. Dass dieser Rat keine Effekte auf die Lipide hatte, konnte in diversen Studien eindeutig belegt werden. Es besteht kein nennenswerter Zusammenhang von Cholesterin in der Nahrung und Cholesterin im Blut, so auch die US-Ernährungsrichtlinien. Damit fällt auch die maximal empfohlene Aufnahmemenge von 300 mg Cholesterin am Tag weg.

Wenn viele Ärzte vor diesem Hintergrund keine guten Erfahrungen mit einer Ernährungsberatung bei Hyperlipidämie gemacht haben, ist das nicht verwunderlich. Die Hebel waren falsch angesetzt. Neu im Fokus der Empfehlungen stehen jetzt die Kohlenhydrate und die Auswahl der Fette. „Die Fettqualität der Ernährung hat oft größere Auswirkungen auf das LDL-Cholesterin als das darin enthaltene Cholesterin“, so die Lipid-Liga.

Fettqualität im Fokus

Wenn das metabolische Syndrom mit Übergewicht und die Auswahl der Fette Mitursachen des erhöhten LDL-Cholesterins sind, dann sollte genau dort der Hebel angesetzt werden. Und das geht nur ganz individuell. Zuerst muss die aktuelle Ernährung analysiert werden. Dies gehört in die Hand einer erfahrenen Diätassistentin oder Ökotrophologin, idealerweise in einer Schwerpunktpraxis Ernährungsmedizin. Bei den zu erarbeitenden Veränderungen wird darauf geachtet, dass so wenig wie möglich von den lieb gewonnenen Gewohnheiten abgewichen wird.

Wo nötig, werden Alternativen so lange erprobt, bis der Patient zufrieden ist. Viel ist schon mit dem Verzicht auf Zwischenmahlzeiten und mehr komplexen Kohlenhydraten erreicht. Damit der Kampf gegen den Appetit nicht verloren geht, raten Ernährungsmediziner auch auf ausreichend Eiweiß in jeder Mahlzeit zu achten: Eiweiß macht für Stunden satt und versorgt den Körper mit den wichtigen Struktureiweißen für die Muskulatur. Und genau hier kommt dann wieder das früher geschmähte Ei ins Spiel. Als wertvoller Eiweiß- und Vitaminträger können Eier paradoxerweise einen wichtigen Beitrag zur Gewichtsreduktion und damit zur Senkung ernährungsbedingter Lipidwerte liefern.

Eiweiß in Eiern, Fisch, fettarmem Fleisch, Milchprodukten, den aus der Mode gekommenen Hülsenfrüchten und Nüssen sind damit zu einem Schlüssel der Ernährungsoptimierung geworden.

Viele Menschen vermuten aber gerade in Milch, fettem Fisch und Nüssen lauter Dickmacher. Doch gerade Mandeln und andere Nüsse taugen wegen ihres günstigen Fettmusters geradezu als Therapeutikum gegen erhöhtes Cholesterin. Regelmäßig genossen können sie das LDL-Cholesterin um 10 bis 20 Prozent senken. Ebenso gehört Fisch in das Repertoire der „Lipidoptimierer“ aus der Natur: Als gesichert gelten positive Effekte auf das HDL-Cholesterin und mehr noch auf die Triglyzeride. Umstritten ist die Auswirkung auf die LDL-Fraktion. Pflanzliche Sterine in Obst und Gemüse oder Ballaststoffe aus Haferflocken, Flohsamen oder Pektin aus Apfelschalen haben ebenso moderate Effekte wie Sojaprotein.

Insgesamt aber sollte Fett nicht mehr als 30 Prozent der Gesamtkalorienmenge ausmachen. Grundsatz: Gesättigte Fettsäuren sollten durch ungesättigte Fettsäuren ersetzt werden, da diese das LDL-Cholesterin günstig beeinflussen. Die Sonderform der ungesättigten Fettsäuren, die Transfette, die beim starken Erhitzen, besonders in Fertignahrungsmitteln vorkommt, sollte dabei auf ein Minimum reduziert werden.

