Leitlinien-ÜberblickBlutdruck messen – so geht es richtig

Für die Diagnose und Therapieüberwachung von Bluthochdruck hat die Einzelmessung in der Praxis an Stellenwert verloren. Was empfehlen Leitlinien aktuell?

Die Hochdruckliga stellt eine Fünf-Schritte-Anleitung zur Selbstmessung bereit.

Bluthochdruck betrifft ein Drittel der deutschen Bevölkerung. Da die Häufigkeit der Erkrankung mit dem Alter steigt, wird dieser Anteil mit dem demografischen Wandel weiter zunehmen. Bei den über 60-Jährigen ist im Durchschnitt bereits heute jeder Zweite betroffen. Was außerdem besorgniserregend ist: Auch unter jungen Menschen, sogar unter Kindern und Jugendlichen, nimmt die Erkrankungsrate kontinuierlich zu.

Die Folgen sind bekannt: Jeder zweite Schlaganfall und jeder zweite Herzinfarkt gehen schon jetzt auf das Konto von Bluthochdruck. Eine aktuelle Auswertung von Gesundheitsdaten der WHO-Länder [1] zeigte erneut, dass die Anzahl der Todesfälle in Folge von kardiovaskulärer Erkrankung signifikant mit einem steigenden Blutdruck korreliert.

Die Messung stellt derzeit die einzige valide Möglichkeit dar, um Bluthochdruck zu diagnostizieren; allerdings hat die Einzelmessung in der Arztpraxis an Stellenwert verloren. Wurde sie früher in den europäischen Leitlinien als einzige Maßnahme zur Diagnose und Therapieüberwachung empfohlen, gibt die aktuelle Fassung der ESH/ESC-Leitlinien von 2018 [2] den Hinweis, die Diagnose und das Therapiemonitoring auf wiederholte Praxismessungen (bei mehr als einem Arztbesuch) oder eine 24h-Messung zu basieren.

Die zugrundeliegende Rationale ist klar: Es ist bekannt, dass die gefährliche maskierte Hypertonie, die oft mit Blutdruckanstiegen in der Nacht einhergeht, bei der Praxismessung häufig übersehen wird und die sogenannte “Weißkittelhypertonie” zu falsch-positiven Befunden führt.

Tipps für die Praxismessung

Was sollten Hausärztinnen und Hausärzte also bei der Praxismessung beachten? Die ESC/ESH-Leitlinien [2] geben eine detaillierte Anleitung zur Durchführung. Vor der Messung sollte der Patient in einer ruhigen Umgebung platziert werden und erst einmal fünf Minuten zur Ruhe kommen – ein wichtiger Schritt, der in der Hektik des Praxisalltags aber nicht immer leicht umzusetzen ist.

Dann sollen drei Messungen im Abstand von ein bis zwei Minuten erfolgen. Unterscheiden sich die Ergebnisse der ersten beiden Messungen um mehr als 10 mm Hg, soll eine weitere Messung vorgenommen werden.

Allein dieses Prozedere dauert mindestens fünf bis acht Minuten. Dies stellt im Praxisalltag ebenfalls eine Herausforderung dar, zumal zusätzlich auch noch an beiden Armen gemessen werden sollte (der höhere Wert ist der Referenzwert). Zudem sollte noch eine Minute sowie drei Minuten, nachdem der Patient aus der Sitzposition aufgestanden ist, im Stehen gemessen zu werden, um eine orthostatische Hypotonie auszuschließen.

Das gesamte Prozedere würde, wenn man es Schritt für Schritt befolgt, insgesamt 15 bis 20 Minuten beanspruchen, was letztlich nicht durch die Gebührenordnung abgedeckt ist.

In jedem Fall ist zur Diagnosesicherung oder zum Ausschluss der maskierten Hypertonie, gegebenenfalls auch zum Therapiemonitoring, die 24-Stunden-Messung ratsam, die die Leitlinie zu diesen Zwecken empfiehlt.

