Impfung“Wir mussten uns gegen hanebüchene Ideen wehren”

Im April sollen Hausarztpraxen flächendeckend in die Impfungen gegen das Coronavirus einbezogen werden. In vielen Ländern haben engagierte Hausärztinnen und Hausärzte bereits in Modellprojekten mitgewirkt – so wie Heidi Weber, die schon Anfang März Hochbetagte zuhause geimpft hat. Im Interview erzählt sie, welche Lerneffekte sie für das Ausrollen gesammelt hat.

In Rheinland-Pfalz testeten am 1. März vier Hausarztpraxen die Impfung von gut 40 immobilen Senioren ab 80 Jahren bei Hausbesuchen. Wie kam es zu diesem “Übungstag”?

Durch eine lange Vorbereitung durch den Hausärzteverband Rheinland-Pfalz: In guter Zusammenarbeit hat sich unsere Vorsitzende Dr. Barbara Römer schon seit Dezember mit Ministerium, Apothekern und Impfzentren ausgetauscht. Ziel war es, möglichst schnell zu klären, wie wir den Biontech/Pfizer-Impfstoff zu unseren immobilen Patienten bringen können.

In dieser Vorbereitungsphase mussten wir uns auch gegen allerhand Bedenken durchsetzen – etwa, ob wir Hausarztpraxen doch tatsächlich in der Lage wären, den Impfstoff ohne drohende Verunreinigungen aufzubereiten.

Teils gab es hanebüchene Vorstellungen, dass Apotheker zu uns in die Praxen kommen müssten, um uns die sechs Dosen aus einem Fläschchen aufzuziehen. Dagegen haben wir uns klar gewehrt. Impfen ist schließlich hausärztliche Kernkompetenz!

Wie werden die “Impf-Hausbesuche” konkret gehandhabt?

Als Hausärztin hole ich den Impfstoff in den Durchstechfläschchen im Impfzentrum ab. Die Vials sind aufgetaut im Medikamentenkühlschrank der Praxis bei 2-8 Grad bis zu fünf Tage haltbar. Dann ziehe ich den Impfstoff jeweils tagesgenau auf.

Hier kommt die konkrete Planung in der Praxis ins Spiel: Ich habe vorher mit dem Impfzentrum Kontakt aufgenommen und die konkreten Dosen für meine 18 Patientinnen und Patienten bestellt.

Die Touren habe ich so geplant, dass ich in relativ kurzen Abständen sternförmig immer wieder die Praxis anfahre, weil ich die sechs Stunden mögliche Transportzeit nicht ausreizen möchte. Auch meine anderen Hausbesuche plane ich ja üblicherweise so, dass möglichst wenig Fahrtzeit zwischen ihnen liegt.

Wie lange dauert ein Hausbesuch?

Inklusive kurzem Vorgespräch zur Begrüßung, letzten Fragen rund um die Impfung, Desinfektion, Impfung und Nachbeobachtungszeit muss man mindestens 25 Minuten einplanen. Die schriftliche Impfaufklärung hatten wir jeweils beim zurückliegenden Hausbesuch ausgeteilt und jetzt nur noch unterschrieben eingesammelt.

Kann die Nachbeobachtungszeit auch für Routineaufgaben genutzt werden?

Wir in Rheinland-Pfalz haben das Glück, dass wir neben der eigentlichen Impfung auch andere Leistungen abrechnen durften. So haben wir die Zeit durchaus genutzt und mal Blutdruck gemessen oder einen INR bestimmt.

Auf Bundesebene war das zuletzt noch nicht geregelt. Hier zeichnete sich eher ab, dass neben dem Impf-Hausbesuch keine weiteren Ziffern abgerechnet werden dürfen.

Anhand der Lerneffekte des Modelltags wurde das Projekt in Rheinland-Pfalz zum 22. März für Patienten “Ü70” landesweit ausgerollt. Welche Rückmeldungen konnten Sie dafür mit auf den Weg geben?

In der Steuerungsgruppe haben wir für die Zukunft darauf gedrängt, dass wir die Aufklärungsbögen, die ja für die großen Impfzentren konzipiert sind, nicht brauchen. Wir kennen unsere Patientinnen und Patienten und wissen, wer welche Allergien hat, wer Gerinnungshemmer nimmt – da kann man dann ganz gezielt drauf ansprechen.

Bei der Grippeimpfung braucht es ja auch keine mehrfache schriftliche Aufklärung. Auch die Dokumentation im Nachhinein muss für Praxen verschlankt werden.

Darüber hinaus muss in unserem Modell die Absprache mit dem Impfzentrum funktionieren, da die Verteilung der Impfstoffe über dieses erfolgt. Für den Transport müssen standardisierte Kühlboxen zur Verfügung gestellt werden. In Rheinland-Pfalz wird dies das Land übernehmen.

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