Berlin. Noch im Dezember soll es deutlich mehr Corona-Impfstoff geben. Das geht aus einer Zusammenstellung des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) für die Ministerpräsidentenkonferenz am Donnerstag (2.12.) hervor. Demnach wird eine Lieferung von zehn Millionen Dosen Moderna aus dem dritten Quartal 2022 auf Dezember vorgezogen. Zusätzlich sollen acht Millionen Dosen zur Verfügung stehen, die nicht oder verlangsamt über die internationale Initiative Covax von anderen Ländern abgerufen wurden.
Die Dosen von Biontech/Pfizer sollen in der Lieferung anders gesplittet werden, sodass in der Woche vom 13. Dezember fünf Millionen Dosen verfügbar sind. In den Folgewochen danach entsprechend weniger. Das Ministerium verhandelt zudem mit anderen EU-Ländern, die ihre Biontech-Dosen aktuell nicht komplett benötigen. Ziel sei, zwei bis drei Millionen zusätzliche Dosen im Dezember übernehmen zu können, schreibt das BMG.
Die Aufstockung geht auf massive Proteste der Ärzte, allen voran auch der Hausärzteverbände, zurück, deren Impfaktionen zuletzt wegen fehlenden Impfstoffs ausgebremst wurden. Wie das zusätzliche Kontingent unter den impfenden Stellen genau verteilt wird und ab wann es wie bestellt werden kann, geht aus dem Schreiben des BMG allerdings nicht hervor.
Update: Am späten Donnerstagabend teilte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) mit, dass Praxen trotz der Erhöhung für die Woche vom 13. Dezember weiterhin nur 30 Dosen Biontech/Pfizer pro Arzt ordern können. Praxen sollten sich bei der Terminplanung darauf einstellen, dass sie auch weniger als die 30 Dosen bekommen könnten. Keine Begrenzung gibt es für die Vakzine von Moderna. Jedoch auch hier seien regionale Kürzungen möglich, schreibt die KBV.
Bis 7. Dezember können Praxen zudem erstmals den Kinder-Impfstoff von Biontech/Pfizer bestellen. Hier gibt es keine festgelegte Höchstmenge.
STIKO rät jetzt auch zur Impfung von Genesenen
Die höheren Mengen an Impfstoff kommen den Praxen nun auch gelegen, um die neuen Impfempfehlungen der STändigen Impfkommission (STIKO) umzusetzen. Das vorab online veröffentliche Epidemiologische Bulletin 48/2021 vom 2. Dezember 2021 der STIKO bestätigt die Mitte November vorläufig ausgesprochene Empfehlung zur Auffrischungsimpfung für alle Erwachsenen ab 18 Jahren. Bisher noch nicht publik war die Änderung, dass jetzt auch Genesene künftig eine Booster-Impfung erhalten sollen.
“Der Hausarzt” und das Institut für hausärztliche Fortbildung im Deutschen Hausärzteverband (IHF) haben die Übersicht der Impfstoffe sowie die Patienteninformation zu Auffrischimpfungen entsprechend der neuen STIKO-Vorgaben aktualisiert. Praxisteams können diese unter www.hausarzt.digital/covid19 kostenfrei herunterladen.
Vulnerable Gruppen bevorzugen
Somit können ab sofort alle Personen ab 18 Jahren eine Auffrischimpfung gegen COVID-19 bekommen. Die STIKO weist allerdings darauf hin, dass ältere (≥ 70 Jahre) und vorerkrankte Personen sowie Menschen, die in Pflegeeinrichtungen leben, wegen des höheren Risikos für einen schweren Verlauf bei den Auffrischimpfungen bevorzugt berücksichtigt werden sollten.
Auch Pflegepersonal und andere Menschen, die direkten Kontakt zu mehreren zu Pflegenden haben, sollten die Booster-Injektion vorrangig erhalten. Schließlich wird betont, dass die Impfung bisher nicht geimpfter Personen weiterhin höchste Priorität habe.
Die Neuerungen im Überblick
Wer?
Die Empfehlung zur Auffrischung gilt jetzt allgemein für alle Menschen ab 18 Jahren. Unabhängig vom Alter soll Schwangeren eine Auffrischimpfung – ausschließlich mit mRNA Biontech/Pfizer („Comirnaty“) – ab dem zweiten Trimenon angeboten werden. Das gilt auch, wenn diese bereits vor der Schwangerschaft doppelt geimpft waren.
Hinweis: Stillende werden in den aktuellen Empfehlungen zur Auffrischung nicht ausdrücklich erwähnt und fallen daher vermutlich unter die allgemeine Empfehlung, d.h. Personen ab 18 Jahren.
Genesene, die nach der Infektion eine einzelne Impfstoffdosis erhalten haben, sollen sechs Monate später eine Auffrischung bekommen. Ebenso sollen Personen, die nach einer (vollständigen oder unvollständigen) COVID-19-Grundimmunisierung eine SARS-CoV-2-Infektion durchgemacht haben, sechs Monate später eine Auffrischimpfung erhalten.
Womit?
Auffrischungen sollen grundsätzlich mit m-RNA-Impfstoffen erfolgen. Für Personen unter 30 Jahren sowie generell für Schwangere wird ausschließlich mRNA Biontech/Pfizer empfohlen. Im Alter darüber stuft die STIKO mRNA Biontech/Pfizer und mRNA Moderna („Spikevax“) als gleichermaßen geeignet ein. Die Empfehlung, für Personen unter 30 Jahren nur mRNA Biontech/Pfizer zu verwenden, wird mit dem höheren Risiko für eine Myo- bzw. Perikarditis unter mRNA Moderna in dieser Altersgruppe begründet.