Zur Selbstmessung ermuntern

Für die Therapieüberwachung ist aber gerade auch die Blutdruckselbstmessung entscheidend, zu der wir die Betroffenen ermuntern sollten – nein: müssen! Eine systematische Auswertung von prospektiven Studien [3] hat bereits vor zehn Jahren gezeigt, dass die Selbstmessung zu Hause die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität besser vorhersagen kann als die Praxismessung. Damit ist sie die bessere Form der Therapieüberwachung – vorausgesetzt, sie wird richtig durchgeführt.

Weitere Erhebungen haben gezeigt, dass Patientinnen und Patienten, die regelmäßig ihren Blutdruck messen, auch eine höhere Adhärenz haben, wenn es um die Einnahme der blutdrucksenkenden Medikamente geht. Bedenkt man, dass die Therapietreue das wohl größte Problem in der Bluthochdrucktherapie darstellt, gewinnt die Messung zu Hause noch weiter an Bedeutung.

Anleitung für Patienten

Doch auch für die Selbstmessung gibt es einige Voraussetzungen: Die Betroffenen müssen zunächst die Messung erlernen. Um dabei den ärztlichen Beratungsaufwand geringer zu halten, bietet die Deutsche Hochdruckliga umfassendes Material inklusive einer kompakten 5-Schritte-Anleitung für die Blutdruckmessung, ebenso wie – auch digital ausfüllbare – Blutdruckpässe (s. Link-Tipp).

Die Leitlinie empfiehlt, sechs bis sieben (mindestens aber drei!) Tage vor dem Arztbesuch morgens und abends den Blutdruck zu messen und den Mittelwert aus allen Messungen zu berechnen. Liegt dieser über 140/90 mm Hg, ist eine Therapieanpassung erforderlich.

Eine weitere, ganz basale Voraussetzung für die Selbstmessung ist das Vorhandensein eines Blutdruckmessgeräts im Haushalt. Für Hausärzte wichtig zu wissen: Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten für die Anschaffung eines Blutdruckmessgeräts, wenn Sie es bei Erstdiagnose verschreiben.

Ein wichtiger Hinweis, den Sie den Betroffenen geben sollten, ist darüber hinaus, dass viele im Handel erhältliche Blutdruckmessgeräte keine zuverlässigen Werte liefern und das CE-Zeichen allein keine Messgenauigkeit garantiert. Die Deutsche Hochdruckliga prüft deshalb auf Antrag der Gerätehersteller Blutdruckmessgeräte und verleiht ein Prüfsiegel für deren Messgenauigkeit.

Die Tests finden durch unabhängige Prüfinstitute statt, eine Liste der zertifizierten Geräte ist auf www.hausarzt.link/rFKEm einsehbar.

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.

Literatur:

1. Sahin B, İlgün G. Risk factors of deaths related to cardiovascular diseases in World Health Organization (WHO) member countries. Health Soc Care Community. 2022 Jan; 30 (1): 73-80. doi: 10.1111/hsc.13156. Epub 2020 Sep 9.

2. Williams B, Mancia G, Spiering W et al. Authors/Task Force Members: 2018 ESC/ESH Guidelines for the management of arterial hypertension: The Task Force for the management of arterial hypertension of the European Society of Cardiology and the European Society of Hypertension. J Hypertens. 2018 Oct;36(10):1953-2041. doi: 10.1097/HJH.0000000000001940.

3. Ward AM, Takahashi O, Stevens R, Heneghan C. Home measurement of blood pressure and cardiovascular disease: systematic review and meta-analysis of prospective studies. J Hypertens 2012; 30:449–45.

4. McManus RJ, Mant J, Haque MS et al. Effect of self-monitoring and medication self-titration on systolic blood pressure in hypertensive patients at high risk of cardiovascular disease: the TASMIN-SR randomized clinical trial. JAMA 2014; 312: 799–808.

5. Tucker KL, Sheppard JP, Stevens R et al. Self-monitoring of blood pressure in hypertension: a systematic review and individual patient data meta-analysis. PLoS Med 2017; 14: e1002389.

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