Gerade die Therapie älterer, multimorbider Personen mit Polypharmazie erfordert Fingerspitzengefühl. Vor allem, wenn es um eine Unterbrechung vor geplanten Operationen geht.
Zur Prophylaxe kardioembolischer Ereignisse bei (nicht-valvulärema) Vorhofflimmern und zur Rezidiv-Prophylaxe von tiefen Venenthrombosen (TVT) und Lungenembolien (LE) werden Vitamin-K-Antagonisten (VKA) wie Phenprocoumon und Warfarin eingesetzt wie auch die sogenannten neuen oralen Antikoagulanzien (NOAKb).
Den praktischen Vorteilen der NOAK durch eine Behandlung mit fester Dosis stehen jedoch erhebliche Nachteile gegenüber: Unklares Nutzen-Schadensverhältnis bei multimorbiden, älteren Patienten, fehlendes Monitoring besonders bei Multimedikation und notwendige Dosierungsanpassungen aufgrund von Wechselwirkungen und Nierenfunktion. Das alles lässt sich im Gegensatz dazu mit VKA durch Bestimmung der INR besser erfassen als auch klinisch relevante Interaktionen und Non-Adhärenz.
Die regelmäßige Bestimmung der Nierenfunktion ist bei den NOAK besonders wichtig. Es muss insbesondere berücksichtigt werden, dass gerade bei älteren Menschen die Nierenfunktion im Rahmen akuter Erkrankungen schnellen Veränderungen unterliegen kann. In den Zulassungsstudien wurde für die Abschätzung der glomerulären Filtrationsrate (GFR) die Berechnung der Kreatininclearance (CrCl) nach der Cockcroft-Gault -Formel verwendet c, d.
Diese Formel ist die einzige, die Alter und Gewicht mit einbezieht. Als eindrückliches Beispiel kann eine 85-jährige und 50 kg schwere Frau mit scheinbar normaler Nierenfunktion (Kreatinin 1,2 mg/dl) heran gezogen werden. Hier zeigt sich, dass die Clearance nur etwa 27 ml/min beträgt und somit eine Niereninsuffizienz im Stadium 4 vorliegt.
NOAK oder VKA?
NOAK statt VKA sollten gerade bei Älteren nur nach eingehender Prüfung angewandt werden, weil
meist bereits bei mäßig eingeschränkter Nierenfunktion (CrCl 30–50 ml/min) eine erhöhte Aufmerksamkeit erforderlich ist (z.B. Dosisreduktion), ebenso im Alter und bei niedrigem Körpergewicht
das Risiko-Nutzen-Verhältnis bei Multimedikation (≥ 5 Arzneimittel) und Multimorbidität nicht untersucht ist
Bei der Auswahl eines NOAK ist unter anderem zu berücksichtigen, dass nach den Daten der Zulassungsstudien nur für Apixaban im Vergleich zu Warfarin eine Reduktion der Schlaganfälle/Embolien, schweren Blutungen und der Gesamtmortalität nachgewiesen ist; auch unabhängige Übersichtsarbeiten zeigen einen Vorteil von Apixaban im Vergleich zu anderen NOAK. Rivaroxaban bietet nach Einschätzung der AkdÄ im Vergleich zu VKA keine Vorteile.
Bedenken zur allgemein schlechten Performance der NOAK unter Alltagsbedingungen werden auch durch die bisherigen, auf Routinedaten basierenden Real-World-Erhebungen gestützt. Mögliche Ursachen könnten Unterdosierungen aus der nachvollziehbaren Angst vor Blutungen, vor allem bei älteren, oft niereninsuffizienten Patienten sein oder eine unzureichende Einnahmetreue.
Letztere wird ja bekanntermaßen in einfacher Weise durch regelmäßiges INR-Monitoring bei VKA transparent gemacht. Es ist verwunderlich, dass bei vielen Erkrankungen, medikamentösen Therapien oder Risikofaktoren ein (nicht selten sogar unsinniges) Monitoring empfohlen wird, aber gerade bei einer risikobehafteten Therapie, wie die einer oralen Antikoagulation mit NOAK, es ein Vorteil sein soll, darauf zu verzichten.