Generell empfiehlt die STIKO, für Auffrischimpfungen möglichst denselben Impfstoff wie für die Grundimmunisierung zu verwenden. Wenn dieser nicht verfügbar ist, kann man auf den jeweils anderen Impfstoff zurückgreifen. Auch wenn das in diesem Zusammenhang nicht im Epidemiologischen Bulletin steht, gilt auch hier vermutlich die Empfehlung, mRNA Moderna nur Personen ab 30 Jahren zu verabreichen.
Wichtig: Ist nach Gabe eines m-RNA-Impfstoffs eine Myo- oder Perikarditis aufgetreten, rät die STIKO davon ab, eine weitere Dosis eines solchen Impfstoffs zu verabreichen. Allerdings kann bei hohem individuellem Risiko für eine Infektion bzw. einen schweren Verlauf die erneute Impfung mit einem m-RNA-Impfstoff oder einem anderen COVID-19-Impfstoff erwogen werden.
Wann?
Der Abstand zur letzten Dosis der Grundimmunisierung soll in der Regel sechs Monate betragen, kann aber im Einzelfall bei Vorliegen medizinischer Gründe oder bei ausreichenden Impfkapazitäten auf fünf Monate verkürzt werden.
Unverändert empfohlen wird eine Auffrischung bereits nach mindestens vier Wochen unabhängig vom Alter für Menschen mit Erkrankungen bzw. Therapien, die das Ansprechen auf eine Impfung relevant einschränken (= Immundefizienz, ID). Die im Epidemiologischen Bulletin 39/2021 ausgesprochenen Empfehlungen gelten weiterhin.
Dosis?
Die Vakzine mRNA Biontech/Pfizer wird für Auffrischimpfungen in derselben Dosis verwendet wie für die Grundimmunisierung (30 µg = 0,3 ml). Von mRNA Moderna wird für Auffrischimpfungen nur die halbe Dosis (50 µg = 0,25 ml) verabreicht. Cave: Für Personen mit Immundefizienz wird aber auch von mRNA Moderna die volle Dosis von 100 µg = 0,5 ml empfohlen.
Wahrscheinlich keine kurzfristige Entlastung
In der „Wissenschaftlichen Begründung der STIKO zur Aktualisierung der Empfehlung der COVID-19-Auffrischimpfung mit einem mRNA-Impfstoff“ heißt es, dass durch Auffrischimpfungen die gegen SARS-CoV-2 gerichtete Immunität in der Bevölkerung verbessert, COVID-19-Erkrankungen reduziert und die 4. Infektionswelle abgeschwächt werden solle. Allerdings weist die STIKO darauf hin, dass eine Entlastung des Gesundheitssystems in Deutschland während der aktuellen und möglicher nachfolgender Wellen durch Auffrischungen nicht kurzfristig zu erreichen sei.
Die STIKO zitiert eine Reihe von Studien, die das Nachlassen des Impfschutzes nach Abschluss der Grundimmunisierung über einen Zeitraum von vier bis sechs Monaten dokumentieren. Danach sei der Rückgang der Wirksamkeit gegen schwere Infektionen (Hospitalisierung) zwar nur leicht, aber der Schutz vor symptomatischen Infektionen jeglicher Schwere nehme deutlich ab (je nach Impfstoff und Altersgruppe zwischen 10 und 50 Prozent).
Die Wirkung („Impact“) einer Auffrischung wird hauptsächlich anhand epidemiologischer Studien aus Israel dokumentiert. Dort wurde das Alter für Auffrischimpfungen im August schrittweise herabgesetzt. Seit 29. August gilt die Empfehlung bis herab zum Alter von 16 Jahren. Dieses Vorgehen hat gemäß der jüngsten – erst als Preprint veröffentlichten – Studie die Rate von schweren Infektionen und Todesfällen über alle Altersgruppen signifikant gesenkt.
In der Gruppe 60+ ging die Zahl um den Faktor 18,7 zurück, bei den unter 60-Jährigen um den Faktor 22 (relative Risikoreduktion). Die absolute Risikoreduktion fiel allerdings in der Gruppe der 40- bis 59-Jährigen mit 0,66 Fällen pro 100.000 etwa um den Faktor zehn niedriger aus als in der Gruppe 60+ mit 5,9 verhinderten Fällen pro 100.000.
Hausarztpraxen müssen Politik-Versäumnisse ausbaden
Zum wiederholten Mal hatte die Politik bei den Auffrischimpfungen Entscheidungen getroffen, ohne den Hausarztpraxen ausreichend Zeit zur Vorbereitung zu geben. Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes: „Vor einer Ankündigung, dass Personen über 18 Jahren sechs Monate nach der Zweitimpfung eine Booster-Impfung bekommen können, hätte man das Organisatorische regeln müssen. Jetzt haben wir zum Teil chaotische Zustände in den Hausarztpraxen. Telefone stehen nicht still und Mitarbeitende werden beschimpft, weil eine Booster-Impfung ab sofort für alle von der Politik versprochen wurde.“
Was es jetzt brauche, sei ein geordneter Prozess, bei dem vulnerable Gruppen – also beispielsweise ältere und chronisch erkrankte Personen – zuerst geboostert werden und dann sukzessive die Personengruppen mit den jeweils dann höchsten Risikoprofilen, so Weigeldt. red
Mit Material von dpa