Die richtige Mischung macht‘s

Instinktiv reagieren viele Patienten bei der Diagnose Hyperlidipämie fatalerweise mit einer Reduktion der Fettaufnahme: Eine niedrige Fettzufuhr führt aber paradoxerweise zu erhöhten Blutfettwerten. Wenn dies noch mit einer kohlenhydratreichen Ernährung kombiniert wird, wird alles noch schlimmer: Triglyzeride steigen und das HDL-Cholesterin sinkt! Gleichzeitig kommt es häufig zwar zu einer Senkung des LDL-Cholesterins, allerdings geht dies mit einer Verschiebung zugunsten atherogener Smalldense-LDL-Partikel einher. Kohlenhydratreduzierte Ernährungsweisen (< 40 Prozent der Gesamtenergie) gehen daher mit einer Erhöhung des HDL-Cholesterins, einer Senkung der Triglyzeride und einer Vergrößerung der LDL-Partikelgröße einher. Die früher häufig geäußerte Vermutung, dass eine Low-Carb-Ernährung die Lipidwerte steigere, konnte nicht bestätigt werden.

Die richtige Mischung im wahrsten Sinne des Wortes ist es, und sie muss dem Patienten dauerhaft schmecken, sonst verpufft die Wirkung der Ernährungstherapie rasch. Eine alleinige Gewichtsreduktion ohne Modifikation der Fettaufnahme hat allerdings allein meist keine ausreichende Wirkung auf das LDL-Cholesterin.

Auch auf Bewegung achten

Alle Maßnahmen können durch regelmäßige Bewegung oder idealerweise durch Sport noch potenziert werden. Den besten Effekt zeigen fünf Stunden Sport oder mindestens zügiges Spazierengehen pro Woche – je mehr und je intensiver, desto besser. Damit lässt sich der HDL-Cholesterin-Wert um 5 bis 10 Prozent erhöhen und die Triglyzeride um bis zu 50 Prozent senken. Leider sind die Auswirkungen auf das LDL nicht so groß: Immerhin werden die LDL-Partikel durch Sport größer und weniger atherogen.

Zielwertorientierte Therapie

Eine ernährungstherapeutische Intervention, richtig angesetzt und individuell durchgeführt, hat das Potenzial, nicht nur die Lipide und das Gewicht zu senken, sondern auch den Blutdruck und die Diabetesinzidenz. Bei Versagen oder nicht ausreichender Wirkung der ernährungstherapeutischen Maßnahmen empfehlen aktuell die deutschen und europäischen Fachgesellschaften eine zielwertorientierte Therapie: Je nach kardiovaskulärem Risiko wird ein Zielwert von unter 100 bzw. unter 70 mg/dl empfohlen.

Grundsätzlich gilt: je niedriger, desto besser. Das geringste kardiovaskuläre Ereignisrisiko haben nach einer Metaanalyse aus dem Jahr 2014 Patienten, die ein LDL-Cholesterin von unter 50 mg/dl erreichen. Damit sollte die von den amerikanischen Kollegen 2013 favorisierte Fire-and-Forget-Strategie nicht mehr angewendet werden.

Einen erneuten Beweis hierfür ist der IM-PROVE-IT-Studie gelungen. In dieser Studie ergab sich ein Benefit von der weiteren LDL-Cholesterin-Senkung unter 70 mg/dl. Der Einsatz des Cholesterin-Absorptionshemmers Ezetimib brachte einen um 15 mg/dl geringeren LDL-Cholesterin-Spiegel, was sich in 6,4 Prozent weniger Hospitalisierungen wegen Angina pectoris, Revaskularisierungen und nicht tödlichen Schlaganfällen auswirkte. Der Endpunkt Herzinfarkt war um 14 Prozent und ischämische Schlaganfälle sogar um 21 Prozent reduziert.

