Berlin. Die internationale Impfallianz Gavi will ihre Anstrengungen für einen Ausbau des weltweiten Gesundheitsschutzes verstärken. Für einen Erfolg seien bessere Gesundheitssysteme und eine schnellere Reaktion auf ansteckende Krankheiten nötig, aber auch mehr Transparenz bei Ausbrüchen, sagte der Gavi-Geschäftsführer und Epidemiologe Seth Berkley der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Berlin. Mögliche Epidemien seien eine Frage der weltweiten Sicherheit.
Krankheiten fordern mehr Tote als Kriege
Gavi wurde vor 20 Jahren beim Weltwirtschaftsforum in Davos aus der Taufe gehoben. Bis Ende 2018 sind nach Angaben der Impfallianz rund 760 Millionen Kinder als Teil des Programms geimpft worden. Die Impfraten in den ärmsten Ländern der Welt befinden sich auf einem historischen Höchststand. Für den Zeitraum 2021 bis 2025 hofft Gavi erneut auf einen dreistelligen Millionenbetrag aus Deutschland – und mit der Hilfe aus anderen Staaten auf einen hohen Milliardenbetrag.
„In der jüngeren Geschichte sind mehr Menschen an krankheitsbedingten Problemen gestorben als wegen Kriegen“, sagte Berkley. „Wenn wir über diese Art von Sicherheitslagen nachdenken, sind eine genaue Überwachung und eine Verfügbarkeit von Daten absolut entscheidend sowie Menschen, die so eine Lage managen können.“
Lückenreiche Impfdokumentation
Gavi setzte auf die Digitalisierung von Gesundheitsdaten. Weltweit haben demnach 90 Prozent der Kinder eine Gesundheitskarte, die noch vor der Geburts- oder Heiratsurkunde das wichtigste persönliche Dokument sei. „Das Problem ist, es ist ein Stück Papier. Man kann es verlieren oder es wird zerstört, weil man beispielsweise Flüchtling ist“, sagte Berkley. Ideal sei ein Datensystem, das Kinder und Familien identifiziert, Impfungen verzeichnet und auch Erinnerungen schickt.
Traditionell ist Asien ein Brennpunkt ansteckender Krankheiten gewesen, auch mit resistenten Erregern. So sei im Grenzgebiet zwischen Thailand und Kambodscha Malaria resistent geworden, sagte Berkley. Zwischen Afghanistan und Pakistan gebe es weltweit die letzte verbliebene Region mit dem Polio-Wildvirus. Künftig könne sich Afrika wegen des Bevölkerungswachstums und der Migrationsbewegungen sowie Armut und klimatischer Veränderungen zu einem Brennpunkt entwickeln.
Problemfaktor Mobilität
In Systeme zur Bekämpfung von Krankheiten müsse weltweit und kontinuierlich investiert werden, forderte er. Er zog einen Vergleich zu mehrfach abgesicherten militärischen Abwehrsystemen, in die große Beträge investiert werden.
„Die Tatsache, dass wir uns so schnell bewegen können, führt zu einer schnellen weltweiten Verbreitung. Man kann Abendessen in Nairobi haben, Frühstück in Berlin und Mittagessen in New York“, sagte Berkley.
Die größte Gefahr gehe weiter vom Grippevirus aus, das bei einem Ausbruch auch entwickelte Gesundheitssysteme überfordern könne. Eine reale Gefahr seien auch bislang noch nicht aufgetretene oder wahrgenommene Infektionskrankheiten, die als „Krankheit X“ bezeichnet werden. „Das ist keine Möglichkeit, es ist eine Realität“, sagte er. „Es könnte auch eine altbekannte Krankheit sein, aber mit einem gänzlich anderen Resistenzmuster.“
Quelle: dpa