Berlin. Auch gesunde Fünf- bis Elfjährige sollen künftig gegen das Coronavirus geimpft werden – im Gegensatz zu anderen Altersgruppen jedoch mit nur einer Impfdosis. Das geht aus der aktualisierten Empfehlung der Ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut (STIKO) hervor, die am Dienstag (24. Mai) veröffentlicht wurde (Epid Bull 21/2022). Die Empfehlung gilt unabhängig davon, ob bereits eine (gesicherte) Erkrankung durchgemacht wurde.
Bislang hat die STIKO eine Impfung in dieser Altersklasse nur bei Vorerkrankungen und regelhaft für Zwölf- bis 17-Jährige empfohlen.
Kinder mit Vorerkrankungen sollten weiter eine Grundimmunisierung mit zwei Impfungen und eine Auffrischimpfung erhalten, so die STIKO in ihrer aktualisierten Empfehlung. Kinder ohne Vorerkrankungen, in deren Umfeld sich Menschen mit hohem Risiko für einen schweren Verlauf befänden, sollen eine Grundimmunisierung mit zwei Impfstoffdosen bekommen. “Gesunde Kinder, die bereits eine zweimalige Impfung erhalten haben, sollen zunächst nicht erneut geimpft werden.”
Ziel: Basisimmunität schaffen
Ziel der neuen Impfstrategie sei, bis zum Herbst eine „hybride Basisimmunität“ zu schaffen, erklärte STIKO-Mitglied Dr. Martin Terhardt einen Tag vor der Veröffentlichung der Empfehlung vor Journalisten. Aus den Meldedaten des RKI wisse man, dass über 50 Prozent der Kinder dieser Altersklasse eine Covid-Erkrankung durchgemacht hätten, in Kombination mit der angenommenen Dunkelziffer könne von einer „Durchseuchungsrate von 70 bis 100 Prozent“ ausgegangen werden. „Dies ist die mit Abstand höchste Durchseuchungsrate aller Bevölkerungsgruppen.“
Zudem gehe man davon aus, dass mehrfache Immunkontakte – also ein Immunschutz durch Infektion plus Immunschutz durch Impfung – einen besseren Schutz biete als das Verlassen auf eine Komponente, so Prof. Tim Niehues, Direktor des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin am Helios Klinikum Krefeld. Der Mediziner schränkte allerdings ein, dass dieses spezielle Modell noch nicht in randomisierten klinischen Studien überprüft wurde.
Entscheidung über zweite Dosis im Spätsommer?
Ziel sei es, „bei allen Kindern eine gute Basisimmunität aufzubauen“. Dies könne dann als Prophylaxe gegen neue Virusvarianten oder auch zurückkehrende Varianten gelten. „Wir sind damit optimal vorbereitet auf den Herbst“, betonte Terhardt. Dann könne die nun erreichte Basisimmunität möglicherweise durch eine zweite Dosis – möglicherweise auch mit verändertem Impfstoff – aufgestockt werden. „Mit der Empfehlung schaffen wir es nicht, Omikron einzudämmen, sondern wir legen die Basis für die Zukunft.“
Über eine mögliche zweite Dosis soll im Spätsommer oder Herbst entschieden werden. Kriterien seien das Infektionsgeschehen, die dann vorherrschenden Varianten, die Dauer der bis dahin erworbenen Immunität und die Wirksamkeit der dann verfügbaren Impfstoffe.
Wichtig in der (Hausarzt-)Praxis
Auch wenn die Impfung vorrangig in Kinderarztpraxen stattfinden soll, ist die neue Empfehlung auch für Hausärztinnen und Hausärzte relevant – während ihrer Dienste in Impfzentren, aber auch, weil Fragen interessierter oder besorgter Eltern erfahrungsgemäß als erstes in der Hausarztpraxis aufschlagen. Nicht zuletzt betreuen gerade Hausarztpraxen in ländlicheren Gegenden oft auch Kinder.
Drei Punkte sind laut STIKO bei der Impfung der Fünf- bis Elfjährigen zu beachten.