Einziger Wermutstropfen: Die Mortalität war in beiden Behandlungsarmen gleich hoch. Möglichweise bedarf es für ein Auseinanderscheren dieses Endpunktes eines längeren Zeitraumes als die untersuchten sechs Jahre.

Mit IMPROVE-IT wurde eine neue Diskussion eröffnet: Wie tief muss das LDL-Cholesterin bei Hochrisikopatienten sein, um einen idealen Schutz vor Infarkten zu bieten?

Neue Therapieoptionen

Für Patienten, die unter Ausnutzung des aktuellen Therapieportfolios keine ausreichende LDL-Cholesterin-Senkung erreichen, ist eine neue Medikationsklasse verfügbar: die PSCK9-Inhibitoren Evolocumab und Alirocumab. Grundlage dieser Therapie ist der Clearingprozess über LDL-Rezeptoren in der Leber. Sie entfernen das LDL-Cholesterin aus dem Blut. Für den Abbau dieser Clearing-Rezeptoren ist das PSCK9 zuständig. Die PSCK9-Inhibitoren stören nun den Abbau dieser Rezeptoren, so dass mehr LDL-Cholesterin entfernt wird.

Das Prinzip ist verblüffend einfach und hätte das Potenzial zum Shooting Star in der Lipidtherapie. Allerdings hemmen die Jahrestherapiekosten von rund 10.000 Euro und die noch ausstehenden Endpunktstudien, die für 2017 erwartet werden, die breite Anwendung dieser Medikamente. Nach Meinung des Hamburger Lipidologen Prof. Martin Merkel sollten diese Substanzen derzeit nur durch Spezialisten bei Hochrisikopatienten Anwendung finden.

Noch immer Optimierungsbedarf

Trotz großer Erfolge im Bereich der Prävention und Therapie der Arteriosklerose beklagt die Lipidliga noch immer Defizite: Nach dem 55. Lebensjahr steige das KHK-Risiko bei Frauen drastisch an und hole das der Männer ein. Trotzdem würden Frauen immer noch zu selten medikamentös therapiert. Auch 15 Prozent der Risikopatienten werden in Deutschland nicht ausreichend lipidsenkend versorgt. Bei einem LDL-Cholesterin von über 190 mg/dl ist sogar jeder dritte Patient ohne Therapie!

Mit den erweiterten Behandlungsoptionen von der Ernährungstherapie bis zu den PSCK9-Inhibitoren erhalten die Mediziner effektive Hebel zur Zielwerterreichung. Aber es klafft noch eine Lücke zwischen Theorie und Praxis : Laut dem DYSIS-Register aus dem Jahr 2010 erreichten 58 Prozent der in deutschen Hausarztpraxen mit einem Statin behandelten Patienten nicht die zu dem Zeitpunkt der Untersuchung geltenden LDL-Cholesterin-Zielwerte. Dieser Prozentsatz dürfte bei Beachtung des Prinzips „Je niedriger, desto besser“ noch einmal höher ausfallen.

Fazit: In der Zielwerterreichung sowie bei älteren Frauen und Hochrisikopatienten besteht derzeit noch Handlungsbedarf.

Fazit

  • Individualisierte Ernährungstherapie nach Analyse eines Ernährungsprotokolls

  • Balance zwischen gesättigten und ungesättigten Fettsäuren statt fettarmer Kost

  • Einsatz von Ölen, Nüssen, fettem Seefisch, pflanzlichen Proteinen und Ballaststoffen

  • Parallel Gewichtsoptimierung durch Kalorienrestriktion

  • Ausreichend Proteine verhindern Hunger

  • Bei metabolischem Syndrom Kohlenhydrate reduzieren und komplexe Kohlenhydrate bevorzugen

  • Möglichst fünf Stunden Sport oder zügiges Gehen pro Woche

Literatur beim Verfasser

Interessenkonflikte: keine

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