Kardiovaskuläre Prävention
Trotz gewisser Fortschritte sind kardiovaskuläre Erkrankungen weiterhin die häufigste Todesursache. “Dabei sollten wir uns immer wieder bewusst machen, dass kardiovaskuläre Erkrankungen verhinderbar sind”, so Prof. Ulrich Laufs, Leipzig. Die kardiovaskuläre Prävention müsse sehr früh beginnen. Neue Studiendaten zeigen, dass kardiovaskuläre Risikofaktoren im Kindesalter die Sterblichkeit im mittleren Lebensalter erhöhen.
Die entscheidenden Risikofaktoren für die KHK neben der Hypertonie und der Erhöhung des LDL-Cholesterins sind Bewegungsmangel, Rauchen und Adipositas. Doch welche Evidenz für eine Lebensverlängerung gibt es, wenn diese Risikofaktoren korrigiert werden?
Auch wenn grundsätzlich eine verstärkte körperliche Aktivität sinnvoll erscheint, so verbessert ein regelmäßiges Training aber nur in der Freizeit kardiovaskuläre Ereignisse und Tod. Körperliche Aktivität im Beruf ist dagegen sogar mit einem erhöhten Risiko assoziiert. Bei der körperlichen Aktivität spielen auch Bildungsunterschiede eine Rolle. “Eine Studie konnte zeigen, dass Menschen mit Abitur häufiger Rad fahren”, so Laufs. Der sozio-ökonomische Status bestimme das kardiovaskuläre Risiko.
Rauch-Stopp und Gewichtsreduktion
Was das Rauchen anbetrifft, so gibt es eine gute Evidenz für einen Rauchstopp. Ein Rauch-Verbot führte innerhalb von 12 Monaten zu einer relativen Abnahme der ACS-Inzidenz um 17 Prozent. Doch bei einem Rauch-Stopp konnte kein Effekt von E-Zigaretten auf die Rückfall-Rate dokumentiert werden. In einer britischen Untersuchung konnte dagegen gezeigt werden, dass bei Schwangeren eine finanzielle Belohnung die Abstinenz und somit auch die neonatale Gesundheit verbessert.
Studiendaten zeigen, dass in jüngeren Jahren eine unabhängige Assoziation der Adipositas mit Sterblichkeit besteht. “Doch es gibt keine prospektive Evidenz für Effekte einer Gewichtsreduktion auf die Sterblichkeit, aber multiple positive Gesundheitseffekte”, so Laufs.
Während eine nachhaltige Wirkung auf das Gewicht durch eine Magen-Bypass-Op belegt ist, so zeigte sich mittelfristig keine anhaltende Wirksamkeit von Ernährungsberatungen auf das Gewicht. Eine neue medikamentöse Option zur Gewichtsreduktion sind GLP-1-Rezeptoragonisten wie Semaglutid. Eine noch stärkere Wirkung auf das Körpergewicht verspricht man sich von dem dualen GLP-1- und GIP-Agonisten Tirzepatide.
Für die Lipidtherapie stehen heute neben den Statinen und Ezetimib PCSK9-Inhibitoren und die PCSK9 small interfering RNA zur Verfügung. Um das kardiovaskuläre Risiko zu minimieren, sollte nach Meinung von Laufs ein Kinder-Screening für LDL-Cholesterin im Rahmen von U 8 etabliert werden. Um die Therapieziele zu erreichen, sollte früh eine Kombinationstherapie durchgeführt werden, ähnlich wie beim Typ 2-Diabetes.
Kardiale Sarkoidose
“Die kardiale Sarkoidose ist selten, aber gefährlich”, so Professor Ali Yilmaz, Münster. Sie wird nur bei drei bis fünf Prozent der Sarkoidose-Patienten klinisch manifest. Geschätzt wird jedoch eine hohe Dunkelzifferrate von ca. 20-45 Prozent. Dies zeigen Autopsie- und MRT-Studien.
Typischerweise manifestiert sich die kardiale Beteiligung in Form von Herzrhythmusstörungen, Blockierungen und/oder Herzinsuffizienz. Da die kardiale Sarkoidose mit einer hohen Morbidität und Mortalität assoziiert ist, wird eine kardiale Manifestation generell als Indikation für eine rasche immunmodulatorische Therapie angesehen.