1. Impfschema: Nur eine Dosis
Regelhaft soll in dieser Altersklasse nur eine Impfdosis gegeben werden. Der Vorteil einer zweiten Impfung sei bei gesunden Kindern und mit Blick auf Omikron aktuell „zu vernachlässigen“, so STIKO-Mitglied Terhardt.
Auch Eltern, die sich – beispielsweise aufgrund extrem rigider Kontaktbeschränkungen – sicher seien, keinen Kontakt mit dem Virus gehabt zu haben, sollen ihr Kind einmal impfen lassen, erklärt Prof. Reinhard Berner, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Uniklinikum Dresden. „Es kann niemand sicher ausschließen, nicht doch unbemerkt eine Infektion durchgemacht zu haben.“
Bereits doppelt geimpfte Kinder – laut RKI-Daten 22 Prozent in dieser Altersklasse -, die keinen Kontakt mit dem Virus hatten, sollten mit Blick auf weitere Impfungen gleichgestellt behandelt werden wie Kinder, die nun eine Impfdosis erhalten.
Für jene Kinder mit Grunderkrankungen, die ein höheres Risiko für schwere Covid-Erkrankungen haben, gelte weiterhin die alte Empfehlung (s. Tabelle oben).
2. Impfstoff: Comirnaty bevorzugt
Möglich ist laut STIKO bei Fünf- bis Elfjährigen eine Impfung mit Comirnaty (10 Mikrogramm) von Biontech/Pfizer oder – ab dem Alter von sechs Jahren – dem Moderna-Impfstoff Spikevax (50 Mikrogramm).
“Da zu Spikevax aktuell ausschließlich Sicherheitsdaten aus der Zulassung vorliegen, empfiehlt die STIKO präferenziell die Impfung mit Comirnaty”, heißt es jedoch.
Das Risiko für Myokarditis und Perikarditis, weswegen Spikevax darüber hinaus erst ab dem 30. Lebensjahr verimpft werden soll, sei bei Kindern extrem gering, so Terhardt. Es sinke zudem mit größerem Abstand zwischen den Impfungen.
3. Abstand zur Erkrankung: 3 Monate
Bei bekanntem Zeitpunkt der Infektion soll – analog zu den für Erwachsenen gültigen Empfehlungen – drei Monate abgewartet werden, bis geimpft wird.
Im Gegensatz zu Erwachsenen, wo bei unklarer Infektion mitunter eine Serologie bestimmt wird, soll dies bei Kindern jedoch nicht erfolgen: Bei einem „zu engen“ Abstand zwischen (unbekannter) Erkrankung und Impfung bestehe zwar das „Risiko“ eines möglicherweise geringeren Booster-Effekts, dieses sei jedoch zu vernachlässigen, darüber hinaus bestünden keine Gefahren. Mit Blick auf die Abwägung von Nutzen und Risiken könne daher darauf verzichtet werden, bei den kleinen Patienten Blut abzunehmen, um den Infektionszeitpunkt genauer zu bestimmen, erklärt Terhardt.
Erneut anderes Impfschema für Kleinkinder?
Darüber hinaus hat die STIKO bereits die Impfung der noch kleineren Kinder im Blick: Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) prüft aktuell einen Antrag von Moderna, die Zulassung von Spikevax auf Kleinkinder unter fünf Jahren auszuweiten. Auch Biontech und Pfizer wollen weltweit Zulassungen für ihren Corona-Impfstoff für Kleinkinder beantragen, wie sie am Montag (23. Mai) ankündigten.
Das Impfschema könnte hier noch einmal anders aussehen. In den Zulassungsstudien wird aktuell mit 3x 3 Mikrogramm Comirnaty gearbeitet. Jedoch mahnte STIKO-Mitglied Terhardt vor voreiligen Schlüssen aufgrund der Studien zur Zulassung; dies sage noch nichts über die zu einem späteren Zeitpunkt zu erarbeitende STIKO-Empfehlung aus.