Die Therapie der Wahl sind Steroide, bei Komplikationen in Kombination mit einem Immunmodulator wie Methotrexat. Nach neueren Empfehlungen sollte das Steroid heute in einer geringeren Dosis (< 15 mg täglich) und auch kürzer gegeben werden. Lange und hochdosierte Therapien sind zu vermeiden. Die Frage, ob und wann zusätzlich ein ICD implantiert werden sollte, ist offen.
Für das diagnostische Vorgehen bei Verdacht auf Sarkoidose wurden in einer internationalen Leitlinie entsprechende Empfehlungen erarbeitet:
- Bei Verdacht auf eine kardiale Manifestation sollte primär ein MRT des Herzens durchgeführt werden. Nur wenn dies nicht möglich ist, wird ein PET-CT empfohlen.
- Bei Verdacht auf eine Sarkoidose-assoziierte pulmonale Hypertonie (PH) wird eine transthorakale Echokardiographie empfohlen. Ergeben sich dabei Hinweise für eine PH, so ist eine Rechtsherzkatheteruntersuchung indiziert.
Sekundärprävention
Während zahlreiche Daten über die Akutversorgung beim Myokardinfarkt vorliegen, so ist nur wenig bekannt über die Situation in der Sekundärprävention. “Obwohl Leitlinien klare Vorgaben machen, liegt hier noch manches im Argen”, so Prof. Uwe Zeymer, Ludwigshafen.
Vorrangige Probleme der Sekundärprävention sind:
- die nachlassende Therapie-Treue mit größerem Abstand zum Herzinfarkt
- eine falsche prognostische Einschätzung von Seiten der Patienten, aber auch der Ärzte
- ein nicht ausreichendes Wissen über das weiter bestehende Risiko und die Notwendigkeit der Sekundärpräven-tion.
Diesen Defiziten wurde jetzt mit der GULLIVE-R-Studie nachgegangen. Ausgewertet wurden die Daten von 2.500 ACS- Patienten im Mittel zehn Monate nach dem Infarkt und nochmals sechs Monate später. Die Akutversorgung war mit einer PCI-Rate von ca. 98 Prozent sehr gut. “Auch war die medikamentöse Therapie bei der Entlassung zwar nicht optimal aber doch gut”, so Zeymer. Über 90 Prozent erhielten ASS, etwa 80 Prozent eine duale Plättchenhemmung, 92 Prozent ein Statin, etwas über 80 Prozent einen Betablocker und 86 Prozent einen RAS-Blocker beziehungsweise ARNI.
Den LDL-Zielwert von zunächst < 70 bzw. später dann < 55 mg/dl erreichten nach 10 Monaten nur 20 bzw. 16 Prozent der Patienten und einen systolischen Blutdruck < 130 mm Hg 39 Prozent. Bezüglich der nicht-medikamentösen Maßnahmen gab jeder Zweite eine Ernährungsumstellung an, 60 Prozent machten 3 x 30 Minuten Sport pro Woche, 15 Prozent waren in einer Herzsportgruppe und 70 Prozent führten eine Blutdruckselbstmessung durch.
Doch im Follow-up ging der Anteil der Patienten, die alle medikamentösen Strategien einnahmen, von 51 auf 8 Prozent zurück, wobei dies vor allem dem Absetzen des zweiten Plättchenhemmers geschuldet ist. Was die ärztliche Risikoeinschätzung für einen erneuten Herzinfarkt betrifft, so wurde dieses Risiko nur bei elf Prozent als hoch angesehen, nach der objektiven Beurteilung mittels TRS2P-Score lag aber bei 34 Prozent ein hohes Rezidivrisiko vor.
Besonders groß waren die Defizite bei den Kenntnissen der Patienten. Nur 21 Prozent kannten ihren LDL-Wert, nur 16 Prozent ihren LDL-Zielwert und 39 Prozent ihren Zielblutdruck. Nur 31 Prozent messen täglich den Blutdruck und 40 Prozent waren über die protektive Wirkung einer regelmäßigen sportlichen Betätigung informiert.
Auch bei der Risiko-Einschätzung für einen erneuten Herzinfarkt lagen die Patienten oft daneben: Nur sieben Prozent hielten dieses für hoch im Vergleich zu 34 Prozent bei einer Bewertung mittels Score. 40 Prozent gingen von einem niedrigen Reinfarkt-Risiko aus, in Wirklichkeit war dies aber nur bei sieben Prozent der Fall.